Ein lettischer Gastarbeiter hat in Jestetten einen jungen St. Galler totgeschlagen. Die Strafverfolger rätseln über sein Motiv.
Der Beschuldigte im Tötungsdelikt am Rheinufer bei Jestetten hat die Tat am Dienstag überraschend gestanden. Der 39-Jährige hatte bisher über das Vorgefallene geschwiegen, doch am letzten Verhandlungstag liess er durch seinen Anwalt ein Geständnis verlesen.
Darin erklärte Denis M.: «Ich bin verantwortlich für die vorsätzliche Tötung durch Schläge auf den Kopf des Opfers.» Ausgeführt habe er das Ganze mit einem Holzscheit. Mehr wolle er nicht sagen, auch um die Angehörigen zu schonen. «Ich bin eher verschlossen, kann mit Worten nicht gut umgehen, deshalb lasse ich mein Geständnis durch meinen Verteidiger verlesen.»
Die brutale Tat geschah in der Nacht vom 8. Juni. Das Opfer hatte in jener Nacht in einer Hängematte am Rheinufer bei Jestetten übernachten wollen. Am nächsten Tag war es mit seinem Bruder verabredet. Die beiden wollten zu einer Technoparty gehen.
Doch dann traf der Wildcamper auf Denis M. Dieser schlug so lange auf den Ostschweizer ein, bis sich sein Opfer nicht mehr regte. Der Täter wurde zwei Wochen nach der Tat festgenommen. Überführt hatten ihn DNA-Spuren, die sich auf dem Holzscheit fanden.
Vor Gericht sagte Denis M. nun, er bereue die Tat und könne sich sein Verhalten nicht erklären. «Die Hinterbliebenen kann ich nur um Verzeihung bitten. Aber ich kann verstehen, wenn sie das nicht können.» Der Richter am Landgericht in Waldshut antwortet ihm daraufhin: «Wir haben Verständnis, dass Sie nicht mehr zur Tat sagen wollen. Die Frage des Warums stellt sich für die Hinterbliebenen aber natürlich weiterhin.»
Staatsanwältin fordert 14 Jahre Freiheitsstrafe
Nach dem Beschuldigten sprach auch die Staatsanwältin. Sie sagte: «Das Verfahren war und ist eine Herausforderung.» Es sei ein Fall von internationaler Relevanz. «Die Tat geschah in Jestetten, der Angeklagte stammt aus Lettland, das Opfer aus der Schweiz.» Trotz intensiver Arbeit habe man das Motiv bisher nicht klären können, das sei für die Angehörigen äusserst unbefriedigend.
Die Staatsanwältin sagte: «Der Angeklagte hat heute zumindest die Verantwortung übernommen, aber zum Tathergang hat er sich nicht geäussert.» Sie könne deshalb keine Antworten geben, warum das 31-jährige Opfer so brutal aus dem Leben gerissen worden sei.
Die Staatsanwältin forderte wegen Totschlags 14 Jahre Freiheitsstrafe für den Beschuldigten. Denis M. habe sein Geständnis so spät abgelegt, dass es weder der Familie noch dem Gericht eine Erleichterung gebracht habe. «Er hat wohl nur gestanden, weil die Beweislage gegen ihn so erdrückend war.»
Was sich in der Nacht vom 8. Juni tatsächlich ereignet hatte, mussten die Ermittler deshalb über Indizien und Spurenauswertungen rekonstruieren. Klar ist, dass sich die DNA-Spuren von Denis M. nicht nur am Holzscheit, sondern auch noch an einem Joint und an den Kopfhörern des Opfers befanden. Die Staatsanwaltschaft geht deshalb davon aus, dass die beiden Männer zusammen am Lagerfeuer geraucht, getrunken und Musik gehört hatten. Das Opfer wird von Angehörigen als offener, kommunikativer Typ beschrieben. Gut möglich, dass der junge Mann den Letten eingeladen hatte, sich zu ihm zu setzen.
Aufgrund von Handydaten gehen die Ermittler davon aus, dass der 39-Jährige das Smartphone seines Opfers um 21 Uhr 43 in den Rhein warf, dann nämlich brach die Verbindung des Geräts ab. Nur zwei Minuten zuvor hatte der junge Wildcamper sein Handy noch benutzt. Für die Ermittler ist deshalb klar, dass der Lette ihm die tödlichen Schläge innerhalb von diesen zwei Minuten versetzt hat.
Doch warum endete das gemütliche Beisammensein in einer Bluttat?
Diskutiert wurden vor Gericht vor allem zwei Varianten. Aus Sicht der Staatsanwältin waren finanzielle Gründe das wahrscheinlichste Motiv. Denis M. hatte Geldprobleme. Der Gastarbeiter forderte am Tattag zwei Mal Geld von seiner Frau in Lettland, sie überwies ihm aber lediglich 5 Euro. Später durchsuchte er Schrebergärten mutmasslich nach Gegenständen zum Stehlen. Dabei war er auf einem gestohlenen Fahrrad unterwegs.
Damit nicht genug: Der Lette sass in seiner Heimat bereits einmal wegen Raubmordes hinter Gittern. Er hatte zusammen mit einem Mittäter eine alte Frau erschlagen und ausgeraubt.
Doch es gibt auch Gründe, die gegen ein finanzielles Motiv sprechen: Der Täter liess diverse Wertgegenstände am Tatort zurück: die Powerbank des Opfers genauso wie dessen Camping-Utensilien. Und auch das Handy nahm er nicht mit. Zwar fehlte das Portemonnaie des Opfers, allerdings wurde es bis heute nicht gefunden. Ob es der Täter mitgenommen hatte, ist deshalb unklar. Ohnehin wäre nicht viel zu holen gewesen, das Opfer hatte nur noch etwa 20 Franken bei sich.
Ein sexuelles Motiv?
Ebenfalls ins Feld geführt wurde ein sexuelles Motiv. Denn an der Penisspitze des Opfers wurden DNA-Spuren des Täters gefunden. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung halten es aber für unwahrscheinlich, dass die Tat einen sexuellen Hintergrund hatte. Opfer und Täter werden von Freunden und Verwandten als klar heterosexuell beschrieben. Die DNA-Spuren hätten auch indirekt an den Penis gelangen können, also zum Beispiel vom gemeinsam gerauchten Joint zuerst auf die Hand des Opfers und dann erst an sein Geschlechtsteil.
Ob es stattdessen vielleicht zu einem plötzlichen Streit kam und worin dieser bestand: All das bleibt im Dunkeln.
Nach dem Geständnis des Täters verzichtete der Verteidiger weitgehend darauf, Zweifel am Tathergang zu erwecken. Nur beim Strafmass sah er es anders als die Staatsanwältin: Sein Mandant sei mit nicht mehr als 11 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe zu verurteilen. Gerade das Geständnis helfe auch der Familie, mit der Sache abzuschliessen.
Am Ende der Verhandlung erhob sich Denis M., der an allen vorherigen Verhandlungstagen geschwiegen hatte, dann tatsächlich noch selbst und hielt ein kurzes Schlusswort. Er bereue seine Tat und fühle den Schmerz, den er den Angehörigen zugefügt habe.
Am kommenden Donnerstag wird das Gericht entscheiden, wie der Täter bestraft werden soll.