Trotzdem bleibt auch das Szenario eines Konkurses möglich.
Im Spital Wetzikon hat man diese Woche mit wachsender Anspannung auf einen überlebenswichtigen Entscheid gewartet. Das Bezirksgericht Hinwil musste beschliessen, ob die provisorische Nachlassstundung in eine definitive überführt wird. Was technisch klingt, hat handfeste Konsequenzen: Die definitive Nachlassstundung würde dem Spital bis zu zwei weitere Jahre Zeit geben, um den in akute Not geratenen Betrieb mit einem Sanierungsplan zu retten. Ohne Nachlassstundung hingegen drohte der Konkurs für das Spital mit seinen 900 Mitarbeitenden.
Jetzt hat das Gericht entschieden: Die definitive Nachlassstundung ist Realität, die Spitalführung kann also aufatmen. Aus dem Schneider ist sie damit allerdings noch nicht. Sie hat zähe Aufgaben vor sich, und ist von weiteren Entscheiden abhängig, die über Sein und Nichtsein entscheiden.
In die Krise geraten ist das Spital wegen einer Anleihe über 170 Millionen Franken, die es vor zehn Jahren am Markt aufgenommen hat. Geld, das es für einen Neubau benötigte, um im härter werdenden Wettbewerb unter den Spitälern auch in Zukunft zu bestehen. Eigentlich hätte das Spital diese 170 Millionen im Juni dieses Jahres den Gläubigern zurückzahlen müssen. Doch es war dazu nicht in der Lage.
Die Spitalführung hatte bis Anfang 2024 noch versucht, jemanden zu finden, der die Anleihe ablöst, doch die Finanzlage des Betriebs war zu angespannt. Niemand war bereit, so viel Geld aufzubringen. Nur wenige Monate später zerschlugen sich auch die Hoffnungen auf staatliche Hilfe. Am 4. April verkündete die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli, der Kanton werde das Spital nicht aus seiner Finanzmisere retten – selbst wenn dies sein Ende bedeuten sollte. Der Betrieb sei entbehrlich.
Seit Ende April befindet sich das Spital in der Nachlassstundung, und das bedeutet: Alle finanziellen Forderungen sind eingefroren. Dieser Zustand hat nun aufgrund des Gerichtsentscheid für weitere sechs Monate Bestand und kann bis Ende 2026 verlängert werden. So viel Zeit braucht es auch, wenn der Plan der Spitalführung aufgehen soll.
Es braucht Geld der Gemeinden und Opfer der Gläubiger
Zwei Punkte dieses Plans sind zentral: Das Spital braucht neues Geld und muss gleichzeitig seine Schulden reduzieren. Das neue Geld soll von den 14 Gemeinden kommen, denen das Spital gehört. Sie sollen gemeinsam 50 Millionen Franken einschiessen. Die entsprechenden Kredite wird aber die Bevölkerung erst noch bewilligen müssen.
Auf der anderen Seite sollen die Gläubiger des Spitals auf einen beträchtlichen Teil ihrer Forderungen verzichten: auf 65 bis 70 Prozent. Dabei geht es nicht nur um die Anleihe, sondern um weitere Schulden, die sich zum Beispiel im Zusammenhang mit dem noch nicht fertig gestellten Neubau angehäuft haben. Insgesamt sollen die Schuldner auf rund 180 Millionen Franken verzichten.
Diese haben den Schuldenschnitt in den letzten Wochen denn auch vehement bekämpft. Allen voran eine aktivistische Investorengruppe: Der Vorschlag sei alles andere als ausgewogen, kritisierte sie. Sie argumentierte, die Eigentümer, also die Gemeinden, sollten die Schulden bezahlen: Entweder indem sie das Land, die Häuser und allenfalls gleich den ganzen Spitalbetrieb verkaufen. Oder indem sie eine explizite Staatsgarantie sprechen, damit das Spital am Markt neues Geld aufnehmen kann.
Das Spital müsse deshalb aus der Nachlassstundung entlassen werden. Man habe unter den Gläubigern die nötige Zweidrittelmehrheit für die eigenen Pläne.
«Das gibt uns die nötige Zeit»
Dass die Nachlassstundung nun definitiv wird, ist auch eine Niederlage für die Gläubiger: Diese haben zuletzt auch die Absetzung der zwei Sachwalter gefordert, die während des Verfahrens ihre Interessen wahren sollen. Der Grund: Eine der beiden, Brigitte Umbach-Spahn, sei nicht unabhängig, weil sie mit einem Gossauer Gemeinderat verheiratet ist – und Gemeindepräsident ist dort Jörg Kündig (FDP), der Verwaltungsratspräsident des Spitals.
Umbach-Spahn verwahrte sich gegen die Vorwürfe. Auch das Gericht sah offensichtlich keinen Anlass, sie auszuwechseln. Die beiden Sachwalter waren es, die den Antrag auf eine definitive Nachlassstundung gestellt haben. Sie begründen dies in einer Mitteilung damit, dass das Spital gut funktioniere. Es könne alle neu anfallenden Rechnungen aus dem laufenden Betrieb bezahlen.
Das Spital ist nun aber weiterhin auf die Gunst von Gemeinden und Schuldnern angewiesen. Verwaltungsratspräsident Jörg Kündig gibt sich in einer Medienmitteilung unmittelbar nach dem Gerichtsentscheid optimistisch: «Die definitive Nachlassstundung gibt uns die nötige Zeit, die Interessengruppen zusammenzuführen.»
Sollte eine der beiden Seiten die Unterstützung für den Sanierungsplan verwehren, geht das Spital Konkurs. In den Gemeinden muss also die Bevölkerung in Abstimmungen und Gemeindeversammlungen die Kredite gutheissen. Und gleichzeitig muss das Spital darauf hoffen, dass die Gläubiger den Schuldenschnitt nicht ablehnen – dies könnten sie mit einer Zweidrittelmehrheit tun.
Letztlich rechnet das Spital mit dem Pragmatismus der Gläubiger. Denn laut Berechnungen des Spitals bekommen die Gläubiger bei einem Konkurs nur noch gut 20 Prozent ihres Geldes – und damit nochmals deutlich weniger als beim massiven Schuldenschnitt, der ihnen immerhin noch 30 bis 35 Prozent einbringen würde.