Die Staatsanwaltschaft prüfte das Handeln von vier am Einsatz beteiligten Polizisten.
Es ist das fatale Ende eines rätselhaften Entführungsfalls. Es ist Mittwoch, der 6. April 2022, abends um 19 Uhr 50. Erst wenige Stunden zuvor hatten die Ermittler die Identität des Entführers des Schweizer Impfchefs Christoph Berger klären können. Dieser war einige Tage davor während mehrerer Stunden in der Gewalt des Entführers.
Eine Spezialeinheit der Polizei bereitet die Festnahme von Sebastian Müller (Name geändert) vor. In Wallisellen, bei der Neubausiedlung mit der Penthousewohnung, in der Müller und seine Partnerin leben. Die Einsatzkräfte wissen, dass der Verdächtige Schusswaffen und Munition besitzt.
Als Müller mit seinem BMW und seiner Freundin auf dem Beifahrersitz vorfährt, versucht die Spezialeinheit, ihn zu stoppen. Die Polizisten nehmen das Auto in die Zange. Als Müller merkt, was gerade passiert, versucht er, rückwärts wegzufahren. Dann fällt plötzlich ein Schuss.
Am Ende ist der 38-jährige Kidnapper tot, ebenso seine zehn Jahre jüngere Freundin.
Schusswaffeneinsatz war verhältnismässig
Haben die Polizisten richtig gehandelt? Oder tragen sie eine Mitverantwortung dafür, dass am Ende eine junge Frau im Auto eines verzweifelten und gefährlichen Mannes ihr Leben verlor?
Dies sollte eine Untersuchung der Zürcher Staatsanwaltschaft zeigen, die nun abgeschlossen ist. Das Fazit der Ermittler: Alles richtig gemacht. Sie hat das Strafverfahren gegen vier beteiligte Polizisten eingestellt. Sowohl die Einsatzplanung als auch der Schusswaffengebrauch seien verhältnismässig gewesen, hält die Staatsanwaltschaft in einer Mitteilung vom Freitag fest.
Die angetroffene Gefährdungssituation habe eine umgehende Reaktion der Polizisten erfordert. Sie hätten deshalb «in rechtfertigender Notwehr» gehandelt. Auch bei der vorangehenden Einsatzplanung hätten keine Pflichtverletzungen festgestellt werden können.
Was beim Zugriff geschah, zeigt der Untersuchungsbericht. Demnach holte der 38-jährige Deutsche eine Pistole aus der Mittelkonsole und schoss seiner Lebenspartnerin in den Kopf. Die Einsatzkräfte erwiderten daraufhin das Feuer und zogen dann die beiden aus dem Auto. Die Frau blutete am Kopf, der Mann im Brustbereich. Die Pistole hielt Müller noch in seiner rechten Hand. Vergeblich versuchten die Einsatzkräfte, beide wiederzubeleben. Die Brasilianerin kam durch eine Kugel aus Müllers Waffe um, der Deutsche durch Schüsse von zwei Polizisten.
«Er handelte als Einzeltäter»
Offen bleibt, weshalb die Geschichte ein solch fatales Ende nahm. Mehr als spekulieren können auch die Ermittler nicht. Eine Auskunftsperson erzählte in der Untersuchung, Sebastian Müller sei zu feige gewesen, um sich selbst zu töten, und zu verliebt, um alleine zu gehen. Andere glauben, er habe seine Freundin aus Verzweiflung getötet.
Die Einstellungsverfügung der Zürcher Staatsanwaltschaft im Fall des Entführers vom Januar 2024 zeichnet das Bild eines finanziell vor dem Kollaps stehenden Mannes mit einem Hang zu Verschwörungstheorien. Eines Mannes auch, der niemanden in seine Pläne mit einbezog. Weder seine Freundin noch seine Geschäftspartner. «Er handelte als Einzeltäter und tötete seine Freundin, als seine Verhaftung und das unausweichliche Auffliegen seiner persönlichen finanziellen Lage bevorstanden», heisst es im Bericht.
Und das Entführungsopfer? Ein einziges Mal wendet sich Christoph Berger in einem Communiqué an die Öffentlichkeit und spricht über die Zeit in den Händen des Entführers. «Der mir bis dahin unbekannte Täter hatte mich eine gute Stunde in seiner Gewalt», heisst es in einer Stellungnahme kurz nach der Tat. Bezüge zu seiner Rolle als Präsident der Impfkommission habe der Mann aber nicht gemacht.
Das, so zeigte die Untersuchung, stimmt nur zum Teil. So ist Berger wohl nicht nur deshalb in den Fokus des Entführers geraten, weil Müller dachte, dass einer wie Berger in der Lage sei, einen Betrag von 300 000 Franken aufzutreiben. Sondern auch, weil Berger nationale Bekanntheit als Verfechter der Corona-Impfstrategie erlangt hatte.