Der Bund will die Spielregeln zur Verteilung der OECD-Steuer-Einnahmen ändern. Doch statt Mehreinnahmen gibt es nun noch weniger Geld aus den Kantonen.
Es schien, als hätte die Finanzkommission des Ständerats das Ei des Kolumbus gefunden. Im epischen Streit um die Finanzierung des Armeebudgets präsentierten die Standesvertreter Ende November eine Lösung, die eine Erhöhung der Militärausgaben auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts bereits im Jahr 2032 ermöglichen sollte. Und dies wundersamerweise fast, ohne jemandem weh zu tun.
Die Lösung, die die Finanzpolitiker präsentierten, heisst OECD-Mindeststeuer. Die OECD-Mindeststeuer verpflichtet grosse, international tätige Unternehmen dazu, in jedem Land, in dem sie tätig sind, mindestens 15 Prozent Steuern auf ihre Gewinne zu bezahlen. Konkret sollte nach dem Willen der Ständeratskommission ein grösserer Teil der Einnahmen aus der 2024 eingeführten nationalen Steuer in die Bundeskasse umgeleitet werden – zugunsten der Armee und zulasten der Kantone.
Statt auf 75 Prozent für die Kantone und 25 Prozent für den Bund sollte der Verteilschlüssel nach dem Willen der Kommission auf 50:50 festgelegt werden. Man versprach sich dadurch ab 2027 rund 400 Millionen Franken an Zusatzeinnahmen für die klamme Kasse des Bundes.
«Alles andere als nachvollziehbar»
Nun zeigt sich, dass es statt mehr wahrscheinlich sogar weniger Geld für die Armee geben wird. Am Donnerstag gab nämlich der Kanton Zug bekannt, dass er den beschlossenen Verteilschlüssel übersteuern wird. Zu diesem Zweck führt er eine eigene kantonale OECD-Zusatzsteuer ein. Zug wendet damit einen Kniff an, zu dem verschiedene andere Kantone bereits früher gegriffen haben.
Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) verhehlt nicht, dass es sich dabei um eine direkte Reaktion auf die Pläne des Ständerats handelt. «Die Begründung der ständerätlichen Finanzkommission ist alles andere als nachvollziehbar», sagt er. Sein Parteikollege Jakob Stark habe als Präsident der Finanzkommission «von den Kantonen» gesprochen, die zur Finanzierung dieser Aufgabe herangezogen werden sollten. Letztlich seien es aber nur die Kantone Zug und Luzern.
Tännler spielt damit darauf an, dass sich mit Zug und Luzern nur zwei Kantone an den Kompromiss halten wollten, den Volk und Stände im Juni 2023 in einer Volksabstimmung beschlossen hätten. Andere von der Mindeststeuer ebenfalls stark profitierende Kantone wie Waadt, Genf, Basel-Stadt, Neuenburg oder Schaffhausen haben sich nämlich bereits früher vom Verteilschlüssel 75:25 verabschiedet. Konkret haben diese Kantone wie nun Zug ihre kantonale Gewinnsteuer erhöht oder entsprechende rechtliche Anpassungen dafür in die Wege geleitet.
Der Zuger Regierungsrat wehrt sich auch dagegen, von einer OECD-Vorlage zu sprechen. Schliesslich gehe es um die Finanzierung der Armee, und diese sei eine originäre Bundesaufgabe. «Die Pläne des Ständerates zeigen einmal mehr, wie schlecht die Finanzpolitik im nationalen Parlament ist», sagt Tännler.
Mit Luzern droht bald auch der letzte Kanton auszusteigen. Denn auch der Luzerner Finanzdirektor Reto Wyss (Mitte) zeigt sich enttäuscht und überrascht vom Vorgehen der Ständeratskommission. «Es war bisher eine der grossen Stärken der Schweiz, dass einmal gefällte Entscheide auch umgesetzt wurden.» Diese Verlässlichkeit drohe nun verlorenzugehen.
«Zurzeit stellen wir in der Regierung ähnliche Überlegungen an wie der Kanton Zug. Entscheide sind aber noch keine gefallen», sagt Wyss. Wann dieser Prozess abgeschlossen sei, könne noch nicht gesagt werden. Angesichts der Verstimmung, die das Vorgehen der Finanzkommission ausgelöst hat, wäre alles andere als die Einführung einer OECD-Zusatzsteuer auch in Luzern eine Überraschung.
Plan B wird umgesetzt
Die Pläne der Finanzkommission sind von Beginn weg auf Kritik gestossen. Die Zweifel waren gross, ob man mit diesem Trick das Armeebudget tatsächlich nachhaltig erhöhen könnte. Auch beim Bundesrat ist die Skepsis offenbar gross. Bundesrätin Karin Keller-Sutter mahnte denn auch in der Budgetdebatte des Ständerats: «Hier muss man einfach aufpassen, dass man nicht einer Fata Morgana aufsitzt.» Keller-Sutter verwies darauf, dass ausser Zug und Luzern sämtliche Kantone die kantonalen Unternehmenssteuern per 2025 auf 15 Prozent oder knapp 15 Prozent erhöhen. Der Kniff sei also auch anderswo schon angewendet worden.
Konkret belastet der Kanton Zug künftig Unternehmensgewinne über 20 Millionen Franken mit einer zusätzlichen kantonalen Gewinnsteuer von 3 Prozent. Gemäss Tännler betrifft dies 400 bis 420 grosse Unternehmen. «Die Einführung der OECD-Zusatzsteuer hatten wir als Plan B schon länger in der Schublade», sagt er. Deshalb könne man dieses Instrument gezielt einführen, ohne dass dies die betroffenen Firmen administrativ belaste.