Wer ein Vermögen aufbauen will, kommt an Exchange-Traded Funds (ETF) kaum mehr vorbei. Es gibt mittlerweile aber einen regelrechten Dschungel von Produkten. Worauf man bei der Auswahl des «richtigen» ETF achten sollte.
Das Kürzel ETF steht für «Exchange-Traded Funds». Laut wohlmeinenden Beobachtern könnte es aber auch eine Abkürzung für «einfach, transparent und flexibel» sein. Schliesslich bilden diese Anlageprodukte die Entwicklung gängiger Börsenindizes ab, man kann ihre Entwicklung jederzeit verfolgen und sie an der Börse problemlos kaufen und verkaufen. Und günstig sind sie auch noch.
Wegen dieser Eigenschaften haben ETF in den vergangenen Jahren einen beispiellosen Boom erlebt. Doch der Erfolg der ETF ist für Sparer und Anleger auch ein Fluch. So gibt es mittlerweile immer mehr komplizierte ETF auf dem Markt, die mit der ursprünglichen Idee der Produkte wenig zu tun haben. Auch die Auswahl des «richtigen ETF» wird für Privatinvestoren immer schwieriger. Allein an der Schweizer Börse SIX waren Ende September dieses Jahres 1833 ETF kotiert.
Wer einige Kriterien beachtet, findet unter den ETF aber schnell viele geeignete Produkte. Folgende Schritte sind bei der Auswahl zu empfehlen:
1. Die Anlagestrategie festlegen
Zunächst einmal sollte man sich darüber klar sein, in welche Anlageklasse man investieren möchte. Unter der Vielzahl von ETF finden sich Produkte für Aktien, Anleihen, Immobilien, Rohstoffe oder Gold.
Für den Vermögensaufbau empfiehlt der Anlageexperte und Buchautor Patrick Eugster, sich auf die Anlageklassen Aktien und Obligationen zu konzentrieren. Mit Aktien-ETF lasse sich Rendite erzielen, Obligationen-ETF gäben dem Anlageportfolio Stabilität und Sicherheit. Je nach Risikobereitschaft und -fähigkeit lässt sich die beste Aktienquote für einen Anleger festlegen. Wer einen langen Anlagehorizont hat und keine Angst vor vorübergehenden Verlusten hat, kann einen grossen Teil des Vermögens anlegen. Wer eher vorsichtig ist und nicht gut schlafen kann, wenn das Vermögen in einer Börsenkorrektur zurückgeht, sollte eine niedrigere Aktienquote wählen.
Mit ETF lässt sich auch ein komplexeres Anlageportfolio zusammenstellen. Dieses kann dann neben Aktien- und Obligationen-ETF auch Produkte mit einem Fokus auf andere Anlageklassen und Schwerpunkte enthalten.
2. Den richtigen Index auswählen
Nach dem Festlegen der Anlagestrategie gilt es, den richtigen Index für den oder die ETF zu finden. Philipp Ochsner, Gründer des Vermögensverwalters Indexinvestor AG, empfiehlt, als Basis für das Portfolio einen möglichst breiten Welt-Aktienindex zu verwenden. Hier kommen beispielsweise der MSCI World, der MSCI-All-Country-World-Index (ACWI), der Dow-Jones-Global-Titans-Index oder der FTSE All World Index infrage. «Wenn man möglichst viele Aktien im Portfolio hat, hat man das kleinste Risiko, die besten Performer zu verpassen», sagt Ochsner.
Bei vielen solcher Welt-Aktien-ETF ist das Gewicht amerikanischer Aktien sehr hoch. Im MSCI World lag es Ende November beispielsweise bei 74 Prozent. Wo «Welt-Aktienindex» draufsteht, sind also zu einem sehr grossen Teil Aktien aus den USA drin. Börsianer sprechen hier von einem «Klumpenrisiko». Sinken an der amerikanischen Börse die Kurse, wird auch der entsprechende Welt-Aktienindex hohe Verluste erleiden.
Man könne das hohe Gewicht amerikanischer Aktien durch den Kauf von ETF auf europäische Aktien oder auf Schweizer Aktien abschwächen, sagt Eugster. Allerdings sei dies dann ein aktiver Entscheid des Privatanlegers, der sich für schlauer halte als den Markt. Schliesslich kommt die hohe Gewichtung amerikanischer Aktien in den Welt-Indizes daher, dass Investoren in den Vereinigten Staaten grössere Gewinnchancen sehen als in anderen Märkten.
Ochsner empfiehlt Schweizer Anlegern eine einfache Strategie bei den Aktienanlagen mit dem Ziel, Vermögen aufzubauen: 50 Prozent Aktien Welt, 50 Prozent Aktien Schweiz. Laut ihm kommt der MSCI World im Zeitraum 1970 bis Ende 2023 inklusive Dividenden auf eine jährliche Rendite von im Durchschnitt 6,8 Prozent. Beim Index MSCI Switzerland waren es laut Ochsner im selben Zeitraum durchschnittlich knapp 7,7 Prozent pro Jahr – Dividenden ebenfalls eingerechnet.
3. Auf die Grösse des ETF achten
Hat man entschieden, in welche Indizes man investieren möchte, steht die Auswahl des bestgeeigneten ETF an. Hier ist es zunächst einmal ratsam, darauf zu achten, dass das Anlageprodukt der Wahl auf eine gewisse Grösse kommt. Ein ETF sollte idealerweise ein Volumen von 100 Millionen Franken, Euro oder Dollar haben, sagt Eugster. Sei ein ETF noch nicht lange auf dem Markt, werde eine solche Grösse oft nicht erreicht – dies sei aber kein Ausschlusskriterium, sofern das Produkt ein gewisses Wachstum ausweise.
Ist ein ETF zu klein, besteht indessen die Gefahr, dass der entsprechende Anbieter ihn schliesst und vom Markt nimmt – denn das Produkt lässt sich bei einem geringen Volumen nicht wirtschaftlich betreiben. Dies will man als Anleger natürlich vermeiden. Auch Ochsner hält die Grösse eines ETF für «eine wichtige Marktinformation». Schliesslich zeige eine gewisse Grösse, dass sich andere Anleger für das Produkt entschieden hätten.
4. Kosten des ETF und des Börsenhandels beachten
Eugster hält die Gebühren eines ETF für eines der wichtigsten Auswahlkriterien. Gerade beim längerfristigen Vermögensaufbau zahle es sich aus, auf ETF mit geringeren Gebühren zu setzen. Es empfiehlt sich also, auf die «Total Expense Ratio» eines ETF zu achten. Ob bei dem Anlageprodukt eine jährliche Verwaltungsgebühr von 0,1 Prozent oder von 0,3 Prozent anfällt, macht gerade bei einer langen Anlagedauer einen grossen Unterschied bei der Nettorendite aus.
Einen guten Anhaltspunkt für die Kosten eines ETF gibt die sogenannte «Total Expense Ratio» (TER), die neben den Verwaltungsgebühren noch weitere Kostenkomponenten enthält – allerdings nicht alle.
Bei den Kosten sollte man auch die Gebühren im Auge behalten, die beim Kauf und beim Verkauf von ETF an der Börse anfallen. Das VZ Vermögenszentrum empfiehlt in einem Faktenblatt, hier auf die sogenannte Geld-Brief-Spanne zu achten. Diese Preisdifferenz zwischen dem Ankaufskurs und dem Verkaufskurs sollte aus Sicht des ETF-Käufers so tief wie möglich sein. Der Finanzdienstleister rät, ETF-Käufe und -Verkäufe in der Mitte der Handelszeit zu tätigen, da die Geld-Brief-Spannen dann niedriger seien.
In jedem Fall sollte die Börse, an der die entsprechenden Wertschriften gehandelt werden, zum Zeitpunkt der Transaktion geöffnet sein. Wer einen ETF auf amerikanische Aktien kaufe, solle dies zu einem Zeitpunkt tun, wenn an den Börsen in den USA gehandelt werde. Ist dies nicht der Fall, dürften die entsprechenden Geld-Brief-Spannen grösser sein – und die Anleger müssen dann mehr für die Transaktion bezahlen.
5. ETF mit physischer Abbildung gelten als sicherer
Auch bei der Methode, wie ETF die Börsenindizes abbilden, gibt es Unterschiede. Bei der physischen Replikation kauft der ETF die Wertpapiere, die im entsprechenden Index enthalten sind, direkt und besitzt sie. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder er kauft alle Wertpapiere («full replication»), oder er wendet die Sampling-Methode an. In diesem Fall kauft er nur die grössten und liquidesten Titel, die den grössten Anteil an der Entwicklung des Indexes haben.
Neben der physischen Replikation ist im ETF-Markt auch die synthetische Replikation verbreitet. Hier wird der Index mittels Swap-Geschäften nachgebildet. Es werden also Derivate eingesetzt. Diese Methode sei allerdings weniger transparent als die physische Replikation und aufgrund des Einsatzes von Derivaten bestehe das Risiko eines Ausfalls von Gegenparteien, sagt Eugster.
Er empfiehlt, bei der Indexabbildung darauf zu achten, dass diese physisch erfolgt – auch wenn dies etwas teurer sei als die Abbildung per Swaps. ETF, welche die Sampling-Methode einsetzten, könnten auch eine Alternative sein. In manchen Märkten kommt man indessen nicht um ETF mit synthetischer Replikation herum.
6. Abweichung des ETF vom Index prüfen
Nicht jeder ETF bildet die Entwicklung des entsprechenden Indexes perfekt ab. Es kann zu deutlichen Unterschieden zwischen der Indexentwicklung und der Performance des ETF kommen. Dies hängt mit den Kosten des ETF zusammen, aber auch mit der Abbildungsmethode. Vor dem Kauf sind die entsprechenden Abweichungen zu prüfen – dies ist mit den entsprechenden Daten aus dem Internet und den Faktenblättern der ETF möglich. Seien die Abweichungen zu gross, sollten Anleger vorsichtig sein, sagt Ochsner.
7. Thesaurierend oder ausschüttend?
Bei der Auswahl eines Aktien-ETF ist es auch wichtig, darauf zu achten, was mit den Dividenden beziehungsweise den Zinsen passiert. Diese werden entweder ausgeschüttet oder direkt im ETF reinvestiert. Passiert Letzteres, spricht man im Fachjargon von «thesaurierenden ETF».
Letztlich muss der Anleger selber wissen, welche Methode er bevorzugt. Für den langfristigen Vermögensaufbau eignen sich thesaurierende ETF grundsätzlich besser, da sich so mehr Geld in dem Produkt ansammelt und da gleichzeitig der Zinseszinseffekt stärker greift. Braucht man die Dividenden für Lebenshaltungskosten oder als eine Art «Zusatzeinkommen», sind ausschüttende ETF die bessere Wahl.
8. Währungsabsicherung: ja oder nein?
Ochsner betont die hohen Kosten der Währungsabsicherung. «Die Zinsdifferenz zwischen den USA und der Schweiz ist momentan sehr hoch, das macht relativ viel aus», sagt er. Bei Aktien-ETF rät er davon ab, die Währungsrisiken abzusichern. «Die langfristige Rendite kann mit Dividenden und Gewinnwachstum erklärt werden», sagt er. «Mit Währungsabsicherung ist die Volatilität tendenziell tiefer, aber man riskiert, von dieser langfristigen Rendite abzuweichen.» Bei Anleihen-ETF solle man das Währungsrisiko indessen absichern, da sonst aus Schweizer Sicht das Risiko im Verhältnis zu den Zinserträgen zu gross sei.
9. Auf das Fondsdomizil achten
Wichtig ist beim ETF-Kauf auch das Fondsdomizil. Auf die Dividenden von Schweizer Aktien fällt die Verrechnungssteuer von 35 Prozent an. Diese wird einbehalten, doch die Anleger können sie bei ETF mit Schweizer Domizil mit der Steuererklärung zurückfordern, was für Fonds mit ausländischem Domizil oft nicht möglich ist «Für Aktien Schweiz sollte man einen Indexfonds oder ETF mit Schweizer Domizil wählen. Bei einem Schweizer Indexfonds spart man sich zusätzlich die Stempelsteuern», sagt Ochsner.
Weiter gilt es die ausländischen Quellensteuern zu minimieren. Für Aktien Welt bieten sich ETF mit Domizil Irland an, da diese von den insgesamt besten Doppelbesteuerungsabkommen profitieren. Oft können diese insgesamt mehr Quellensteuern zurückfordern, als man als Schweizer Anleger mit viel Aufwand mit einem Portfolio in entsprechenden Einzeltiteln tun könnte.