Schulen und Ämter bleiben geschlossen, um Energie zu sparen. Für die geopolitisch geschwächte Regierung kommt die Krise zur Unzeit.
Geschlossene Schulen und Ämter im ganzen Land, ausgeschaltete Strassenlaternen in der Hauptstadt Teheran: Iran kämpft mit der grössten Energiekrise seit der Revolution 1979. Und das, obwohl das Land über die zweitgrössten nachgewiesenen Gasreserven und die viertgrössten nachgewiesenen Erdölreserven verfügt.
In einer Videobotschaft forderte Präsident Masud Pezeshkian die Bürger des Landes vergangene Woche auf, die Heizungen herunterzudrehen und die Temperatur in ihren Wohnräumen um zwei Grad zu senken. Er sprach von grossen Schwierigkeiten in den Bereichen Gas, Elektrizität, Energie und Wasser. «Wir müssen uns bei den Menschen dafür entschuldigen, dass wir uns in einer Situation befinden, in der sie die Hauptlast tragen müssen», so Pezeshkian.
Kraftwerke können weniger Strom produzieren
Die Regierung hat im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Sie kann entweder die Gasversorgung der Privathaushalte unterbrechen oder die Versorgung der Kraftwerke abschalten, die Strom erzeugen. Sie entschied sich für Letzteres, da die Abschaltung der Gasversorgung für Haushalte mit ernsthaften Sicherheitsrisiken verbunden wäre. Gas ist für die meisten Iraner die wichtigste Wärmequelle in der kalten Jahreszeit.
Bereits im November hatte die Regierung mit täglichen zweistündigen Stromabschaltungen für Privathaushalte begonnen, aber das reichte nicht aus. In der vergangenen Woche wurden Schulen, Universitäten, Banken und Regierungsstellen in fast allen iranischen Provinzen geschlossen, um Energie zu sparen. Vergangenen Donnerstag teilte die Regierung mit, dass alle Schulen und Hochschulen für den Rest des Semesters, das noch etwa drei Wochen läuft, auf Online-Unterricht umstellen würden. Um den Energieverbrauch zu senken, wurden zudem die Öffnungszeiten von Ämtern verkürzt.
Um Strom zu erzeugen, lassen die Behörden Masut verbrennen, einen preisgünstigen, aber sehr umweltschädlichen Erdölrückstand. Das Vorgehen hat die Luftqualität in den Städten weiter verschlechtert, in Teheran wurden ältere und kranke Bewohner gebeten, ihre Häuser möglichst nicht zu verlassen.
Iran nimmt mit Ölhandel viel Geld ein
Die Ursachen für die Krise sind vielfältig. Die iranischen Behörden sehen die Schuld bei den westlichen Ländern, die Sanktionen unter anderem gegen iranische Ölexporte, den Bankensektor und die Schifffahrt verhängt haben. Teheran soll so gezwungen werden, seine Nuklear- und Raketenprogramme zu stoppen. Die Wirtschaft des Landes wurde durch die Sanktionen praktisch lahmgelegt.
Tatsächlich ist es aufgrund der Sanktionen kaum möglich, ausländische Investitionen zur Erweiterung und Modernisierung des iranischen Energiesektors anzuziehen, so Analysten. Missmanagement, Korruption und billige Preise, die einen verschwenderischen Verbrauch fördern, verschärfen die Energiekrise weiter.
Auch das Handeln der iranischen Regierung trägt dazu bei. Denn eigentlich ist das Land im Öl- und Gasgeschäft eine Exportnation. Laut Daten der amerikanischen Energy Information Administration generierte das Land während der ersten drei Jahre der Amtszeit von Joe Biden Einnahmen aus dem Ölgeschäft in Höhe von 144 Milliarden Dollar.
Die Haushalt sind vom Gas abhängig
Ein grosser Teil dieser Einnahmen wurde laut Experten aber verwendet, um die geopolitischen Ziele der Regierung zu verwirklichen. So unterstützte Teheran das Regime seines Verbündeten Bashar al-Asad über Jahrzehnte mit Milliarden von Dollar, unter anderem durch die Lieferung von Millionen von Barrel kostenlosen Rohöls.
Hinzu kommt, dass Iran es versäumte, seinen Energiemix zu diversifizieren. Das Land ist überwiegend auf Erdgas angewiesen. Mehr als 95 Prozent der Haushalte sind an die Gasversorgung angeschlossen, eine Schwerpunktsetzung, die Analysten für fehlgeleitet halten. Viele der Gasleitungen sind in einem schlechten Zustand.
Anfang des Jahres sprengte Israel darüber hinaus zwei Gaspipelines in die Luft. Die iranische Regierung zapfte daraufhin im Stillen die Notgasreserven an, um eine Unterbrechung der Versorgung von Millionen von Menschen zu verhindern. Präsident Pezeshkian, der im Juli an die Macht kam, sagte, seine Regierung habe von ihren Vorgängern leere Speicher übernommen.
Der Druck auf die Regierung wächst
Für Iran kommen die Probleme bei der Energieversorgung zur Unzeit. Nach dem Zusammenbruch der Asad-Regierung in Syrien und der Dezimierung des Hizbullah im Libanon hat sich der regionale Status des Landes erheblich verschlechtert. Der neu gewählte US-Präsident Donald Trump dürfte den Druck auf das Regime weiter erhöhen, was wiederum die wirtschaftliche Situation noch verschlechtern wird. Bereits jetzt äussern zahlreiche Unternehmer im Land in Medienberichten ihren Unmut über die als willkürlich empfundenen Strom-Abschaltungen.
Die Währung des Landes, der Rial, befand sich in dieser Woche im freien Fall und erreichte den niedrigsten Kurs, der jemals gegenüber dem Dollar verzeichnet wurde.
Aus Sicht von Analysten besteht die einzige Lösung für das Land darin, Erdgas zu importieren, um die Nachfrage zu decken. Ein möglicher Lieferant ist Turkmenistan, das Land hat Iran bereits von 2005 bis 2013 mit Gas beliefert. Trotz immenser Gasvorkommen wird Iran also zur Importnation.