Die Türkei, Ägypten und China haben im vergangenen Jahr ihre Goldreserven weiter aufgestockt. Auch die Zentralbanken anderer Schwellenländer kaufen bei dem Edelmetall zu. Was dahintersteckt.
Historisch gesehen wird der Goldpreis stark vom Dollar beeinflusst. Steigt die US-Währung, fällt der Preis für das Edelmetall – und umgekehrt. Im vergangenen Jahr war der Dollar stark. So ist der Dollar-Index – ein Barometer, das den Wert der amerikanischen Devise gegenüber einem Korb von internationalen Währungen vergleicht – vorübergehend um fast 20 Prozent gestiegen. Am Ende des Jahres lag er mit rund 8 Prozent im Plus.
Goldpreis trotz starkem Dollar stabil
Umso bemerkenswerter ist es, dass sich der Goldpreis im vergangenen Jahr gut gehalten hat. In einem Jahr mit massiven Verlusten bei verschiedenen Anlageklassen war der Preis für das Edelmetall – trotz gewissen Ausschlägen – auf Jahressicht stabil und beendete 2022 beim Stand von 1824 Dollar pro Unze. Im neuen Jahr hat der Goldpreis sogar deutlich zugelegt, am Mittwoch stand er bei 1908 Dollar.
Laut Daten des World Gold Council (WGC), einer Branchenvereinigung von Goldminen-Unternehmen, kam die Nachfrage nach Gold im vergangenen Jahr einerseits von Privatkäufern, die ihre Vermögen vor Inflation und der angespannten geopolitischen Lage schützen wollten. Auffällig sind aber vor allem die aussergewöhnlich hohen Zukäufe von Zentralbanken, die ihre Goldreserven 2022 massiv aufgestockt haben.
Zentralbanken haben Hunger auf Gold
Bis Ende des dritten Quartals hatten Notenbanken weltweit netto 673 Tonnen an Gold zugekauft. Danach hielten die Zukäufe weiter an, wie die vergangene Woche publizierten Daten des World Gold Council zeigen. Laut diesen stockten Notenbanken ihre Goldreserven im Oktober netto um 34 Tonnen und im November um weitere 50 Tonnen auf.
Im Oktober betrugen die offiziellen Goldreserven der Zentralbanken gemäss World Gold Council 36 782 Tonnen. Laut der Branchenvereinigung war dies der höchste Stand seit November 1974.
Autoritär geführte Staaten kaufen zu
Auffällig dabei ist, dass derzeit in autoritär geführten Staaten eine besonders hohe Nachfrage nach dem Edelmetall besteht. Der grösste Käufer war 2022 die Türkei. Die türkische Zentralbank kaufte netto 122,8 Tonnen Gold zu, die gesamten Goldreserven des Staates stiegen damit auf 517 Tonnen.
Zu den grössten Goldkäufern zählten im vergangenen Jahr auch Ägypten, Usbekistan, der Irak sowie Indien (vgl. Grafik). Nicht alle Staaten berichten indessen regelmässig über ihre Goldkäufe. So ist nicht klar, wie viel Gold beispielsweise China oder Russland gekauft haben. Laut World Gold Council wurde indessen bekannt, dass die People’s Bank of China im November ihre Goldreserven um 32 Tonnen vergrössert hat. China sei historisch gesehen ein wichtiger Goldkäufer, zwischen 2002 und 2019 habe der Staat 1448 Tonnen Gold angehäuft, teilt die Organisation mit.
Neben China hat auch Russland in den Jahren vor Ausbruch der Pandemie seine Goldreserven massiv aufgestockt. Roberta Caselli, Research-Analytikerin bei Global X, einem Anbieter von kotierten Indexfonds, geht davon aus, dass die russische Zentralbank diesen Kurs weiter verfolgen dürfte. Aufgrund der Sanktionen gegen Russland sei zu erwarten, dass die russische Zentralbank den Grossteil der einheimischen Goldproduktion absorbieren dürfte. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben die G-7, die EU und die Schweiz Importe von russischem Gold verboten. Russland ist selber ein wichtiger Hersteller des Edelmetalls, dem Land wird eine Produktion von rund 300 Tonnen pro Jahr zugeschrieben.
Westliche Staaten haben die höchsten Goldreserven
Laut John Reade vom World Gold Council sind Zentralbanken seit 2010 Nettokäufer des Edelmetalls, wobei dafür vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer verantwortlich sind.
Den Grossteil der Reserven halten aber immer noch die Industrieländer. Auf Platz eins stehen hier mit grossem Abstand die USA, die derzeit über Goldreserven im Volumen von 8134 Tonnen verfügen. Deutschland hat mit 3355 Tonnen die zweitgrössten Reserven, es folgen Italien und Frankreich (vgl. Grafik).
Dann kommen allerdings bereits Russland mit Goldreserven von 2298 Tonnen und China mit 1980 Tonnen. Die Schweiz hält ebenfalls beträchtliche Reserven des Edelmetalls, diese belaufen sich laut der Statistik auf 1040 Tonnen.
Schwellenländer stocken auf – was sind die Gründe?
Weshalb haben Schwellenländer in den vergangenen Jahren ihre Goldreserven aufgestockt? Die Gründe hierfür sind vielfältig.
Geopolitische Spannungen: Laut Reade hat sich der Trend, dass Zentralbanken Gold kaufen, 2022 zugespitzt. Dies liege auch daran, dass diese in einer Zeit von wirtschaftlicher und geopolitischer Unsicherheit ihre Währungsreserven mit dem Edelmetall diversifizieren wollten. Caselli geht davon aus, dass die Nachfrage der Zentralbanken nach Gold hoch bleiben dürfte, solange die geopolitische Lage unruhig bleibt. Zentralbanken hielten Goldreserven, um ihre Finanzsysteme abzusichern. Laut der jährlichen Zentralbanken-Umfrage des World Gold Council vom Juni vergangenen Jahres planten 25 Prozent der Zentralbanken, ihre Goldreserven in den 12 Monaten danach aufzustocken. Ein Jahr davor waren es noch 21 Prozent gewesen.
Mehr Unabhängigkeit vom Dollar: Als wichtiger Grund gilt, dass sich einzelne Notenbanken vom Dollar als Reservewährung unabhängiger machen wollen. Caselli nennt hier in erster Linie China und Russland. Diese Staaten wollten ihre Währungsreserven stärker diversifizieren – und zwar weg vom Dollar.
Laut einer diese Woche publizierten Studie des Credit Suisse Research Institute liegt der Anteil des Dollars an den weltweiten Währungsreserven der Zentralbanken derzeit bei etwas mehr als 60 Prozent. Dies ist immer noch sehr hoch, obwohl es Anfang der 1970er Jahre mehr als 80 Prozent waren. An zweiter Stelle folgt die europäische Gemeinschaftswährung Euro mit einem Anteil von 20 Prozent. Die Bedeutung des Dollars zeigt sich auch darin, dass Rohstoffe wie Erdöl in Dollar gehandelt werden. Zudem wird die US-Währung bei einem Grossteil der internationalen Finanztransaktionen genutzt.
Dies gibt den USA grosse Macht. Wie das Beispiel Russland im vergangenen Jahr gezeigt hat, ermöglicht die Dominanz des Dollars es den USA, andere Länder mit Sanktionen zu belegen und deren Zugang zum internationalen Finanzsystem zu beschneiden. Auch haben geldpolitische Entscheidungen der US-Zentralbank Federal Reserve – wie die deutlichen Zinserhöhungen im vergangenen Jahr – auch in anderen Ländern Folgen.
Weder der Euro noch der chinesische Renminbi gelten derweil auf absehbare Zeit als Kandidaten, um eine globale Leitwährung zu werden. Der Dollar hat weiterhin eine unangefochtene Vormachtstellung. Die Zukäufe von Gold bei manchen Ländern sind so ein Zeichen dafür, dass sich manche Länder vom Dollar abzuwenden versuchen, um Risiken zu diversifizieren und weniger abhängig vom Dollar und von den USA zu sein.
Neu-Balancierung der Zentralbankreserven: «Ein möglicher Grund für die umfangreichen Käufe im Jahr 2022 könnte auch eine Neu-Balancierung der Zentralbankreserven sein», sagt Alexander Zumpfe, Edelmetallhändler beim deutschen Technologiekonzern Heraeus. Gewinne der Dollar an Wert, müssten die Zentralbanken ihre Reserven neu ausbalancieren, um die ursprünglich angestrebte Portfolio-Mischung beizubehalten.