Gemeinsam mit einem Beirat wollte das Kunsthaus Zürich die Sammlung neu kuratieren. Doch es soll wieder nicht gelungen sein, richtig mit dem konfliktreichen Erbe des Rüstungsindustriellen Emil Georg Bührle umzugehen.
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Das Kunsthaus kommt nicht zur Ruhe. Seit zwei Jahren zeigt es im Neubau – und begleitet von Kritik – die Kunstsammlung des Zürcher Rüstungsindustriellen Emil Georg Bührle. Nun kam es erneut zu Streit.
Bührle hatte während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Werke erworben, die in die Kategorie «NS-Verfolgungs-bedingt entzogener» Kunst gehören könnten. Das sind Bilder, die Bührle zwar rechtmässig gekauft hat, die aber von ihren jüdischen Vorbesitzern nur deshalb veräussert wurden, weil die Verfolgung durch die Nazis sie dazu zwang.
Gemeinsam mit einem wissenschaftlichen Beirat sollte das Kunsthaus die Sammlung neu kuratieren. Der Titel der Ausstellung, «Eine Zukunft für die Vergangenheit: Sammlung Bührle – Kunst, Kontext, Krieg und Konflikt», verhiess, dass man kritischer sein, klarer einordnen und vor allem einen anderen Fokus setzen wollte.
Nicht um Bührle, den Kriegsprofiteur, sollte es gehen, sondern um die vielen jüdischen Sammler, denen die Werke einst rechtmässig gehört hatten und die zu Opfern des nationalsozialistischen Regimes geworden waren. Doch die Zusammenarbeit ist gescheitert: Der wissenschaftliche Beirat ist geschlossen zurückgetreten. Das berichtete erst der Deutschlandfunk und bestätigten auch Beiratsmitglieder gegenüber der NZZ.
Keine Ausstellung über Holocaust
Laut dem Bericht des Deutschlandfunks und Quellen der NZZ soll ein erneut falsch gelegter Fokus Grund für den Rücktritt des wissenschaftlichen Gremiums sein. Wieder blicke die Ausstellung vor allem auf Bührle statt auf die Opfer des NS-Regimes. Die Begleittexte zur Ausstellung sollen dem wissenschaftlichen Gremium erst in der zweiten Oktoberwoche zur Beurteilung vorgelegt worden sein. Die Kritik des Beirats, dass die Präsentation wieder an den verfolgten, enteigneten und ermordeten Sammlern vorbeischaue, scheint nun nicht mehr Eingang in die Ausstellung finden zu können.
Laut dem Deutschlandfunk soll bei der Diskussion zwischen dem Kunsthaus-Team und dem wissenschaftlichen Beirat zudem gesagt worden sein, dass es sich ja nicht um eine Ausstellung über den Holocaust handle, sondern um die Präsentation einer Kunstsammlung.
Da die Entstehung der Sammlung Bührle allerdings eng mit dem NS-Kunstraub und damit selbstredend auch mit der Verfolgung europäischer Juden und dem Holocaust zusammenhängt, dürfte es kaum möglich sein, das eine ohne das andere zu präsentieren.
Komplexe Thematik
Die Kunsthaus-Direktorin Ann Demeester äusserst sich dazu in einer Pressemitteilung: Die Mitglieder des Beirats hätten die Konzeption der neuen Ausstellung mit konstruktiver Kritik entscheidend mitgeprägt. Sie bedaure aber, dass man in der konkreten Umsetzung keinen Konsens gefunden habe: «Unsere zwölfmonatige Zusammenarbeit war von grossem gegenseitigen Respekt getragen. Aber am Ende stimmten wir darin überein, dass wir nicht in allen Aspekten der konkreten Umsetzung übereinstimmen; das ist bedauerlich und zeigt, wie komplex die Thematik ist.»
In der Neuausstellung der Sammlung Emil Bührle solle es um Kunst und Geschichte und um unterschiedliche Stimmen und Meinungen gehen, liess das Kunsthaus verlautbaren. Das Kunsthaus-Team gehe davon aus, dass die Präsentation weiterhin kontroverse, «aber auch wertvolle Diskussionen» auslösen werde, wie die Vorbereitungsphase mit dem externen Beirat bereits gezeigt hat. Die Ausstellung, die ab dem 3. November dem Publikum zugänglich ist, soll Video-Statements, Audio-Erzählungen und Texte mit einschliessen.
Wie sich die Zusammenarbeit zwischen dem Kunsthaus-Team und dem wissenschaftlichen Beirat gestalte, werde man bei der bereits seit längerem anberaumten Pressekonferenz am 2. November gemeinsam kommunizieren, heisst es auf Anfrage: «Über den Gegenstand dieser Gespräche und den laufenden Prozess» gebe man davor keine Auskunft.
An der Pressekonferenz werden nebst der Kunsthaus-Direktorin Ann Demeester und dem zuständigen Team um Philippe Büttner, Joachim Sieber und Ioana Jimborean auch die beiden Beiratsmitglieder Angeli Sachs und Stefanie Mahrer anwesend sein und Auskunft geben. Der Beirat besteht aus sieben Personen, unter ihnen Nikola Doll, die Leiterin der Provenienzforschung des Kunstmuseums Bern, Muriel Gerstner, Bühnenbildnerin sowie Vorstandsmitglied des Vereins Omanut – Forum für jüdische Kunst und Kultur, der Historiker Mathieu Leimgruber und der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer.
Zum Grund für den Entscheid, das Kunsthaus-Mandat abzulegen, werde man sich erst bei der Pressekonferenz gemeinsam mit dem Kunsthaus offiziell äussern, erklärte das Gremium gegenüber der NZZ.