Der Aargauer FDP-Nationalrat Matthias Jauslin wechselt zur GLP. Es ist das Ende einer kriselnden Beziehung.
Parteiwechsel sind im nationalen Parlament nicht allzu häufig. Entsprechend hohe Wellen schlägt der Entscheid von Matthias Jauslin, die FDP-Fraktion zu verlassen und sich neu der GLP anzuschliessen. Der 62-jährige Aargauer Nationalrat begründete seinen Entscheid am Donnerstag mit inhaltlichen Differenzen zu seiner Partei.
Sein Entscheid sei über eine lange Zeitspanne gereift. «Die Haltung der FDP Schweiz stimmt nicht mehr mit meiner inneren Überzeugung überein», sagt Jauslin auf Anfrage der NZZ. Dies gelte insbesondere für die Themen Umwelt, Klima, Raumplanung und erneuerbare Energien. Aus seiner Sicht sollte man sie nicht auf der Links-rechts-Achse verorten, sondern progressiv anpacken. «Den Willen, dies zu tun, erkenne ich bei der FDP nicht mehr», betont Jauslin. Er stelle den Gemeinsinn, also das Allgemeinwohl, ins Zentrum seines politischen Wirkens. Diesen sieht Jauslin offenbar bei der FDP nicht mehr genügend vertreten.
Aus Kommission rausgeschmissen
Tatsächlich hat Jauslin in den letzten Jahren oft anders abgestimmt als die Mehrheit der FDP-Fraktion. Die «WoZ» hat ihn einmal als «Umweltfreisinnigen» bezeichnet. So unterstützte der Inhaber einer Firma für Elektroinstallationen, Telematik und Automation das CO2-Gesetz. Entgegen der Haltung seiner Partei setzte er sich auch für die Biodiversitätsinitiative ein.
Der FDP-Präsident Thierry Burkart zeigte sich denn auch nicht überrascht über den Absprung seines Aargauer Partei- und Ratskollegen. Burkart hätte es begrüsst, wenn Jauslin den Parteiwechsel vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst 2023 vorgenommen hätte. Doch seither ist etwas passiert, das Jauslin endgültig klargemacht hat, dass seine Position in der FDP nicht mehr gefragt ist. Gegen seinen Willen musste er die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie verlassen. Diesen von Burkart provozierten und von der Fraktion bestätigten Rauswurf hat Jauslin bis heute nicht verwunden.
Jauslin betont, er habe in den vergangenen 18 Jahren ein gutes Verhältnis zu Thierry Burkart gehabt. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass Jauslin und Burkart nicht nur inhaltlich nicht immer auf einer Wellenlänge lagen. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren auch persönliche Animositäten. So krachte es bei den Ständeratswahlen 2023 im FDP-Lager gewaltig. Entgegen der offiziellen Haltung seiner Partei verwehrte Jauslin im zweiten Wahlgang dem SVP-Kandidaten Benjamin Giezendanner die Unterstützung. Stattdessen stichelte er auf X gegen seinen Parteipräsidenten Burkart, den er als Transportlobbyisten bezeichnete.
Thierry Burkart wurde glanzvoll in den Ständerat gewählt. Herzliche Gratulation! Er ist auch Präsident von ASTAG. Ich frage mich nun, ob es für uns AargauerInnen geschickt ist, mit Giezendanner junior einen weiteren Lobbyist aus dem Transportwesen in den Ständerat zu entsenden…
— Matthias Samuel Jauslin (@JauslinMatthias) November 10, 2023
Erfolg für GLP
Bei den Grünliberalen, die derzeit nicht gerade auf einer Erfolgswelle reiten, freut man sich über den prominenten Zuwachs. Neu stellt die GLP 12 Nationalrätinnen und Nationalräte. Die FDP-Fraktion verliert einen ihrer bisher 28 Sitze.
«Matthias Jauslin zeigt mit seinem Engagement glaubwürdig auf, dass man ökologische Themen mit liberalen Ansätzen vorwärtsbringen kann», wird die Fraktionschefin Corina Gredig in einer Medienmitteilung zitiert. Mit seinem Know-how und seiner besonnenen Art sei er eine Verstärkung für die GLP. Auch was die Haltung zu Europa betrifft, dürfte sich Jauslin in seinem neuen Umfeld wohlfühlen. Im Gegensatz zu vielen freisinnigen Politikern spricht er sich klar für den Abschluss eines neuen Abkommens mit der EU aus.
Jauslin will sich Zeit lassen, um in seiner neuen Fraktion anzukommen. Ob er bei den Nationalratswahlen 2027 für seine neue Partei kandidiert und damit in Konkurrenz zu seinen bisherigen Parteikolleginnen und -kollegen tritt, hat er noch nicht entschieden.
Matthias Jauslin ist nicht der erste nationale Parlamentarier, der während der Legislatur die Partei wechselt. Im Jahr 2001 trat der FDP-Mann Luzi Stamm (AG) der SVP bei, 2011 wechselte Thomas Müller (SG) von der CVP (heute: Die Mitte) zur SVP. Im Frühling 2019 schliesslich gab Daniel Frei (ZH) sein Parteibüchlein der SP ab und politisierte bis Ende 2019 in der GLP-Fraktion. Die ehemalige SP-Nationalrätin Chantal Galladé wechselte nach ihrem Rücktritt aus dem nationalen Parlament 2018 zur GLP.