Bei der Volksinitiative zur Umweltverantwortung geht es nur an der Oberfläche um die Umwelt. Im Abstimmungskampf prallen zwei unterschiedliche Welten aufeinander. Das wurde an den Medienauftritten der Initianten und von Bundesrat Rösti deutlich.
Die Grünen sind nicht in erster Linie grün, sondern rot. Das demonstriert die Politik der Grünen Partei in der Schweiz seit Jahrzehnten. Sie ist nur dort für «Nachhaltigkeit», wo dies nach mehr Staatsinterventionismus ruft. Aber etwa in der Altersvorsorge verfolgen die Grünen das exakt gegenteilige Motto. Es geht ihnen dort um den Aufbau möglichst hoher Hypotheken zulasten der kommenden Generationen – frei nach dem Motto «nach uns die Sintflut». Und in der Finanzpolitik ist den Grünen die Schuldenbremse als Sicherung für die folgenden Generationen ein Dorn im Auge.
Die jüngste Illustration der Melonen-Grünen liefert die Umweltverantwortungsinitiative der Jungen Grünen, über die das Volk in gut vier Wochen abstimmt. Im Initiativkomitee sitzt auch die Präsidentin der Mutterpartei. Im Parlament hat die Linke das Begehren praktisch geschlossen unterstützt.
Offiziell geht es um die Umwelt. Laut der Initiative darf die in der Schweiz verursachte Umweltbelastung spätestens zehn Jahre nach der Annahme bei proportionaler Hochrechnung der Schweizer Belastung auf die Weltbevölkerung die Belastungsgrenzen der Erde nicht mehr überschreiten. Die Schweiz müsste damit laut Schätzungen zum Beispiel den Ausstoss von Treibhausgasen bis 2035 um 90 Prozent oder noch mehr senken und die Belastung der Biodiversität um über 70 Prozent. All dies beruht auf der Betrachtung des Konsums: Der Konsum von Importgütern belastet damit die Länderbuchhaltung, die hiesige Produktion von Exportprodukten tut dies dagegen nicht.
Ein Papier lässt tief blicken
Enorm hohe Lenkungsabgaben etwa auf Benzin, Heizöl, Fleisch und gewissen anderen Nahrungsmitteln könnten nebst Verboten ein zentrales Element für eine Umsetzung sein. Doch den Jungen Grünen geht es um viel Fundamentaleres. Dies illustrierte ein Positionspapier der Partei von 2023 mit dem Titel «Für eine postkapitalistische Gesellschaft».
Konkrete Forderungen umfassen unter anderem eine Verstaatlichung des Bodens, eine «Vergemeinschaftung» von Unternehmen, die 24-Stunden-Arbeitswoche und die Bildung von «Verbraucherräten». Diese Verbraucherräte «sollen die notwendigen Güter bestimmen, welche die Unternehmen zu produzieren haben». Und jeder Bewohner soll ohne Arbeitszwang ein existenzsicherndes Einkommen haben – so viel Kapitalismus muss dann doch sein. Das Geld dafür soll allem Anschein nach vom Himmel fallen.
Pikant im Papier ist auch die lobende Erwähnung der britischen Kriegswirtschaft während des Zweiten Weltkriegs. Dort sei ein ähnliches Modell zum Tragen gekommen: «Der Konsum fiel dabei um fast ein Drittel, was nicht für Unmut sorgte, sondern für ein Gefühl des Zusammenhalts.» Man will den Autoren nicht unterstellen, dass sie permanente militärische Angriffe aus dem Ausland gegen die Schweiz wünschen, damit ein Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft nach ihrem Gusto eher möglich wird.
Es braucht mehr als das
Der friedliche Schweizer Weg der Revolution ist die Volksinitiative. Am Donnerstag haben die Urheber der Umweltverantwortungsinitiative vor den Medien in Bern einige Hinweise zu einer möglichen Umsetzung ihres Begehrens gegeben. Zu den genannten Elementen gehören die Abschaffung von Subventionen und Steuervergünstigungen für umweltschädliche Aktivitäten, mehr staatliche Investitionen für umweltfreundliches Handeln wie etwa die energetische Sanierung von Gebäuden, Werbeverbote für umweltschädliche (unnötige) Produkte, ein stärkeres Schweizer Engagement zugunsten von umweltfreundlichen Handelsregeln und die Teilnahme von Bürgern und Angestellten am Management von Unternehmen.
Als Beispiele für schädliche Subventionen wurden auf Nachfrage die Absatzförderung für die Fleischwirtschaft und die Befreiung von Kerosin von der CO2-Abgabe genannt. Diese Vergünstigungen erscheinen in der Tat fragwürdig. Deren Abschaffung wäre aber gemessen an der Forderung der Volksinitiative nur eine Marginalie. Das gilt auch für fast alle anderen genannten Punkte. Sogar für die Abschaffung des Firmenkapitalismus: Die kommunistischen Systeme waren nie bekannt für umweltbewusstes Denken.
Was tun mit Importen?
Es würde also zur Umsetzung der Initiative weit Handfesteres brauchen. Dies auch angesichts der Tatsache, dass zwei Drittel der Umweltbelastungen des Schweizer Konsums auf Importe entfallen. Braucht es also breite Importverbote und/oder massive Umweltbelastungszölle für Importgüter ebenso wie einen massiven Ausbau von Lenkungsabgaben und Verboten im Inland?
Magdalena Erni, die Co-Präsidentin der Jungen Grünen, wollte sich zunächst auf Anfrage nicht auf die Äste hinauslassen; sie verwies auf das Parlament, das über die Umsetzung der Initiative entscheiden müsste. Das ist aber eine etwas gar bequeme Ausrede. Immerhin erwähnte Erni auf Nachfrage dann doch noch die Möglichkeit eines deutlichen Ausbaus von Lenkungsabgaben.
Doch was soll überhaupt eine teure Schweizer Sonderübung, wenn diese im globalen Kontext praktisch nichts brächte? Die Initianten lieferten auf diese Frage vor allem vier Antworten: Die Schweiz könne durch die Importsteuerung einiges bewirken; bei der Biodiversität könnten lokale Massnahmen lokal wirken; das Land sei als Rohstoffhandelsplatz und als Finanzplatz international sehr bedeutend; und generell könne die Schweiz bei internationalen Umweltdiskussionen eine «Pionierrolle» spielen.
Besonders bedeutend ist die Schweiz als Handelsplatz für Rohstoffe. Das Land könnte zum Beispiel diesen Handel verbieten oder mit sehr strengen Umweltauflagen erschweren; das würde aber global kaum etwas bringen, sondern vor allem zu Verlagerungen in andere Handelsplätze führen. Immerhin könnten einige Schweizer damit vielleicht ihr Gewissen etwas beruhigen.
Rösti: So geht das nicht
Eine ganz andere Weltsicht als die Initianten vertrat am Donnerstag vor den Medien Umweltminister Albert Rösti im Namen des Gesamtbundesrats. Seine Kernbotschaft: Die Volksinitiative betrachte nur die Ökologie und ignoriere die wirtschaftlichen Aspekte. Rösti warnte vor weitreichenden Wohlstandseinbussen bei einem Ja zur Initiative.
Die Initianten versuchen zwar, zu suggerieren, dass nur einige Reiche und die bösen Grosskonzerne getroffen würden, doch die von der Initiative geforderte Einschränkung des Konsums würde laut Rösti alle Einwohner treffen. Gemäss dem Umweltminister müssten die Bürger ihren Konsum innert zehn Jahren um etwa zwei Drittel senken. Wohnen, Verkehr und Ernährung wären besonders stark betroffene Elemente.
Die Initiative wäre wegen ihrer kurzen Frist von nur zehn Jahren praktisch kaum umsetzbar, sagte Katrin Schneeberger, die Chefin des Bundesamts für Umwelt. Der Bundesrat lehnt die Initiative aber laut Rösti nicht nur wegen der kurzen Frist ab. Beim CO2-Ausstoss sei man zwar für das gesetzlich verankerte Netto-Null-Ziel für 2050, doch bei der Biodiversität und in der Frage der Überdüngung gehe die Initiative auch inhaltlich zu weit. Rösti erinnerte an mögliche Zielkonflikte – etwa wenn zur Erreichung des Netto-Null-Ziels zum CO2-Ausstoss die Stromproduktion auszubauen sei, was zulasten der Biodiversität gehen könne.