Der Tessiner Klub ist eine Instanz im Schweizer Eishockey, ein Kulturgut. Doch Millionenschulden lähmen Ambri. Der Unmut gegenüber dem Präsidenten Filippo Lombardi wächst – nach einem gewonnenen Machtkampf hat dieser offenbar Geldgeber in Kanada gefunden.
Ambri, so formuliert es ein Insider, fehle es nie an Träumen, aber immer an Geld. Tatsächlich ist das schon seit Jahrzehnten so, ein bisschen gehören die notorischen Geldprobleme zur Aussenseiterromantik, die dieser Verein wie kein anderer Schweizer Eishockeyklub verströmt.
Ambri wurde nie Meister und hat seit der Jahrtausendwende eine einzige Play-off-Serie gewonnen – wer sich für diesen Verein begeistert, muss eine gewisse Leidensfähigkeit aufbringen. Und wird immer wieder einmal zur Kasse gebeten: Mehrfach musste Ambri mit Spendenaktionen gerettet werden. Oft öffnete zudem die Familie Valsangiacomo, Ambris wichtigste Aktionärin und Besitzerin des Kaffeefabrikanten Chicco d’Oro, die Schatulle, wenn es Engpässe zu überbrücken galt.
Mit dem Einzug in die 2021 eröffnete Gottardo-Arena hat sich Ambris finanzielle Lage verbessert – eigentlich. Für das Geschäftsjahr 2023/24 wies der Klub einen Gewinn von knapp 350 000 Franken aus. Ambri profitiert von einem treuen Anhang, loyalen Sponsoren und einer hohen Stadionauslastung. In diesem Winter liegt sie bei 95,4 Prozent, das ist der zweithöchste Wert der Liga – obwohl die Darbietungen dürftig sind. Und trotz dem Zuzug von NHL-Rückkehrer Dominik Kubalik, einem der teuersten Spieler der Liga, liegt Ambri nur auf Platz 12. Die defensiven Mängel sind augenfällig – das Team beschäftigt kaum einen Schweizer Verteidiger, der in der National League anderswo zum Einsatz käme.
Die Baukosten für das 2021 eröffnete Stadion belasten Ambri bis heute stark
Allein: Der Profit kann für nichts anderes genutzt werden als zur Deckung der Zinsen von zahlreichen Bankdarlehen. Ambri drücken hohe Schulden, unter anderem stottert der Klub Kredite des Bundesamts für Sport und des Kantons (für Covid-Gelder) ab. Dazu sollen sich die offenen Verbindlichkeiten aus dem Stadionbau in der Grössenordnung von 10 Millionen Franken bewegen.
Im Verwaltungsrat kam es im Herbst zu einer Art Machtkampf darüber, wie der angespannten finanziellen Situation begegnet werden soll. Die Deutschschweizer Verwaltungsräte Heinz Haller und Hubert Christen drängten auf eine Schuldenrestrukturierung, es gab einen klaren Plan, ihnen lagen Zusicherungen lokaler Geldgeber vor. Doch diese waren an die Bedingung geknüpft, dass der Präsident Filippo Lombardi sich zurückzieht. Lombardi, 68, Medienunternehmer und früherer Ständerat, steht dem Klub seit 2009 vor. Seine Verdienste sind unbestritten, unter anderem hat er es geschafft, den Stadionneubau zu orchestrieren. Was angesichts der finanz- und strukturschwachen Leventina ein Meisterstück darstellt.
Doch der hemdsärmlige, sendungsbewusste Lombardi hat nicht wenige Kritiker, und in den letzten Jahren ist der Unmut grösser geworden. Mehrere Personen im Umfeld sowie frühere Mitarbeiter bezeichnen ihn unabhängig voneinander als «Sonnenkönig». Er mische sich zu sehr ins Tagesgeschäft ein; er beschäftige sich zu wenig mit strategischen, tatsächlich drängenden Fragen. Und entscheide dafür darüber, wie viel die Bratwurst kosten solle.
Kurz: Es fehle ihm an Ideen und Visionen. Finanziell beruhe seine einzige Strategie darauf, die Probleme von heute auf morgen zu verschieben. Vor einigen Monaten sah es so aus, als hätte das Anti-Lombardi-Lager Oberwasser. Doch der Präsident schaffte es, den Hauptaktionär Cornelio Valsangiacomo auf seine Seite zu ziehen. Die genauen Besitzverhältnisse sind nicht publik, Ende 2020 hielt Valsangiacomo über die Schachtelfirma Prumrose 31 Prozent der Aktien, Lombardi 20, Frigerio Engineering um den Vizepräsidenten Massimo Frigerio 8. Und Samih Sawiris 5.
Es existiert ein Letter of Intent – 1,5 Millionen Franken sollen auf den Konten Ambris landen
Nun hat Lombardi offenbar kanadische Investoren gefunden. Der Deal ist vom in Zug und neuerdings Altdorf ansässigen Broker Pivotas um den kanadischen Investmentbanker Justin Fogarty vermittelt worden, die Details sind nebulös. Weder ist bekannt, wer genau die Kapitalgeber sind, noch, welche Absichten sie haben. Lombardi liess eine Anfrage der NZZ unbeantwortet.
In den vergangenen Wochen kursierten abenteuerliche Zahlen von einem Investment in der Höhe von 15 Millionen Franken. Die Summe wurde mittlerweile mehrfach nach unten korrigiert. Gesichert ist nur, dass es einen Letter of Intent gibt, in dem die Absicht von Zahlungen in der Höhe von 1,5 Millionen Franken vermerkt ist. Auf den Konten des Klubs ist davon bisher offenbar ein Fünftel eingetroffen. Welche Gegenleistung er dafür erbringt, ist unklar. Einer, der schon mehrere Aktien-Deals im Schweizer Eishockey vermittelt hat, sagt, der Einstieg überrasche ihn. Ambri habe wenig zu bieten, zumal ausgeschlossen sei, dass die Aktionäre die Mehrheit abgeben würden.
Offensichtlich ist aber: Es gefällt nicht allen, dass ausländisches Geld in die Kassen fliesst. Da hätte man sich genauso gut Red Bull an den Hals werfen können, sagt einer, der den Klub seit vielen Jahren finanziell unterstützt.
Die beiden Deutschschweizer Verwaltungsräte Haller und Christen haben Anfang Dezember demissioniert. In einem der NZZ vorliegenden Austrittsschreiben werden «unüberbrückbare Differenzen» mit Lombardi als Grund angeführt. Zu lesen ist da etwa: «Durch die Entscheidung des Hauptaktionärs, den Präsidenten weiterhin zu stützen, wird verhindert, dass dringend nötige Veränderungen implementiert werden. Man erhofft sich die Lösung aller Probleme durch ausländische Geldgeber.» Lombardi hatte danach eine für den 23. Dezember angesetzte ausserordentliche Generalversammlung einberufen; aufgrund eines Formfehlers musste diese allerdings wieder abgesagt werden.
Mit Kapitalgebern aus dem Ausland sind hierzulande nicht viele Klubs glücklich geworden, auch im Eishockey nicht. Nordamerikanische Investoren etwa ruinierten bereits den Lausanne HC sowie beinahe Genf/Servette. In Martigny wurde der Stecker gezogen, nachdem russische Geldquellen versiegt waren.
Vielleicht ist das Engagement der Kanadier im HC Ambri-Piotta ja eine Ausnahme. Doch die undurchsichtige Art ihres Einstiegs wirft Fragen auf. Ambri bleibt zu wünschen, dass die Aura dieses Klubs, der Geist der Unbeugsamen, nicht von branchenfremden Financiers auf der Suche nach einem schnellen Dollar zerstört wird.