In Adelboden leisteten sie diese Woche wieder Schwerstarbeit: Experten für Pistenpräparation kümmern sich vor Skirennen tagelang um die ideale Bewässerung. Ihr grösster Feind ist Naturschnee. Ein Blick hinter die Kulissen.
Kurz vor dem zweiten Slalomlauf in Adelboden kroch am Samstag dichter Nebel übers Chuenisbärgli. Er nahm nicht nur den Zuschauern die Sicht auf den Zielhang, sondern auch den Fahrern jene auf die Piste – sie erblickten vor sich nur noch drei Tore. Der Franzose Clément Noël fand den schnellsten Weg durch das Grau, während Tanguy Nef als Achter bester Schweizer war.
Am Mittwoch hatten die Organisatoren mit dem Weltverband FIS entschieden, den Slalom und den Riesenslalom zu tauschen. Schnee und Nebel drohten am Samstag die Durchführung des Riesenslaloms zu gefährden, während beim Slalom schlechtere Sichtverhältnisse tolerierbar sind. Doch selbst am Freitagabend war noch nicht klar, ob die Nacht kalt genug sein würde, um eine würdige Weltcup-Piste zu ermöglichen.
Diskussionen über die Verhältnisse wollte man im Berner Oberland vermeiden. Solche prägten im Dezember den Weltcup, bei den Rennen in Val d’Isère, in Bormio oder in Alta Badia, wo die Fahrer wegen des schlechten Pistenzustands sogar einen Streik erwogen. Auch der Riesenslalom-Gruppentrainer der Schweizer, Helmut Krug, redete sich in Rage: «Fahrlässig und extrem gefährlich» seien die Pisten im Dezember gewesen, für seinen Athleten Gino Caviezel endete die Saison im Spital.
Ob eine Piste gut und sicher ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächst muss sie gleichmässig präpariert sein. Im Dezember war das oft nicht der Fall: Da gab es eisige Stellen und andere, an denen die Piste griffig war. Die Athleten hatten Mühe, das richtige Material zu finden, mit dem sie auf dem Eis nicht rutschten, das für die anderen Stellen aber auch nicht zu scharf war.
In der Praxis ist eine ebenmässige Piste nicht ganz einfach herzustellen, wie auch die einmal mehr herausfordernde Rennwoche in Adelboden zeigt: Zu Beginn der Woche waren die Hänge renntauglich, dann folgten Temperaturschwankungen, ein Föhnsturm, zwei Tage Regen und schliesslich Schnee. Manchmal schneit es am Start und regnet im Ziel, was das gleichmässige Präparieren erschwert.
«Dann sind Erfahrung, Gefühl und eine situative Beurteilung gefragt: Was tun wir jetzt am besten?», sagt Hans Pieren, heute im Verwaltungsrat des Ski-Weltcups Adelboden, davor fast dreissig Jahre lang Rennleiter und eine Koryphäe der Pistenpräparation. Er hat die Rennen in Adelboden ebenso wie viele Schneesportwettbewerbe weltweit mit seinem Wissen über Salz schon gerettet. Salz kann eine weiche Piste kurzfristig hart machen. Doch Pieren sagt, damit könne man die Probleme nur kurzfristig bekämpfen.
In Zentimeterschritten wird Wasser injiziert
Wichtiger ist ein gutes Fundament der Piste, die Grundbeschneiung. «Das ist wie bei einem Haus», sagt Krug, «wenn der Keller schief ist, wird es das Dach ebenfalls.» Ist es stabil, lässt sich auf widrige Bedingungen kurz vor dem Rennen besser reagieren. Ein gutes Fundament bedeutet in der Regel viel Wasser in der Piste.
Für eine gleichmässige Bewässerung gibt es verschiedene Methoden. Pieren schwört auf ein System mit einem Balken, der quer über der Piste liegt. Damit wird Wasser in den Schnee injiziert, wo es gefriert. Der Balken wird in kleinen Schritten von zehn Zentimetern verschoben. Diese Arbeit ist zeitaufwendig und verlangt vom Team höchste Sorgfalt, fast schon Pingeligkeit. Für eine Weltcup-Piste könne die Arbeit bis zu eine Woche dauern, sagt Pieren. Krug hingegen bevorzugt Maschinen, «die das Wasser sehr effizient versprühen und risikolos sind».
Fällt Neuschnee auf eine präparierte Piste, muss dieser ausgeräumt werden: «So paradox es klingt: Naturschnee ist zum Präparieren eine Katastrophe», sagt Pieren – es ist ein physikalisches Problem.
Die Erfahrung eines Pistenteams kommt in den Feinheiten der Arbeit zur Geltung: Es gibt bei der Bewässerung eine Menge Variationen, je nachdem wie die Temperaturen sind, welche Disziplin ansteht, wie die Wetterprognosen sind, welches Klima generell am Ort herrscht. Krug glaubt, dass viele Organisatoren Angst hätten, zu viel Wasser in die Piste zu geben, weil sie fürchteten, die Piste werde zu eisig.
Ein gutes Fundament erfordert ausreichend Vorlaufzeit, um günstige Wetterfenster zu nutzen. Doch auf manchen Weltcup-Pisten fahren noch Tage vor dem Rennen Touristen. «Nicht alle können für eine Abfahrtspiste ein halbes Skigebiet drei Wochen lang sperren», sagt Pieren.
Wenige Organisatoren verdienen gut an einem Skirennen, «die meisten sind froh, wenn am Schluss eine schwarze Null steht». Doch wer einen Weltcup wolle, müsse auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Krug wünscht sich von der FIS eine klarere Linie bei den Anforderungen. Zu wenig Zeit und eine zu wenig sorgfältige Vorbereitung können gefährlich werden, etwa wenn die Piste bricht, also die Oberfläche nachgibt und die Piste darunter weich ist.
Für gute Trainings rund um die Welt
Der Zustand einer Piste zählt nicht nur an Rennen, sondern auch im Training. Die Schweizer Athleten loben ihre Trainerteams und die Bedingungen, die sie schaffen. Marco Odermatt etwa trainiert wegen seines vollen Kalenders mit drei Disziplinen nur rund zehn Tage Riesenslalom während einer Saison. «An diesen Tagen muss alles hundertprozentig passen», sagt sein Trainer Helmut Krug, «er braucht während anderthalb Stunden konstante Bedingungen, um auch Material zu testen und zu vergleichen.»
Das Trainerteam betreibt einen hohen Aufwand, um Pisten bereitzustellen. Es nutzt Orte wie die Reiteralm in Österreich, wo sich die ganze Welt zum Trainieren auf derselben Piste trifft. Dort sorgen drei Angestellte ausschliesslich für Präparation und Sicherheit, um optimale Bedingungen zu gewährleisten. Krug pflegt einen engen Kontakt zu den Betreibern, er kann eine Woche vorher anrufen und Trainingseinheiten vereinbaren. Für den Feinschliff investieren er und sein Team pro Einheit nochmals vier, fünf Stunden; an anderen Orten dauert es oft noch länger.
Um genügend Personal dafür zu haben, schliesst man sich auch mit anderen Nationen zusammen. Oder die Europacup-Teams trainieren nach den Weltcup-Teams, weil sie die Präparation nicht alleine bewältigen können.
Grundsätzlich organisieren und präparieren die Gruppentrainer von Swiss Ski die Trainingspisten selbst, dabei helfen langjährige enge Kontakte zwischen Skigebieten und Trainern. Sonst trifft der Männer-Cheftrainer Tom Stauffer die ersten Abklärungen. Derzeit prüft er Trainingsgelegenheiten in Neuseeland fürs nächste Jahr. Er klärt, ob tatsächlich nach dem Gusto des Schweizer Verbandes bewässert und präpariert werden kann, damit die Athleten nur für die besten Bedingungen um die Welt reisen.
Im Engadin gibt es auf der Diavolezza eine Piste, auf der die Schweizer Techniker gerne im Herbst auf dem Gletscher trainieren. Durch jahrelanges Wässern der Strecke und Anlegen von Schneedepots ist die Piste in die Höhe gewachsen, so dass ein zwei Meter hoher Absatz zum Gestein entstand. Nun müssen statt einfacher Netze auch B-Netze aufgestellt werden, um bei Stürzen die Sicherheit zu gewährleisten. Damit die Fahrer, wenn sie bei einwandfreien Bedingungen trainieren, nicht am Ende noch vom Gletscher fallen.
Ein Artikel aus der «»