Es ist das dritte Mal, dass André Esteves Finanzinstitute aus der Schweiz kauft. Damit ist er zu einem der reichsten Brasilianer geworden.
Im November gab die Privatbank Julius Bär bekannt, dass sie ihr Brasiliengeschäft verkaufen werde. Es müsse schnell gehen, denn mit jedem Tag der Unsicherheit sprängen Privatkunden ab. Nur wenige Wochen später steht der Käufer fest: Es ist der brasilianische Finanzdienstleister BTG Pactual, der für rund 100 Millionen Dollar die Aktivitäten von Bär übernimmt.
Drahtzieher hinter der Übernahme ist André Esteves, Mehrheitsaktionär von BTG Pactual. Auch in Schweizer Finanzkreisen ist der mittlerweile achtreichste Brasilianer bestens bekannt für seine erfolgreichen Deals, die er allesamt mit Visionen, unglaublicher Chuzpe und einer gehörigen Portion Grössenwahn durchzog.
Jüngster Milliardär Brasiliens
Schweizer Banker hörten zum ersten Mal von Esteves, als er der UBS im Jahr 2006 seine Investmentbank Banco Pactual in Brasilien verkaufte. Esteves hatte sich dort in 16 Jahren vom Praktikanten, der Informatik und Mathematik studiert hat, zum wichtigsten Teilhaber hochgearbeitet und wurde mit 37 Jahren zum jüngsten Milliardär Brasiliens. Mittels einer Palastrevolte hatte er mit einigen anderen die Kontrolleure aus der Bank vertrieben. Danach verkaufte er die Bank für rund drei Milliarden Dollar an die UBS. Er selbst wurde globaler Anleihechef der UBS in London.
Dort hielt er es allerdings nur ein Jahr aus. Als die UBS mitten in der Weltfinanzkrise in schwere Turbulenzen geriet, wollte Esteves 2008 sogar die ganze UBS kaufen. In Zürich lehnte man empört ab. Doch kurz darauf verkaufte die UBS ihre brasilianische Investmentbank an Esteves zurück. Für rund 2,5 Milliarden Dollar bekam er seine Bank wieder – obwohl sie inzwischen dreimal so viel Eigenkapital hatte wie unter seiner Führung. Als er anderthalb Jahre später 10 Prozent seiner zurückerworbenen BTG Pactual verkaufte, war die ganze Bank sechsmal so viel wert wie beim Rückkauf von der UBS.
Und so ging es weiter: Der Börsengang 2012 war der grösste in der Börsengeschichte Brasiliens. Zwei Milliarden Dollar nahmen Esteves und seine Partner ein, um zur führenden Investmentbank Lateinamerikas zu werden.
Auch jetzt sieht alles danach aus, als ob Esteves im richtigen Moment zuschlägt: Julius Bär hat sich entschieden, das Brasiliengeschäft zu verkaufen, weil das Mutterhaus wegen der geplatzten Benko-Kredite Cash braucht. Zudem ist das Geschäft mit Brasiliens Reichen kompliziert: Die Kosten sind hoch, die Währung schwankt stark, die Konkurrenz durch lokale Vermögensberater ist gross. Deshalb haben auch JP Morgan und BNP ihre Vermögensverwaltungen in Brasilien in den letzten Jahren verkauft.
Investitionen bringen nicht den erwarteten Gewinn
Julius Bär habe seit 2011 rund 350 bis 400 Millionen Dollar in Brasilien investiert, um die lokalen Vermögensberater GPS (von der Private-Equity-Firma Carlyle) und später Reliance zu übernehmen, heisst es in São Paulo. Doch die Investition hat sich nicht wie erwartet ausgezahlt: Vom Höchststand von 80 Milliarden Reais um 2020 (etwa 14,5 Milliarden Dollar) sind die verwalteten Vermögen auf heute 50 Milliarden Reais (rund 8 Milliarden Dollar) geschrumpft. Wichtige Banker des Hauses wechselten zur Konkurrenz oder gründeten eigene Vermögensverwaltungen.
Als Bär den Verkauf ankündigte, hiess es in Finanzkreisen, die Bank strebe einen Kaufpreis von 1,6 bis 2,4 Prozent der Aktiven an. Nun hat Esteves mit rund 100 Millionen Dollar nur etwa die Hälfte des erwarteten Maximalpreises bezahlt. Die Übernahme könnte gut zum bestehenden Privatkundengeschäft der BTG von Esteves passen: Die Vermögensberatung bringt stabile Erträge. Die Gemeinkosten (Overhead) können durch die Integration in die viel grössere Bank gesenkt werden.
Spektakuläre Deals wie mit Pactual und der UBS sind Esteves nicht mehr gelungen. Doch trotz der wirtschaftlichen Stagnation in Brasilien während mehr als eines Jahrzehnts konnte er BTG zu einem der führenden Finanzdienstleister Brasiliens ausbauen. BTG steht offiziell für Banking and Trading Group. Esteves soll das Akronym als «Better than Goldman» interpretieren. Sprich: Er will immer mehr Rendite machen als die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs.
Deshalb dürfte es den Banker ärgern, dass die Online-Bank Nubank seine BTG in wenigen Jahren überholt hat und heute mit 53 Milliarden Dollar Börsenwert mehr als dreimal so viel wert ist.
Folgenschwere Fehlentscheidungen
Doch Esteves traf auch folgenschwere Fehlentscheidungen. So sass er 2015 für einige Wochen sogar im Gefängnis, weil er in den Korruptionsskandal Lava Jato verwickelt war. Er musste die Führung der Bank abgeben, wurde aber später freigesprochen. Seit 2017 ist er wieder der Chef der Bank.
Eine weitere Fehlentscheidung war 2015 der Kauf der Tessiner Privatbank BSI für 1,25 Milliarden Franken. Damit wollte Esteves mit der BTG ins globale Vermögensverwaltungsgeschäft einsteigen. Doch die Bank wurde in den 1MDB-Korruptionsskandal in Malaysia verwickelt. Dann bekam Esteves Ärger mit der Justiz in Brasilien und musste die BSI für eine Milliarde Franken an die Schweizer Privatbank EFG International weiterverkaufen. An dieser hält BTG bis heute einen Anteil von 20 Prozent.
Da Julius Bär und EFG immer wieder als mögliche Fusionspartner gehandelt wurden, könnte sich Esteves’ BSI-Akquisition im Zusammenhang mit der derzeitigen Bär-Übernahme noch als visionär erweisen.