Das Budgetdefizit in den USA wird unter der neuen Trump-Regierung mit grosser Wahrscheinlichkeit weiter ausufern. Das Risiko von Erschütterungen am Bondmarkt ist deshalb gross, worauf in der Folge auch Aktien und Kryptowährungen in Mitleidenschaft gezogen werden dürften.
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Am 20. Januar wird Donald Trump als nächster Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Der Konsens an den Finanzmärkten erwartet, dass die neue US-Regierung die Steuern senkt, Regulierungen abbaut und das Budgetdefizit ausweitet, womit viel Geld in die amerikanische Wirtschaft und die Börsen strömen wird.
Doch denken Sie daran, dass Finanzmärkte immer Handelsplätze für Vermögenswerte sind – gleichgültig, ob es um Aktien, Anleihen, Rohstoffe oder Kryptowährungen geht. Geld fliesst in die Konten von Anlegern hinein und wieder heraus. Wenn die Menge an neuem Geld das Angebot an verfügbaren Gütern übersteigt, steigen die Preise.
Das Drucken von Geld war die wichtigste Massnahme, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, nachdem die Covid-Pandemie die Geschäftstätigkeit und die Märkte zum Stillstand gebracht hatte. Spätestens seit der Finanzkrise von 2008/09 ist die Aufnahme von Schulden zur Standardlösung geworden, um die Märkte zu beleben. Die angehende US-Regierung hofft deshalb, dass Steuersenkungen und weniger Regulierungen die Konjunktur anheizen werden.
Bisher hat dieses Rezept stets funktioniert. Doch irgendwann wird der erwartete Anstieg des Budgetdefizits sowohl Anleihen als auch Aktien zum Absturz bringen.
Trump-Wähler dürften enttäuscht werden
Es stimmt, die Börsen in den USA notieren nahe einem Rekordhoch und die Gesamtwirtschaft läuft rund. Doch trotz des Booms an den Märkten hat Trump die Wahlen vor allem deshalb gewonnen, weil die Hälfte der Amerikanerinnen und Amerikaner keine Aktien oder Immobilien besitzt. Denjenigen, die zur Miete wohnen und kein Aktiendepot haben, geht es heute schlechter als zuvor.
Die Hälfte der US-Bevölkerung, die weder Aktien noch Immobilien besitzt, verdient unter Abzug der Inflation weniger als vor der Pandemie. Entsprechend wächst ihr Unmut über die Rekordkurse an den Börsen. Berücksichtigt man zudem die höheren Immobilienpreise und die Verdoppelung der Hypothekarzinsen sowie all die Sozialleistungen, die angeblich an Einwanderer und Minderheiten verteilt werden, ist es kein Wunder, dass Trump gewonnen hat.
Die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Enttäuschung ist jedoch gross. Die gemessen am Einkommen untere Hälfte der Bevölkerung wird nicht von Trumps Grosszügigkeiten profitieren. Die niedrigeren Steuern werden primär das Nettoeinkommen von Spitzenverdienern erhöhen. Demgegenüber werden Verbraucher zusätzliche Steuern zahlen, die als Zölle auf Importe getarnt sind. Hinzu kommt die Zerstörung des Wohlstands, der von den Einwanderern geschaffen wurde, die Trump nun aus dem Land werfen will.
Massenausweisungen und Strafzölle schaden der Wirtschaft
Wirtschaftswachstum basiert auf mehr Arbeit und technologischem Fortschritt. Dass sogenannte illegale Einwanderer einen negativen Einfluss auf die Konjunktur haben, ist ein Mythos. Das Gegenteil ist der Fall. Einwanderer ohne Papiere sind bereit, Jobs für minimale Löhne zu übernehmen, die Einheimische nicht wollen. Wenn ihre Anzahl verringert wird, heizt sich die Inflation bei den Löhnen somit auf. In der US-Agrarwirtschaft wird sich die Produktion sogar verringern.
Hinzu kommt, dass das US-Finanzdepartement Milliarden an Dollar durch Sozialversicherungsbeiträge illegaler Einwanderer einnimmt. Dies, weil sie Arbeitgebern eine falsche Sozialversicherungsnummer geben, um einen Job zu bekommen. Insgesamt ist das Risiko daher gross, dass Massenabschiebungen die amerikanische Wirtschaft empfindlich bremsen werden.
Das Gleiche gilt für Trumps Androhungen massiver Zölle. Ein Aufschlag von 25% auf Importe mag zwar den Produzenten in den USA helfen. Doch zugleich werden die Kosten für importierte Waren in die Höhe schnellen und ausgerechnet die Bevölkerungsgruppen am härtesten treffen, die ihn gewählt haben.
Warnsignale blinken auf
Fazit: Relativ betrachtet dürfte in den ersten Monaten der neuen US-Regierung mehr Geld in Aktien und Kryptowährungen fliessen, was die Preise in die Höhe treibt. Doch dann kommt das Problem: Letztlich werden geringere Staatseinnahmen, weniger Arbeitnehmer und höhere Inflation aufgrund von Zöllen sowie höhere Preise wegen des relativ begrenzten Angebots an Vermögenswerten die Märkte belasten und die Wirtschaft abwürgen.
Warnsignale blinken bereits auf. Der rapide Anstieg der langfristigen Zinsen sorgt an den Aktienmärkten für wachsende Verunsicherung. Irgendwann – vermutlich spätestens in der zweiten Jahreshälfte – werden Befürchtungen hinsichtlich des ausufernden Budgetdefizits und der wachsenden Staatsverschuldung ein grösseres Beben auslösen, das zuerst Anleihen und dann Aktien sowie Kryptowährungen erschüttern wird.
Meine Empfehlung für langfristig orientierte Investoren lautet deshalb: Meiden Sie langlaufende US-Staatsanleihen und spekulative Tech-Aktien sowie Kryptowährungen. Kaufen Sie Gold.
Charles Biderman
Charles Biderman ist der Gründer von TrimTabs Investment Research, einem 1994 lancierten Datenservice, der Angebot und Nachfrage an der Börse nach Liquiditätsflüssen analysiert. Seine Firma hat er inzwischen verkauft, er verfolgt das Geschehen an den Märkten aber weiterhin nah. Die berufliche Karriere begann er beim Anlegermagazin «Barron’s».