Seit Jahren versucht der Tierschutzbund Zürich, die Einfuhr von Pferdefleisch aus südamerikanischer «Quälproduktion» zu beenden. Selbst ein Branchenverband fordert das. Aber insbesondere eine Firma macht weiter.
Der Grosshändler Aligro lockt derzeit mit günstigem Pferdefleisch. Rumpsteaks aus Argentinien kosten nur 21 Franken 90 das Kilogramm, 13 Prozent weniger als üblich. Das Filet gibt es für 40 Franken 90, um 14 Prozent reduziert.
Aligro ist einer der letzten Händler in der Schweiz, die noch Pferdefleisch aus Südamerika anbieten – nur in den Filialen in der Romandie, nicht in der Deutschschweiz. Die Detaillisten Migros, Coop, Volg, Aldi und Denner haben den Verkauf längst komplett eingestellt. Denn der Tierschutzbund Zürich (TSB) kritisiert seit 2012 die «Quälproduktion» von Pferdefleisch in Argentinien und Uruguay. Selbst der Verband der Fleischwirtschaft Proviande rief Ende 2023 zu einem freiwilligen Verzicht auf Importe aus Übersee auf.
Der Tierschutzbund durfte sich bereits 2015 kurz vor dem Ziel glauben: Der damals grösste Importeur, die Firma GVFI in Basel, beendete die Einfuhr aus Übersee. In der Folge brachen insbesondere die Importe aus Uruguay ein.
Argentinien liefert mehr Pferdefleisch als zuvor
Doch eine Firma sprang ein: Skin Packing in Gland (VD) am Genfersee. Die Firma stieg zum grössten Schweizer Importeur von Pferdefleisch auf. Zudem setzt der drittgrösste Pferdefleischhändler, Delicarna in Pratteln (BL), laut seiner Website auf Südamerika. Das erklärt offenbar das Paradox, dass die Schweiz seit 15 Jahren immer weniger Pferdefleisch importiert – aber fast stetig mehr aus Argentinien und Uruguay. Mehr als vor dem Beginn der Kampagne der Tierschützer.
Und so duellieren sich der Tierschutzbund und Skin Packing seit Jahren. Der TSB belegt regelmässig mit Fotos und Videos, dass insbesondere auf dem argentinischen Schlachthof Lamar Pferde zuweilen unterernährt ankommen, dass sie geschlagen und bei Krankheiten nicht ausreichend versorgt werden. Die Tierschützer veröffentlichen Youtube-Videos und wenden sich an Medien, diesmal an die NZZ.
Skin Packing reagiert, indem es den Tierschutzbund vor Gericht zieht. Jüngst erlitt der Fleischhändler zwei Niederlagen. Erstens wies das Bezirksgericht in Nyon am Genfersee kurz vor Weihnachten eine Zivilklage gegen den TSB ab. Skin Packing wollte erreichen, dass die Tierschützer kritische Online-Veröffentlichungen löschen müssen und wegen Persönlichkeitsverletzung verurteilt werden.
In den Online-Beiträgen hatte der TSB auf Razzien der argentinischen Polizei aufmerksam gemacht, die bei einer Pferdesammelstelle und dem Schlachthof Lamar nahe Buenos Aires 144 Pferde in schlechtem Gesundheitszustand beschlagnahmt hatte. Daneben stellte die Polizei gefälschte Transportpapiere und Waffen sicher.
Skin Packing hält mit Marketing dagegen
Zudem kritisierte der TSB die Marketing-Plattform «Respectful Life». Dieser gehören argentinische Schlachthöfe wie Lamar an sowie europäische Importeure wie Skin Packing und Delicarna; der Grossist Aligro verkaufte Fleisch mit dem Logo «Respectful Life». Die Marketing-Plattform mache manipulierte Audits, während deren nur gesunde Pferde vor Ort seien, kritisierte der TSB. Prüfungen der EU bestätigten Missstände.
Zweitens verlor Skin Packing gegen den Tierschutzbund im August in einem Strafverfahren vor dem Obergericht des Kantons Zürich. Die Firma wehrte sich dagegen, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den TSB verweigert hatte. Und sie wollte eine Verurteilung der Tierschützer wegen mehrfacher übler Nachrede sowie unlauteren Wettbewerbs erreichen.
Das Gericht sah den Straftatbestand der üblen Nachrede grundsätzlich erfüllt, schliesslich tangierten die Vorwürfe die Ehre der Firma Skin Packing. Allerdings nehme der Tierschutzbund öffentliche Interessen wie Tierschutz wahr und nutze dafür die Grundrechte der Meinungs- und Medienfreiheit. Er habe keine «gezielte Schädigungsabsicht» gegenüber dem Fleischimporteur.
In seinem Urteil gewichtete das Obergericht deshalb die gemeinnützigen Interessen des TSB höher als das Interesse von Skin Packing «an der Geheimhaltung der den hiesigen Tierschutzstandards nicht gerecht werdenden Zuständen auf den Schlachthöfen in Übersee». Dieses Urteil sei wegweisend, sagt die zuständige TSB-Projektleiterin Sabrina Gurtner.
Der Bund verweist für ein Importverbot auf die EU
Und nun? Skin Packing und Aligro reagierten nicht auf NZZ-Anfragen. Der freiwillige Importverzicht von Proviande fruchtet nur begrenzt: Zwar wurden von Januar bis November 2024 fast 9 Prozent weniger Pferdefleisch in die Schweiz importiert als im Vorjahr und insbesondere aus Uruguay fast 28 Prozent weniger. Doch aus Argentinien wuchsen die Importe weiter – um 2 Prozent auf fast 600 Tonnen.
Es scheint, als könnte nur ein Importverbot diesen Trend stoppen. Doch der Bund könnte ein solches nach eigenen Angaben nicht allein erlassen, sondern nur mit der EU, mit der die Schweiz einen sogenannten Veterinärraum bildet. Und die EU setzt weiterhin auf Verbesserungen des Tierwohls in der südamerikanischen Pferdezucht.