Unruhe im Freisinn – oder: wie sich eine Geschichte durch die politische Flüsterpost verselbständigt.
Der Präsident der FDP, Thierry Burkart, hat in den letzten Tagen erlebt, was passieren kann, wenn es um wichtige Personalien geht im medial-gouvernementalen Komplex. Wenn die ganz grosse Schlagzeile fehlt, dreht sich auf einmal alles um Semantisches. Jedes Wort zählt. Und ist auch nur der eine oder der andere Begriff interpretationsbedürftig, dann verselbständigt sich die Geschichte.
Ein Paradebeispiel in drei Akten: Am Sonntag wurde die Botschaft von der «Sonntags-Zeitung» verbreitet: «Muss auch die FDP mit neuem Präsidium in die Wahlen 2027?»
Am Montag waberte bereits das Gerücht, ob Burkart nicht doch schon früher sein Amt abgebe, schliesslich habe er von «spätestens» gesprochen.
Am Dienstag berichteten die Zeitungen von CH Media, dass in der Partei grosse Unruhe herrsche, weil man den Präsidenten gerne behalten wolle bis zu den nächsten Wahlen. Und Burkart wurde ziemlich knapp zitiert, dass er «aktuell» nicht vorhabe aufzuhören. Der «Blick» brachte das Irgendwann-in-ferner-Zukunft-Szenario dann – boulevardmässig perfekt umgesetzt – zurück in die Gegenwart, ins fühlbare Jetzt: «Wann tritt er zurück? Brisante Gerüchte um Thierry Burkart sorgen in FDP für Unruhe.»
Politische Flüsterpost (ausgetragen, natürlich, in der breiten Öffentlichkeit).
Angefangen hatte diese schöne kleine Geschichte nur deswegen, weil Burkart, der Aargauer Ständerat, im Dezember zum stellvertretenden Stimmenzähler in der kleinen Kammer gewählt wurde.
Klingt fürchterlich technokratisch, ist aber wichtig: Es bedeutet, dass Burkart, sofern nichts Aussergewöhnliches passiert und er bei den nächsten Wahlen neuerlich gewählt wird, im Dezember 2028 zum Ständeratspräsidenten gewählt werden wird. Darum hatte er verlauten lassen, dass er wohl um die Gesamterneuerungswahlen im Herbst 2027 als Präsident abtreten werde.
Ja, was gilt denn jetzt?
«Jeder hat ein Ablaufdatum»
Burkart sagt auf Anfrage der NZZ: «Ich sehe das ganz entspannt. Ich habe die feste Absicht, bis zu den nächsten Wahlen der Präsident der FDP zu bleiben. Aber ich kann es nun mal nicht mit Blut unterschreiben – und ich möchte keinesfalls wortbrüchig werden. Das ist mir wichtig.» Was er damit meint: Er könne ja nicht ausschliessen, dass irgendetwas Unvorhergesehenes dazwischenkomme.
Etwa, dass sich im Privaten etwas so verändert, dass eine Amtsausübung nicht mehr möglich ist? Oder es kommt auf einmal eine aussergewöhnliche Möglichkeit in der Politik? Eine, die man einfach wahrnehmen muss, selbst wenn man dann nicht Ständeratspräsident wird? Es sind ja immer wieder Wahlen angesetzt in diesem Land, für den Bundesrat, für kantonale Regierungen.
Auch dass Burkart mit seinen Wortmeldungen durchaus eine Endgültigkeit schafft, auch wenn es erst in zweieinhalb Jahren so weit sein dürfte, sieht er nicht als Problem. «Ich glaube nicht, dass ich damit zur ‹lame duck› werde. Jeder Parteipräsident hat ein Ablaufdatum – niemand bleibt ewig.» Werde er, wie vorgesehen, im Herbst 2027 aufhören, habe er sechs Jahre als Präsident gewirkt – «eine gute Zeitdauer, wie ich finde».