Der Schweizer Halbleiterzulieferer Inficon steht für Erfindergeist und stabile, hohe Renditen. Gerade in geopolitisch turbulenten Zeiten für die Branche sind die Aktien langfristig interessant.
Inficon ist vielen Marktteilnehmern ein Begriff, steht jedoch weniger im Rampenlicht. Im Vergleich zu VAT, dem fast viermal grösseren Branchenkollegen unter den Schweizer Halbleiterzulieferern, erhält Inficon deutlich weniger Aufmerksamkeit. Mit Comet bewegt sie sich auf Augenhöhe.
Inficon gilt als führender Anbieter von Messtechnik, Sensortechnologien und Prozesssteuerungssoftware zur Optimierung industrieller Vakuumprozesse. Die Produkte kommen unter anderem in der Gaslecksuche für Klima- und Kältetechnik, der Qualitätskontrolle von Batterien in der Automobilindustrie sowie bei der Fertigung von Halbleitern, Dünnfilmbeschichtungen, optischen Komponenten, Flachbildschirmen und Solarzellen zum Einsatz.
Inficon als «Innovations-Powerhouse»
«Inficon ist ein wahres Innovation-Powerhouse, das wenig Aufsehen erregt, aber viel leistet», sagt IFS-Fondsmanager Patrik Jäger. Am Technologietag 2024 in Balzers stellte das Unternehmen beiläufig das neue Vakuummessgerät IRG080 vor – ein Gerät mit einem einzigartigen Verfahren, das sonst niemand in der Branche beherrscht. Inficons Technologieführerschaft zeigt sich auch in Kooperationen mit renommierten Institutionen wie CERN und NASA.
«Inficon hält sich bei neuen Produkten und Technologien eher bedeckt, während Comet in der Kommunikation deutlich offensiver agiert, insbesondere im Hinblick auf Marktanteile», erklärt ZKB-Analyst Michael Inauen. Die zurückhaltende Kommunikationsstrategie birgt auch Nachteile. Viele der neuen Produkte von Inficon sind technologisch führend, doch ihr Marktpotenzial und der Vorsprung sind schwer einschätzbar.
«Wir behaupten unsere Spitzenposition in allen Zielmärkten als Technologie- und Innovationsführer in den Bereichen Vakuummesstechnologie, analytische Software und Smart Manufacturing», betont Oliver Wyrsch, CEO von Inficon, gegenüber The Market.
Halbleitermarkt mit zögerlicher Erholung
Im Juni 2024 erreichten die Aktien von Inficon mit 1508 Fr. ein Rekordhoch, fielen jedoch bis Mitte November 30%, weil die erhoffte Markterholung im Halbleitermarkt ausblieb. Seit einem Monat zeichnet sich jedoch eine Aufwärtstendenz ab.
Inficon erwirtschaftet zwar rund 50% ihres Umsatzes im Bereich Semi & Vacuum Coating, sieht sich aber auch in den Segmenten General Vacuum sowie Refrigeration, Air Conditioning & Automotive mit Herausforderungen konfrontiert. Das Geschäft mit chinesischen Solarmodulherstellern war beispielsweise rückläufig, und die Nachfrage im Geschäft mit Batterien für Elektroautos blieb gedämpft.
«Der gegenwärtige Halbleiterzyklus unterscheidet sich von früheren. Während die Investitionen in KI-Speicherchips zunehmen, bleibt der übrige Markt verhalten», sagt ZKB-Analyst Inauen. 2024 war ein schwaches Jahr für die Branche, und erst für das zweite Halbjahr 2025 wird eine spürbare Erholung erwartet.
Inficon bedient sämtliche Submärkte der Halbleiterindustrie, erklärt CEO Wyrsch. Dies trage dazu bei, Marktschwankungen teilweise auszugleichen. Auch er erwartet, dass sich der Halbleitermarkt in der zweiten Jahreshälfte 2025 wieder dynamischer entwickeln wird.
Der US-Vermögensverwalter Bernstein hat seine Prognose für den globalen WFE-Markt (Wafer Fab Equipment) im November leicht nach unten korrigiert: Die Erwartungen für 2025 wurden von 115 auf 107 Mrd. $ und für 2026 von 122 auf 116 Mrd. $ gesenkt.
Eine Verschärfung der US-Restriktionen unter Präsident Donald Trump ist in den Schätzungen bereits berücksichtigt. Allerdings könnten die chinesischen Investitionen in Halbleiterausrüstung 2025 um 24 bis 45% zurückgehen, sollten die US-Exportkontrollen verschärft werden.
Warum die China-Gefahr für Inficon weniger relevant ist
Inficon macht keine Angaben zum China-Exposure. Aus den Finanzberichten geht hervor, dass derzeit gut 48% des Umsatzes in der Region Asien-Pazifik erzielt werden, wovon Marktbeobachter etwa die Hälfte China zurechnen. Inficon ist dort in allen Endmärkten tätig, geopolitisch im Fokus steht vor allem der Halbleiterbereich.
Inficon beliefert in China vor allem lokale Pendants zu den Herstellern von Equipment zur Wafer-Fabrikation Lam Research oder Applied Materials. Solange keine US-Komponenten involviert sind, bleibt das Risiko überschaubar. Zudem werden viele Produkte für den chinesischen Markt in der Schweiz gefertigt, während Inficon für die USA über Produktionsstätten vor Ort verfügt.
«Die bevorstehende Trump-Präsidentschaft sorgt für Unsicherheiten in der Halbleiterindustrie, hat aber nur begrenzte Auswirkungen auf Inficons Asiengeschäft», sagt Vontobel-Analyst Michael Foeth.
Kurzfristige Schwankungen und geopolitische Spannungen wirken sich zwar aus, doch auch Wyrsch sieht Inficon dank der breiten Produktpalette und der Investitionen gut aufgestellt, um von der nächsten Wachstumsphase zu profitieren. «In geopolitisch angespannten Zeiten kann es ausserdem von Vorteil sein, dass wir als europäisches Unternehmen auftreten», betont der CEO.
Inficon bietet stabile und hohe Renditen
Im Investment Case wiegen die stabile Profitabilität und die hohe Kapitalrendite das China-Risiko mehr als auf. Seit 2015 liegt die Ebit-Marge stets über 15% und die Kapitalrendite über 20%, was die starke Wertschöpfung des Unternehmens unterstreicht.
Inficon überzeugt durch eine hohe Profitabilität und einen positiven freien Cashflow mit steigender Tendenz. Das sowie die hohe Eigenkapitalquote (2023: 65%), die Nettocashposition und das stabile Geschäftsmodell machen die Aktien für Investoren attraktiv.
Bemerkenswert ist das qualitative Wachstum: Der Buchwert pro Titel ist gestiegen, während die Kapitalrendite stabil geblieben ist. Das verdeutlicht die effiziente Kapitalnutzung.
Inficon sichert ihre Ertragsqualität durch einen breiten Burggraben, der auf Technologieführerschaft, hoher Spezialisierung, zahlreichen Patenten und einem exzellenten Ruf basiert. Besonders effektiv sind sogenannte Design-Wins: Inficon-Produkte werden für spezifische Prozesse und Maschinen beim Kunden qualifiziert und bleiben dort meist über lange Zeiträume unersetzbar, wodurch der Wettbewerb kaum nachziehen kann.
Dank ihres diversifizierten Portfolios arbeitet Inficon mit den wichtigsten Unternehmen der Branche zusammen. Dazu gehören nicht nur Hersteller von Equipment zur Wafer-Fabrikation wie Applied Materials und Lam Research, sondern auch der Anlagenbauer für die Chipherstellung ASML. Zudem ist Inficon im Softwarebereich direkt bei Foundries wie Texas Instruments und STMicroelectronics vertreten.
Auf die zehn grössten Kunden von Inficon, die sich die Marktführerschaft mit MKS teilt, entfallen ungefähr 35% des Gesamtumsatzes, wobei kein Kunde mehr als 5% auf sich vereint, was im Vergleich zu anderen Anbietern des Sektors recht wenig ist.
Bewertung der Inficon-Aktien ist interessant
Im langfristigen Vergleich stechen die Valoren der Schweizer Halbleiterzulieferer mit hohen Bewertungen heraus. Die Kurskorrektur der letzten Monate hat das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von Inficon auf Basis der Schätzungen für die nächsten zwölf Monate auf 27 gedrückt, was unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre liegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Betrachtungszeitraum die Halbleiterbranche insgesamt neu bewertet wurde und der Umsatzanteil von Inficon erst im Jahr 2021 in die Nähe von 50% vorgestossen ist.
«Vergleicht man die Bewertung, ist Inficon deutlich günstiger als VAT oder Comet, obwohl sie besser und stabiler liefert», betont Jäger von IFS.
VAT und Comet haben jedoch ein stärkeres Engagement im Halbleitersektor. Und der Halbleiter-Gesamtmarkt wird bis 2030 auf ein Volumen von 1 Bio. $ (2023: 520 Mrd. $) wachsen, prognostiziert die SEMI Association – ein Ziel, das nur mit erheblichen Investitionen erreichbar ist.
Mit einem Umsatzanteil von 50% im Halbleitergeschäft kann Inficon zwar nicht mithalten, aber das auf Assembly fokussierte Geschäftsmodell ermöglicht eine hohe Rentabilität. Die Free-Cashflow-Rendite von Inficon übertrifft derzeit diejenige von VAT oder Comet.
Zudem ist Inficon im Halbleitersegment zwischen 2016 und 2023 stärker gewachsen, und die Umsatzentwicklung war weniger volatil.
«Inficon ist im Vergleich zu VAT auch innerhalb des Halbleitersektors breiter diversifiziert und reduziert dadurch die Abhängigkeit von einzelnen Kunden oder Nischen», erklärt Doron Lande, Analyst bei Kepler Cheuvreux.
Inficon ist kurz- und langfristig ein Kauf
Neben dem Renditeprofil, der Bewertung und den Wachstumsaussichten im Halbleiterbereich spricht auch das Engagement in den anderen Bereichen für Inficon, die per Ende 2023 die Produktionskapazitäten um 50% erweitert und im vergangenen Jahr weiterhin kräftig darin investiert hat.
«Bei unseren Zielmärkten ausserhalb der Halbleiterindustrie richten wir uns nach den gleichen Wachstums- und Profitabilitätsprinzipien. Einige dieser Märkte haben in der Vergangenheit punktuell sogar besser abgeschnitten als der Halbleitermarkt», erklärt Wyrsch. General Vacuum, der zweitwichtigste Endmarkt, dürfte mindestens mit dem weltweiten Wirtschaftswachstum Schritt halten. Auch im Batteriegeschäft mit Elektroautoherstellern ist das Unternehmen aus Bad Ragaz breit aufgestellt und bietet Technologie auf höchstem Niveau.
Lande von Kepler Cheuvreux betont, dass Inficon seit 2016, mit wenigen Ausnahmen, unabhängig vom Marktzyklus Umsatz und Gewinn kontinuierlich gesteigert hat. Dank der Innovationskraft und der starken Marktposition sei sie in der Lage, selbst in einer – derzeit allerdings wenig wahrscheinlichen – Wirtschaftseintrübung «gegen den Trend zu wachsen». Für ZKB-Analyst Inauen, der die Aktien mit «Marktgewichten» eingestuft hat, «gehört Inficon in der Schweiz zu den Unternehmen mit einem besonders attraktiven Renditeprofil».
Kurz- und langfristig ist Inficon 2025 unter den Schweizer Halbleiterzulieferern ein klarer Kauf.