Der amerikanische Präsident hat am Mittwoch seine Abschiedsrede dazu genutzt, um über die Gefahren für die Demokratie zu sprechen. Seine Leistungsbilanz verteidigte der unbeliebte Joe Biden dabei nur kurz.
Der abtretende amerikanische Präsident hat seine letzte Ansprache im Weissen Haus dazu genutzt, vor dem Beginn einer neuen Oligarchie in seinem Land zu warnen. So wie Dwight Eisenhower zu Beginn der Sechzigerjahre in seiner Abschiedsrede über den grossen Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes sprach, verwies Joe Biden am Mittwoch in düsteren Worten auf den «technologisch-industriellen Komplex». Der «extreme Reichtum, die Macht und den Einfluss», den die neuen Oligarchen anhäuften, gefährde «unsere gesamte Demokratie, unsere Grundrechte und Freiheiten», sagte er.
Namen nannte der Präsident, der noch bis am Montag im Amt ist, dabei keine. Aber die Warnung des Demokraten bezog sich offensichtlich auf die schwerreichen Technologie-Unternehmer, die seinen Nachfolger Donald Trump umschwärmen: Auf den X-Besitzer Elon Musk oder auf den Facebook-Co-Gründer Mark Zuckerberg. So beklagte sich Biden, erneut bitterlich darüber, dass die Internet-Plattform Facebook künftig nicht mehr aktiv gegen Falschinformationen vorgehen will. «Die Wahrheit wird von Lügen erstickt», sagte der abtretende Präsident.
Biden sprach sich deshalb für eine Reform der amerikanischen Institutionen aus. So forderte der Präsident eine Amtszeitbeschränkung von 18 Jahren für die neun Richter am Supreme Court – eine Retourkutsche für eine Reihe von kontroversen Entscheidungen, die von der konservativen Mehrheit in den vergangenen Jahren gefällt wurden. Auch schlug Biden einen neuen Verfassungszusatz vor, der festhalten solle, dass kein Präsident komplette Immunität für Straftaten geniesse. Auch das war eine Spitze gegen ein umstrittenes Urteil des höchsten Gerichts im Land, das seinen Vorgänger und Nachfolger Trump vor strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in Schutz genommen hatte.
Biden nennt seine Karriere «die Magie von Amerika»
Biden nutzte die 18 Minuten dauernde Rede auch, um noch einmal Bilanz über seine lange politische Karriere zu ziehen. Fast 50 Jahre verbrachte der ehemalige Senator, Vizepräsident und Präsident in Washington – was umgerechnet rund einem Fünftel der gesamten Geschichte der amerikanischen Republik entspricht. Er sei den amerikanischen Wählerinnen und Wählern dankbar für die Erfahrungen, die er habe machen können, sagte Biden. Letztlich sei sein Aufstieg aus der Industriestadt Scranton in Pennsylvania ins Weisse Haus eine typische amerikanische Erfolgsgeschichte. «Die Magie von Amerika», nannte der 82 Jahre alte Biden seine Biografie.
Wenig Zeit verwendete Biden hingegen mit der Bilanz seiner Amtszeit. Das hat wohl zum einen mit seiner geringen Popularität zu tun: Aktuell findet nur rund ein Drittel der Amerikaner, dass er als Präsident eine gute Arbeit geleistet habe. Zum andern setzte Biden in seiner vier Jahre dauernden Amtszeit ein Programm um, das keine schnellen Resultate zeitigte. «Es wird einige Zeit dauern», sagte er, bis die volle Wirkung von parlamentarischen Vorlagen wie dem Infrastruktur-Paket oder dem Klimagesetz spürbar sein werden. «Aber die Basis ist gelegt.»
Das ist in den Augen seiner politischen Gegner natürlich Wunschdenken. In den Augen vieler Republikaner (und einiger Demokraten) ist Biden ein gescheiterter Präsident. Seine letzte Rede, die auch eine Liebeserklärung an die amerikanische Geschichte war, wird daran nichts geändert haben. «Danke für diese grosse Ehre», sagte Biden ganz am Schluss. Dann wurde die Fernsehkamera abgestellt und er umarmte im Oval Office zuerst seine Gattin Jill und dann die Vizepräsidentin Kamala Harris – die Frau, die ihn eigentlich hätte ersetzen sollen.