Die Zinswende hat 2022 am Immobilienmarkt für eine Trendumkehr gesorgt. Erstmals seit 2009 gehen die Preise nicht nur im Quartals-, sondern auch im Vorjahresvergleich zurück. Die Erwartungen von Käufern und Verkäufern müssen in ein neues Gleichgewicht kommen.
Der Boom am deutschen Immobilienmarkt ist zu Ende, Mitte 2022 hat der Wind gedreht: Die Preise sinken, und die Finanzierungskosten gehen in die Höhe. Dieser neue Trend hat sich auch im ersten Quartal dieses Jahres fortgesetzt – wie lange er noch anhält, ist unklar.
Gemessen am Immobilienpreisindex für alle Baujahre des Marktforschungsunternehmens Empirica sind sowohl die Preise von Eigentumswohnungen (–1,3 Prozent) als auch jene von Ein- und Zweifamilienhäusern (–2,5 Prozent) zwischen Januar und März im Vergleich mit der Periode Oktober bis Dezember weiter gefallen.
Schneller und starker Zinsanstieg im Euro-Raum
Damit setzte sich die Entwicklung des vergangenen Jahres fort. Zum ersten Mal seit 2009 sind die Preise auch im Jahresvergleich gesunken. So verbilligten sich Eigentumswohnungen im Vergleich mit dem Vorjahresquartal um 2 Prozent sowie Ein- und Zweifamilienhäuser um 3,5 Prozent.
Für die Zeitenwende am Immobilienmarkt hat vor allem die Zinswende gesorgt. Angesichts der höchsten Inflationsraten in Deutschland und in Europa seit Jahrzehnten hat die Europäische Zentralbank (EZB) im vergangenen Sommer eine Phase von Zinserhöhungen eingeleitet. Seitdem sind die Leitzinsen in der Euro-Zone so stark und schnell gestiegen wie nie zuvor. In acht Monaten avancierten die Zinsen um 350 Basispunkte (entspricht 3,5 Prozentpunkten).
Das hat auch Auswirkungen auf die Kreditkosten, die sich in diesem Zeitraum vervielfacht haben und so für deutlich schwierigere Finanzierungsbedingungen für potenzielle Immobilienkäufer sorgen. Zugleich haben auch die Bau- und Energiekosten erheblich angezogen und belasten die Branche zusätzlich.
Diese Entwicklung zeigt sich in fast allen Bereichen des privaten und professionellen Immobilienmarktes. So sind beispielsweise auch die Preise für den Neubau von Eigentumswohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäusern gesunken, jene für die zweitgenannte Kategorie ebenfalls erstmals seit 2009 auch im Vorjahresvergleich. Getrieben wurde die Entwicklung vor allem durch die kreisfreien Städte, während die Preise in den Landkreisen tendenziell stabil blieben oder sogar noch leicht zugelegt haben.
Preisverdoppelung in den vergangenen zehn Jahren
Die gute Nachricht ist jedoch, dass die Preise in den vergangenen zehn Jahren so stark gestiegen sind, dass sie auch nach der bisher geringfügigen Korrektur in nahezu allen Kategorien etwa doppelt so hoch liegen. Laut Empirica haben bundesweit bisher nur die Neubesitzer von Eigentumswohnungen, die in den vergangenen vier Quartalen gekauft haben, einen Preisverlust erlitten. Bei einer Inflationsbereinigung seien allenfalls Käufer aus den vergangenen acht Quartalen im Minus.
Inflation wirkt auf Hauspreise in zweierlei Hinsicht, wie jüngst die Deutsche Bank in einer Studie festgehalten hat: Erstens würden hohe Inflationsraten kurzfristig die Zinsen treiben, zu höheren Finanzierungskosten für Häuslebauer und Investoren führen und entsprechend die Preisentwicklung dämpfen. Zweitens würden Hauspreise typischerweise aber langfristig mit der Inflation zulegen und somit einen gewissen Inflationsschutz bieten. Allerdings seien Immobilien kein perfekter Teuerungsschutz. Es könne auch lange Phasen von Preisrückgängen geben, in denen der Inflationsschutz nicht oder nur teilweise existiere.
Ein völlig anderes Bild zeigt sich bei den Mieten. Die inserierten Mietpreise für Neubauten in kreisfreien Städten sind im ersten Quartal um knapp 2 Prozent gestiegen. Im Jahresvergleich beträgt der deutschlandweite Anstieg insgesamt fast 6 Prozent. Über zehn Jahre gesehen sind die Mieten aber bei weitem nicht so stark geklettert wie die Immobilienpreise. Deutschlandweit legten sie insgesamt um 42 Prozent zu. Das teuerste Pflaster für Mieter ist weiterhin mit grossem Abstand München, wo bei der Vermietung von Neubauten im ersten Quartal erstmals die Marke von 20 Euro pro Quadratmeter geknackt wurde.
Einbruch beim Immobilien-Investitionsmarkt
Dramatisch sieht die Lage im professionellen Immobilien-Investitionsmarkt aus. Dort ist es 2022 zu einem regelrechten Einbruch gekommen. Laut der Beratungsgesellschaft EY (früher Ernst & Young) ist das gesamte Investitionsvolumen bei Gewerbeimmobilien und Wohnimmobilien-Portfolios im vergangenen Jahr um 40 Prozent auf rund 67 Milliarden Euro geschrumpft und erreichte damit ungefähr das Niveau des Jahres 2016. Gemäss einer Umfrage von EY erwarten fast vier von fünf Investoren auch für 2023 sinkende Transaktionsvolumen, lediglich 4 Prozent prognostizierten einen Anstieg.
Die Erwartung fallender Preise gilt für nahezu alle Arten der Nutzung ausserhalb der Logistik, nämlich für Büro-, Einzelhandels-, Hotel- und Wohnimmobilien. Laut der Umfrage warten die Käufer in der Hoffnung auf sinkende Preise derzeit eher ab, während Verkäufer noch auf dem gewohnten Preisniveau bestehen. Ähnlich dürfte es sich am Markt für Eigentumswohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser verhalten. Auch hier müssen die Erwartungen von Käufern und Verkäufern erst wieder in ein neues Gleichgewicht kommen.
Sie können dem Frankfurter Wirtschaftsredaktor Michael Rasch auf den Plattformen Twitter, Linkedin und Xing folgen.