Im reichen Stadtkanton schaffen sich die Wohlmeinenden die Probleme selbst – und wollen einem SVP-Parlamentarier aufgrund seiner dezidierten Anti-Gender-Haltung ein prestigeträchtiges Amt vorenthalten.
Beat K. Schaller ist ein freundlicher Zeitgenosse, angenehm im Umgang, immer für einen Schwatz zu haben, gerne auch beim Bier. 69 Jahre ist er alt, Mathematiker im Ruhestand – und man darf sagen: Er repräsentiert den pensionierten Schweizer so, wie man ihn sich vorstellt. Allein sein Schnauz signalisiert eine gewisse Gemütlichkeit.
Schaller ist auch Politiker, für die SVP sitzt er im Kantonsparlament von Basel-Stadt, und seine Partei hat ihn nun als Statthalter des Grossen Rats vorgeschlagen. Wird er vom Parlament gewählt, bedeutete dies, dass er in einem Jahr das Präsidium übernähme und zwölf Monate lang der «höchste Basler» wäre.
Diese Wahl ist eine Formsache, eigentlich, die Parteien erhalten dieses Repräsentationsamt in einem festgelegten Turnus. Doch die Personalie Schaller sorgt im rot-grün dominierten Basel für mächtigen Ärger. Vertreterinnen der linken Parteien legen gegen den Vorschlag der Volkspartei wortgewaltigen Einspruch ein. In der Kurzzusammenfassung. So einer wie Schaller, ein Boomer, ein alter weisser Mann: Der geht also gar nicht.
Nicht per se natürlich, sondern aufgrund einer grundlegenden Überzeugung, die Schaller dezidiert ausformuliert – und man kann den Eindruck haben, dass er dies auch mit einer gewissen Freude tut. Er wehrt sich gegen alles, was woke ist. Bei dieser progressiven Ideologie verleidet es ihm. Frau ist bei ihm Frau, Mann ist Mann. Und mit den Sternchen, die sich in der Sprache immer mehr dazwischen befinden, hat er’s eher weniger. Er sagt dann solche Sätze: «Die Auflösung der Geschlechter ist Ausdruck der menschlichen Hybris, die Meinung, wir stünden über der Natur.»
Wenn Schaller dann schimpft über die «Genderlobby» mit ihrer «Wahnsinnsideologie»: Dann ist klar, dass das linke, progressive Kräfte nicht nur lustig finden. Das ist markant ausgedrückt, aber inhaltlich durchaus (bürgerlicher) Common Sense.
Aufhängen wollen die Kritikerinnen ihn nun an einer Aktion, die Schaller vor Jahren initiiert hat. Er liess Badges drucken mit dem Slogan, der auf den berühmten Atomkraft-Slogan anspielt: «Gendern, nein danke.» Auf diesem zeigt das aufgedruckte Gesicht einen Bartwuchs über dem Mund, der an das Hitler-Schnäuzchen erinnert.
Der Denkfehler der Linken
Die Grünen-Grossrätin Anouk Feurer schreibt deswegen in den sozialen Netzwerken: Über die eigene Menstruation oder Abtreibung zu sprechen, sei «ein grösserer Skandal als Hitlerschnauz-Stickers und Menschen nicht ernst nehmen, wenn es ums Grossratspräsidium geht». Und die sozialdemokratische Parlamentarierin Jessica Brandenburger findet den Aufnäher «nicht wirklich angebracht für einen Politiker, der ein so hohes Amt bekleiden möchte». Dass Schaller nach dem ersten Hinweis auf die Konnotation eine neue Kollektion bestellt hatte: Das erwähnen die Pikierten nicht.
Die SP, die grösste und mächtigste Partei in Basel-Stadt, hat immerhin verstanden, dass diese Hitler-Vergleiche vielleicht ein bisschen übertrieben sind. Aber die Fraktionspräsidentin sagte der «Basler Zeitung», dass Schallers Voten auch Angriffe auf Menschen seien, die einer sexuellen Minderheit angehörten.
Die wohlmeinenden Eiferer machen jedoch einen Denkfehler. Wählten sie Schaller ohne Getöse erst zum Statthalter und im nächsten Jahr zum Präsidenten, muss er qua Amt neutral bleiben. Er wäre also ruhiggestellt. Gender-Kritik gäbe es keine mehr. So sorgen ausgerechnet die Kritikerinnen dafür, dass Schallers Kernanliegen den Weg via Medien in die Öffentlichkeit findet.