Der Schmuck- und Uhrenhersteller überrascht mit den jüngsten Umsatzzahlen alle, ein Zufall ist das aber nicht. Ausserdem: Lindt & Sprüngli schafft Vertrauen für ein schwieriges 2025, Emmi-Aktien sind ein Kauf und Burckhardt Compression könnte von Trump profitieren.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Krise, welche Krise?
Bei Richemont herrscht von Luxusmüdigkeit keine Spur. Selbst die trostlosen Aussichten in China können den Schweizer Konzern derzeit nicht bremsen: Er hat das Jahr 2024 mit einem Endspurt im so wichtigen Weihnachtsgeschäft beendet. 10% betrug das Wachstum zu konstanten Wechselkursen im dritten Quartal des bis Ende März dauernden Geschäftsjahres. Das ist eine deutliche Beschleunigung zu den ersten zwei Quartalen; in allen Regionen wurden die Erwartungen übertroffen.
Die Aktien reagierten am Donnerstag mit einem Sprung auf über 160 Fr.
Und auch jene der anderen Unternehmen im Sektor profitierten.
Zwar bedrängt Richemont mittlerweile auch den französischen Branchenprimus und die Aktien sind gegenwärtig wohl die spannendsten im gesamten Luxussektor, wie wir in dieser Analyse zeigen. Doch mit diesem Glanzresultat hat das Unternehmen auch mich definitiv überrascht.
Gleichzeitig ist der Erfolg nicht dem Zufall geschuldet. Das Management hat in den vergangenen Jahren an den richtigen Stellschrauben gedreht und treffend investiert. Cartier und Van Cleef & Arpels sind nun seit längerem die am besten positionierten Schmuckmarken, aber auch Cartier-Uhren sind bei den Kunden wieder beliebt.
Auch die Investitionen in den Einzelhandel, in dem das Unternehmen mittlerweile rund 70% des Umsatzes erwirtschaftet, machen sich bezahlt. Dies auch, weil das Vorratsmanagement sowie die Produktions- und Lieferzeiten verbessert worden sind. Das spiegelt sich mitunter im starken Cashflow: Die Nettoliquidität liegt per Ende Jahr bei fast 8 Mrd. € und ist damit nochmals markant gestiegen. Obwohl Richemont wie üblich keine Gewinnzahlen zum dritten Quartal vorlegt, ist für mich damit klar: Die Rentabilität stimmt.
In diesem Tempo wird es im laufenden Quartal kaum weitergehen. Die Gewinnschätzungen für das Gesamtjahr werden aber definitiv nach oben revidiert werden müssen. Damit relativiert sich auch die nunmehr gestiegene Bewertung. Die Prämie gegenüber dem restlichen Sektor ist dabei gerechtfertigt.
Neben Richemont verblasst ein anderes Glanzresultat beinahe, aber die Leistung ist ebenfalls beeindruckend: Lindt & Sprüngli hat im abgelaufenen Geschäftsjahr mehr Schokolade verkauft – der Konsumflaute, dem steigendem Kakaopreis und einem Rechtsstreit in den USA zum Trotz. Und nicht nur das: Im zweiten Halbjahr gelang, insbesondere dank der regen Nachfrage in Europa, gar eine Wachstumsbeschleunigung. Insgesamt stieg der Umsatz 2024 um 7,8%, wobei 6% auf Preiserhöhungen und der Rest auf höhere Verkaufsvolumen respektive auf einen verbesserten Produktmix zurückzuführen sind.
Ich war im Vorfeld davon ausgegangen, dass sich der Schokoladenhersteller dank der Ausrichtung auf Premiumprodukte wird behaupten können, doch die am Dienstag präsentierten Umsatzzahlen haben nochmals positiv überrascht. Die Partizipationsscheine gewannen am Dienstag fast 5% und notieren wieder oberhalb von 10’000 Fr.
Der Erfolg 2024 ist für das Unternehmen aber auch für Investorinnen vertrauensbildend, denn das Umfeld wird im laufenden Jahr nicht einfacher. Der Kakaopreis hat wegen Sorgen um die nächste Ernte in Westafrika bereits wieder ein Rekordniveau erklommen, die Lage dürfte sich nicht so schnell entspannen. Das macht weitere Preiserhöhungen unumgänglich. Marktbeobachter gehen davon aus, dass die Industrie die Preise 2025 durchschnittlich um über 10% erhöhen wird.
Umso bemerkenswerter ist die Prognose von Lindt: Das Unternehmen strotzt vor Zuversicht und Selbstsicherheit; das Management geht bereits heute davon aus, dass bei einem organischen Umsatzwachstum von 7 bis 9% in den kommenden knapp zwölf Monaten erneut eine Margenverbesserung um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte gelingen wird. Das zeugt von der Preissetzungsmacht und weiterem Optimierungspotenzial, etwa in Nordamerika.
Die Premiumstrategie geht bisher auf, die Menschen essen vielleicht weniger Schokolade, aber anscheinend wird eher bei der billigen gespart. Entsprechend gewinnt Lindt weiter Marktanteile. Und gegenüber anderen Schokoladenherstellern und insbesondere gegenüber Barry Callebaut ist Lindt im gegenwärtigen Umfeld auch sonst klar im Vorteil. Der Kakaopreis ist in der Gesamtrechnung weit weniger entscheidend als bei anderen. Doch herausfordernd wird das laufende Geschäftsjahr allemal.
Für Barry Callebaut ist das Umfeld ungleich schwieriger. In den vergangenen Tagen sanken die Aktien des Schokoladenherstellers und Kakaohändlers auf ein neues Mehrjahrestief.
Wie schon mehrfach beschrieben, bläht der höhere Kakaopreis das Umlaufvermögen Barrys auf und schüttelt das Unternehmen durch. Denn der Lagerzyklus von Kakao ist relativ lang, das Kapital bleibt in dieser Zeit gebunden. Zuletzt sah es nicht danach aus, als würde das Unternehmen in einen Liquiditätsengpass laufen. Und es hat sich erneut etwas Raum zum Atmen verschafft: Am Dienstag hat es nochmals 300 Mio. Fr. am Schweizer Anleihenmarkt aufgenommen. Der Erlös werde für allgemeine Unternehmenszwecke verwendet, schreibt Barry. Aber entspannt sich die Situation am Markt nicht bald, wird für das Unternehmen längerfristig die Luft dünn.
Apropos Nahrungsmittelhersteller. Der Sektor bereitet nicht nur an der Schweizer Börse seit längerem keine Freude. Die meisten Investoren hierzulande staunen vor allem ab Nestlé: Die Aktien haben 2024 bekanntlich rund ein Viertel an Wert eingebüsst und sind mit Blick auf das Shiller-KGV, dem langfristigen, über den Konjunkturzyklus geglätteten Kurs-Gewinn-Verhältnis, so günstig wie seit der Finanzkrise nicht mehr.
In Sippenhaft genommen worden ist Emmi. Die Entwicklung des Aktienkurses lässt von aussen betrachtet vermuten, dass der Milchverarbeiter unter der schwachen Konsumnachfrage leidet.
Ich glaube, da liegt zum einen eine Fehleinschätzung des Markts vor. Wie viele Investoren und Analysten erwarte ich ein gutes Resultat für 2024. Die Prognose von 1 bis 2% organischem Wachstum und einem Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 295 bis 315 Mio. Fr. für das Gesamtjahr wurde in den vergangenen Monaten mehrmals bestätigt, operativ dürfte sich in der Zwischenzeit kaum etwas verändert haben. Ausserdem scheint die Integration von Mademoiselle Dessert auf Kurs.
Die Übernahme dürfte zwar kurzfristig etwas auf der Profitabilität lasten und Kritiker monieren, dass sich Emmi damit zu viel aufgehalst habe und es länger dauern werde als vom Management erwartet, bis sich der erhoffte positive Effekt im Ergebnis niederschlage. Doch ich bin da zuversichtlicher: Mit dem anorganischen Wachstum des Dessertgeschäfts steigt der Anteil von Premiumprodukten im Emmi-Portfolio deutlich. Zusammen mit dem US-Spezialitätenkäse ergänzt es das cashgenerierende, aber weniger lukrative Schweizer Kerngeschäft mit Joghurt und Käse.
Zum anderen lastete vergangene Woche vor allem ein grosser Verkauf auf den Aktien: Capital Group hat ihre Beteiligung am Freitag von mehr als 5 auf 3,045% gesenkt, wie auch aus den Daten der Schweizer Börsenaufsicht SER hervorgeht. An einem Tag wurden gegen 3% aller Emmi-Titel gehandelt. Wie ich höre, soll der Verkaufspreis 700 Fr. betragen haben. Und der davor zweitgrösste Aktionär könnte laut einer Quelle ganz aussteigen wollen, gesicherte Informationen habe ich dazu aber nicht.
Klar ist, solange auch nur die Vermutung im Raum steht, werden es die Aktien schwer haben. Wobei die Aufwärtsbewegung in der zweiten Hälfte dieser Woche darauf hindeutet, dass der Verkaufsdruck zumindest zwischenzeitlich weg ist. Und aus fundamentaler Sicht sind die Titel auf dem gegenwärtigen Niveau ein Kauf.
Bereits bewiesen, dass sie auf soliden Beinen steht, hat am Donnerstag Aryzta. Der Backwarenhersteller hat die eigenen Ziele ein Jahr früher als geplant erreicht. Dazu gehört auch eine operative Marge auf Stufe Ebitda von mindestens 14,5%. Ausserdem erwartet das Unternehmen, dass das organische Wachstum mit einem Volumenwachstum und einer Rückkehr zu Preiserhöhungen nicht wesentlich von der letzten Prognose abweicht.
Ich hatte nicht daran gezweifelt, dass dies gelingen wird, und auch wegen der Ende Jahr noch herrschenden, unnötigen Skepsis gehören die Aktien zu den Favoriten von The Market. An der Börse war die Erleichterung dann aber doch spürbar.
Wie Emmi hat auch das Management von Burckhardt Compression vergangene Woche auf der Octavian-Investorenkonferenz in Davos präsentiert – und dabei ebenfalls einen sehr guten Eindruck hinterlassen. CEO Fabrice Billard blicke entspannt auf das laufende Geschäftsjahr (per Ende März), wie ich höre, das Erreichen der Prognose steht wohl ausser Frage. 1 bis 1,1 Mrd. Fr. Umsatz und eine Ebit-Marge auf vergleichbarem Niveau wie im Vorjahr (12,4%) sind in Aussicht gestellt. Und das Neugeschäft brummt.
Unter den Schweizer Industrieunternehmen ist Burckhardt Compression derzeit eine positive Ausnahme. Bei vielen wie etwa Bystronic oder Komax herrscht noch immer Flaute. Die erhoffte Erholung wird sich eher noch nach hinten verschieben, und damit sind auch weitere Spar- und Restrukturierungsmassnahmen wahrscheinlich.
Der Kompressorenhersteller profitiert derweil von verschiedenen Trends. In China will er an der Sonderkonjunktur im Solarbereich partizipieren. Seine Hyperkompressoren werden in der Produktion von Ethylen-Vinylacetat-Copolymeren eingesetzt, die für die Herstellung von Solarzellen benötigt werden. Zahlen zum Auftragseingang zeigt das Unternehmen nicht. Der Markt scheint aber trotz Überkapazität gut zu laufen, was sich mitunter an den langen Lieferfristen ablesen lässt. Auch mit Blick auf Aufträge im Wasserstoffbereich sei Billard zuversichtlich, wenngleich sich noch kaum etwas materialisiert zu haben scheint.
Eine Wette auf grünen Strom und nachhaltige Energiespeicherung sind die Aktien aber mit Nachdruck nicht. Ein wesentlicher Teil des Neugeschäfts entfällt auf Gaskompressoren für den Transport und die Lagerung. Gemäss Unternehmensangaben liegt der Marktanteil hier bei rund 50%. Burckhardt könnte damit auch von einer Belebung im US-Gas- und Ölsektor profitieren, die die neue US-Regierung beabsichtigt. So wird erwartet, dass unter Donald Trump der Bau von neuen Exportanlagen für Flüssigerdgas (LNG) genehmigt und die Nachfrage nach entsprechenden Tanker wachsen wird, was den Bedarf an LNG-basierten Kolbenkompressoren erhöhen würde.
Darüber hinaus bauen Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman ihre LNG-Exportkapazitäten weiter aus. Und auch in Europa dürften die Investitionen in die LNG-Infrastruktur zunehmen, nachdem die Gaspreise in den letzten Monaten gestiegen sind und das Geschäft damit attraktiver geworden ist.
Ein Wermutstropfen: Das Servicegeschäft, das aus Margensicht deutlich lukrativer ist, läuft nicht gut. Bereits anlässlich der Halbjahreszahlen hatte das Unternehmen kommuniziert, dass in den USA drei ertragsschwache Servicestandorte geschlossen worden seien, ausserdem lastete die schwache Konjunktur auf der Nachfrage aus China. Zu viel Bauchweh sollte das langfristig interessierten Investorinnen aber nicht machen. Die weiterhin schnell wachsende Basis an Kompressorensystemen wird in den kommenden zwei bis drei Jahren wohl in den Wartungszyklus eintreten und so das Servicegeschäft ankurbeln.
Bleibt die hohe Bewertung: Die Aktien sind im vergangenen Jahr schon sehr gut gelaufen. Das positive Momentum ist intakt.
Die Fallhöhe wird mit den steigenden Erwartungen grösser. Da hilft es auch nicht, dass Burckhardt Compression nur zweimal im Jahr Unternehmenszahlen publiziert und den Geschäftsgang öffentlich kommentiert. Bis Ende März respektive bis am 5. Juni, wenn die Jahreszahlen veröffentlicht werden, kann noch viel passieren.
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter