Europas führender Sanitärhersteller kämpft in seinem grössten Markt unerbittlich gegen die Baukrise. Stehen die Aktien vor der Wende?
Der grosse WC-Hersteller Geberit geniesst den Ruf eines gut und flexibel geführten Unternehmens. Allerdings ist die Geschäftsleitung um den Chef Christian Buhl in einer undankbaren Lage: Der Sanitärkonzern stemmt sich gegen den Abschwung der notorisch zyklischen Baukonjunktur. Im Kernmarkt Deutschland lässt sich sogar von einer Baukrise sprechen.
Es gelingt Geberit gut, gegen diese starke Strömung zu schwimmen und die Position zu halten. Aber vom Ufer aus betrachtet wirkt das so, als käme man nicht vorwärts – und das wird bestraft.
Enttäuschung an der Börse
Geberit war 2024 einer der grossen Verlierer im Schweizer Leitindex SMI. Die Aktien des Unternehmens aus Rapperswil-Jona verloren in den vergangenen zwölf Monaten rund 4 Prozent an Wert. Der Swiss-Market-Index gewann hingegen 6 Prozent hinzu. Auch am Donnerstag gaben die Geberit-Titel klar nach und stehen nun bei rund 495 Franken.
Analysten hatten sich am Donnerstag ein deutliches Wachstumszeichen erhofft. Stattdessen rapportierte Europas führender Hersteller von Sanitärtechnik für 2024 einen Umsatz von nur 3,1 Milliarden Franken. Das war so viel wie 2023 – allerdings auch deswegen, weil der starke Franken die Umrechnung belastete.
In den Lokalwährungen der Absatzländer erwirtschaftete Geberit ein Plus von 2,5 Prozent. Und das nicht weil die Preise erhöht wurden, sondern weil das Unternehmen mehr WC-Keramik, Spülkästen und Rohrleitungen verkaufte. Die Nachfrage zog also an.
Im grössten Markt Deutschland betrug das Plus gar 3,2 Prozent auf umgerechnet 889 Millionen Franken. Die Schweiz, das zweitwichtigste Absatzland, stagnierte bei 328 Millionen Franken. Der Fortschritt in Deutschland gelang, obwohl der dortige Sanitärmarkt nach den Worten des CEO Buhl in einer grösseren Schieflage steckte als nach der globalen Finanzkrise von 2009. Insbesondere der lahmende Neubau von Wohnungen drückt die Nachfrage.
Geberit ist es jedoch gelungen, den Marktanteil auszubauen. Dahinter stecken laut Buhl «unerbittliche» Marketingbemühungen. So habe Geberit schon vor mehr als zwei Jahren entschieden, kein Vertriebspersonal in Deutschland abzubauen. Pensionierte Mitarbeiter wurden ersetzt. Kundenveranstaltungen und Trainings fanden unvermindert statt. Geberit verkauft nur einen Teil seiner Produkte direkt an Endkunden, das meiste geht an Grosshändler und Sanitärinstallateure. Die wollen an den Hersteller gebunden werden.
Ein Werk in Deutschland wird geschlossen
Zwar geht Geberit in seinem grössten Markt über die Bücher – aber das habe nichts mit dem Abschwung zu tun, sondern mit regelmässigen Optimierungen, hiess es: Der Konzern wird eines seiner beiden Keramikwerke in Deutschland bis Ende 2026 schliessen. Rund 300 Arbeitsplätze fallen durch die Aufgabe des Standorts im nordrhein-westfälischen Wesel weg. Das Werk sei veraltet und habe langfristig keine Zukunft. Die Produktion wird vom Werk in Haldensleben in Sachsen-Anhalt übernommen.
Das sei keine Absage an Deutschland, betont Geberit. Tatsächlich eröffnet das Unternehmen dort ein neues Logistikzentrum: In Ibbenbüren in Nordrhein-Westfalen werden frühestens 2029 mehr als 100 Arbeitsplätze geschaffen. Am Hauptstandort Pfullendorf in Baden-Württemberg wird dieses Jahr ein neues Schulungszentrum eröffnet.
Geberit habe in den vergangenen fünf Jahren 370 Millionen Franken beziehungsweise 43 Prozent all seiner Investitionsausgaben in der Bundesrepublik getätigt, so Buhl – ein grösserer Anteil als jene 29 Prozent, die Deutschland beim Umsatz ausmacht. Weil die Sanitärmärkte international sehr unterschiedlich sind, liegt der Fokus der Firma auf Europa, und Deutschland ist dort der grösste Markt.
Geberit sieht Licht am Ende des Tunnels. Zwar dürfte der Neubaumarkt in Deutschland, Österreich und den nordischen Ländern in diesem Jahr noch leicht schrumpfen, weil 2024 so wenig Baugenehmigungen ausgestellt wurden. Aber bei den Renovationen, die 60 Prozent zum Umsatz beisteuern, könnte es besser aussehen.
Findet Deutschland schnell aus dem Tief?
Die amerikanische Investmentbank Stifel kommentierte, Europa und insbesondere Deutschland könnten 2025 positiv überraschen, weil die Grosshändler ihre Lager wieder mit Geberit-Produkten füllten. Auch Frühindikatoren stimmen die Analysten zuversichtlich, darunter der Ifo-Index zum Geschäftsklima im Wohnungsbau. Der Index ist mittlerweile deutlich von seinem Tief im Februar 2024 gestiegen.
Allerdings bleibt die Auftragslage im deutschen Wohnungsbau laut dem Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut angespannt. Die gesunkenen Zinsen allein reichten bisher nicht aus, um eine nachhaltige Trendwende einzuleiten. Dennoch sieht Stifel Spielraum für eine unerwartete Besserung – und damit auch für klare Kursgewinne der Geberit-Aktien. Die Firma ist Stifels «Top-Pick» für das erste Halbjahr 2025.
Derweil macht die Zürcher Kantonalbank (ZKB) bei den Valoren nur ein leichtes Erholungspotenzial aus, nachdem sie sich in den vergangenen Wochen unterdurchschnittlich entwickelt hatten. Die Titel seien gemessen am erwarteten Gewinn fair bewertet. Die Bank Vontobel rät zum Halten.
Detaillierte Geschäftszahlen für 2024 legt Geberit Anfang März vor. Dann wird sich auch zeigen, ob das für seine Ertragskraft bekannte Unternehmen die Gewinnmarge (Ebitda) mit knapp 30 Prozent auf dem Niveau des Vorjahres halten konnte.