Der Facebook-Konzern Meta hat zu Jahresbeginn Fakten-Checking und politische Korrektheit ad acta gelegt. Die Empörung ist gross und fehlgeleitet.
Mark Zuckerberg hat seinen Konzern Meta, zu dem Facebook, Instagram und Threads gehören, in den vergangenen Jahren in den Dienst progressiver Ideologie gestellt. Von Nutzern gepostete Inhalte wurden von Metas Meinungs- und Sprachpolizei entsprechend manipuliert. Dieses Geständnis hat der Meta-Chef jüngst in einer Videobotschaft abgelegt.
Und gelobte sogleich Besserung – oder das, was er dafür hält. Die externen Faktenprüfer werden abgeschafft. Künftig sollen sich die Nutzer der Meta-Angebote gegenseitig korrigieren können. Die verbleibenden internen Teams werden von der linksliberalen amerikanischen Westküste ins konservative Texas verlegt. Zuckerberg will die Teams dem Einfluss der Silicon-Valley-Kultur entziehen.
Die Empörung ist gross. Selbsternannte Sittenwächter und Moralapostel warnen nun vor einer Flut aus Frauenhass, Rassismus und Diskriminierung. Sie fürchten, Nutzer könnten sich durch Falschnachrichten radikalisieren und politisch irreleiten lassen. Am liebsten würden die Wächter über die Wahrheit selbst festlegen, was in den sozialen Netzwerken gesagt werden darf – und was nicht, inklusive Tonalität und Wortwahl.
Damit hat die öffentliche Diskussion um die sozialen Netzwerke eine falsche Richtung genommen. Eine stabile Demokratie wie die USA hält es aus, wenn ihre Bürger miteinander diskutieren und in welcher verbalen Form auch immer um die Wahrheit ringen. Der Diskurs über Metas Neuausrichtung hingegen ignoriert die wahren Gefahren für die sozialen Netzwerke und ihre Nutzer: Machtmissbrauch. Durch die Politik. Durch ausländische Autokraten. Durch Meta höchstselbst.
Regierungsbeamte zu Besuch in Metas Firmenzentrale
Seit Jahren wird über den Einfluss der amerikanischen Politik auf digitale Plattformen spekuliert. Spätestens seit Zuckerbergs Anhörung vor dem Justizausschuss des amerikanischen Repräsentantenhauses im vergangenen Jahr ist der Vorwurf der Zensur nicht mehr zu leugnen. In einem Schreiben an den Ausschuss erklärte der Meta-Chef, dass hochrangige Beamte der Biden-Administration – darunter das Weisse Haus – während der Präsidentenwahl im Jahr 2020 Druck auf Facebook ausgeübt hätten, Inhalte zur Hunter-Biden-Laptop-Affäre zu blockieren. In der Affäre ging es um eine mögliche, allerdings später nie bestätigte Verwicklung von Präsident Joe Biden in dubiose Geschäfte seines Sohnes Hunter Biden.
Zuckerberg bestätigte zudem, dass während der Covid-19-Pandemie die Biden-Regierung wiederholt verlangt habe, Beiträge mit bestimmten Aussagen zur Pandemie zu löschen. Darunter befanden sich vor allem impf- und massnahmenkritische Beiträge und solche, die ein Labor als Herkunft des Virus diskutierten. In regelmässigen Briefings mit Facebook-Mitarbeitern hätten Regierungsvertreter Inhalte identifiziert, die sie für problematisch hielten, und deren Entfernung gefordert – mit Erfolg.
Auch die Kommunikationsplattform Twitter wurde von der Regierung in der Hunter-Biden-Laptop-Affäre und während der Pandemie unter Druck gesetzt, dem der damalige CEO, Jack Dorsey, ebenfalls nachgab. Der amerikanische Unternehmer Elon Musk (Tesla, SpaceX usw.) sah darin einen Hauptgrund dafür, Twitter im Herbst 2022 für 44 Milliarden Dollar zu kaufen. Unter dem Namen X hat er die Plattform aus dem politischen Einflussbereich in seinen eigenen übergeführt.
Massive Desinformationskampagnen Russlands im Jahr 2016
Gefährlicher als die Einflussnahme durch die amerikanische Politik ist wohl jene durch ausländische Autokraten und Diktatoren: Sie zielen direkt auf die Destabilisierung der amerikanischen Demokratie ab. Russland kämpft hier mit allen Mitteln. Das Land führte bei den Präsidentenwahlen im Jahr 2016 eine massive Desinformationskampagne durch. Um das Ausmass dieser Beeinflussungsaktionen zu erfassen, setzten die Amerikaner kurz nach den Wahlen eine von Sonderstaatsanwalt Robert S. Mueller geführte Untersuchungskommission ein. Der über 400 Seiten starke Ermittlungsbericht, der sogenannte «Mueller Report», zeichnet ein detailliertes Bild über das Vorgehen Russlands.
Dabei schickt Russland in den sozialen Netzwerken ganze Armeen Bots los. Diese Computerprogramme erstellen automatisch Inhalte und mischen sich etwa in Konversationen ein. Sie verbreiten Falschnachrichten, schüren Emotionen und provozieren. Die digitalen Handlanger Putins zielen darauf ab, Unfrieden zu säen, die Gesellschaft zu spalten, oder auch direkt darauf, die Wahlergebnisse zu beeinflussen.
Nutzer sozialer Netzwerke haben kaum eine Chance, zu erkennen, ob etwa ein zersetzender Post von einem Mitbürger kommt oder von einem russischen Bot oder Troll. Die sozialen Netzwerke wie Facebook haben Putins Kampagnen bisher nicht genug entgegensetzen können.
Zuckerberg kann bei Meta machen, was er will
Und schliesslich ist Mark Zuckerberg selbst eine Gefahr für die freie Meinungsäusserung auf Facebook, Instagram und Threads. Solche digitalen Angebote haben in den USA den Sonderstatus einer Plattform. Dieser wurde in den neunziger Jahren geschaffen, als immer mehr Menschen begannen, das Internet zu nutzen, und als sich digitale Plattformen etablierten, auf denen die Nutzer eigene Inhalte posteten.
Dem Gesetzgeber wurde schnell klar, dass ein Plattformbetreiber nicht die Verantwortung für die Hunderttausende oder gar Millionen von Nutzer-Beiträgen in einem sozialen Netzwerk oder auf einer Kommunikationsplattform übernehmen kann. Das entsprechende Gesetz (Section 230 der Communications Decency Act) befreit sie deshalb generell von Haftung für nutzergenerierte Inhalte – solange diese sich im legalen Rahmen halten.
Greifen andersherum die Plattformbetreiber zu stark in Posts ein, moderieren, priorisieren und lenken die Inhalte, dann laufen sie Gefahr, den besonderen Schutzstatus zu verlieren. Das folgt einer klaren Logik: Bestimmt ein Anbieter letztlich die Inhalte, betreibt er keine neutrale Plattform mehr, sondern wird zu einem Medienunternehmen.
Zuckerberg versucht offenbar derzeit, sich das Beste aus beiden Welten zu sichern. Als Plattformbetreiber ist er für die auf Facebook, Instagram und Threads geposteten Inhalte mehrheitlich nicht verantwortlich. Gleichzeitig aber schlüpft er in die Rolle des Verlegers, wenn er die nutzergenerierten Inhalte über ein gewisses Mass hinaus – wie in der Vergangenheit geschehen – moderieren, modifizieren oder gar sperren lässt.
Würde er dabei ein kuratiertes Informationsangebot schaffen und publizistischen Leitlinien folgen, wäre daran nichts auszusetzen. Aber das Privileg der Nicht-Verantwortung für die nutzergenerierten Inhalte bei gleichzeitiger starker Einflussnahme auf diese führt dazu, dass Facebook weder eine Plattform für freien Meinungsaustausch ist noch ein unabhängiges Informationsangebot.
Zudem fehlen bei Meta die Checks and Balances. Zuckerberg hält die Mehrheit der Stimmrechte (61 Prozent) des börsenkotierten Unternehmens Meta, leitet als CEO die operative Geschäftsführung, und über seinen Einfluss im Board beaufsichtigt er diese und sich gleich selbst mit. Und er bestimmt ganz offensichtlich, wer sonst noch mitreden darf. Gestern war es Biden, heute ist es Trump und in vier Jahren wieder eine andere Person.
Das ist viel Macht über einen Konzern, der als Börsenschwergewicht (Marktkapitalisierung von 1500 Milliarden Dollar) die Finanzmärkte bewegen kann. Einen Konzern, der zusammen mit Google den Online-Werbemarkt massgeblich prägt (Jahresumsatz von 156 Milliarden Dollar per Ende September). Einen Konzern, auf dessen soziales Netzwerk Facebook knapp 4 Milliarden Menschen – und damit rund die Hälfte der Erdbevölkerung – mindestens einmal im Monat zugreifen.
Macht ist verführerisch und für viele unwiderstehlich
Wo Macht ist, ist die Versuchung gross, diese zu missbrauchen. Das galt für Biden und gilt für Trump. Für Putin sowieso und leider auch für Zuckerberg.
Trump wird nicht davor zurückschrecken, Druck auf Meta und seine Plattformen auszuüben. Es bleibt zu hoffen, dass Amerikas starke Institutionen dem einen Riegel vorschieben werden.
Putin hat seinen auf den digitalen Plattformen operierenden Bot-Armeen und Troll-Farmen längst Verstärkung für den Angriff auf die amerikanische Demokratie geschickt. Es ist die vornehmste Aufgabe der Geheimdienste der USA, diese russischen Destabilisierungsbemühungen im digitalen Raum zu stoppen: Im nationalen Interesse müssen sie Putins digitale Agenten und Agitatoren aufdecken und die Hintermänner dingfest machen.
Zuckerberg hält bei Meta alle Fäden in der Hand und kann den mächtigen Milliardenkonzern nach seinem Gutdünken lenken. Die Konzentration von wirtschaftlicher und persönlicher Macht könnte wohl nur über eine Aufspaltung des Unternehmens eingedämmt werden. Ein entsprechender Gerichtsprozess beginnt voraussichtlich im April. Die Aufsichtsbehörde Federal Trade Commission (FTC) zielt in ihrer im Jahr 2020 eingereichten Klage darauf ab, dass Meta die digitalen Plattformen Instagram (gekauft im Jahr 2012) und Whatsapp (2014) veräussern muss.
Die Welle der Empörung über die Abschaffung der Fakten-Checks und das Herunterfahren der Moderation bei Facebook, Instagram und Threads will derweil nicht abebben. Ausgerechnet Joe Biden, dessen Regierung in den letzten Jahren immer wieder versucht hatte, Inhalte auf Facebook zu manipulieren, hob in seiner Abschiedsrede zu seinem Austritt aus dem Weissen Haus letzte Woche nochmals den moralischen Zeigefinger und warnte vor einer Lawine von Missinformationen.
Dabei sind das Herunterfahren der ideologisierten Moderation und die Abschaffung ebensolcher Fakten-Checks zunächst einmal ein grosser Hoffnungsschimmer. Sie fördern theoretisch die freie Meinungsäusserung in den sozialen Netzwerken. Und geben damit dem Nutzer das, was es im Ringen mit den Machtinteressen des Männertrios braucht: die Kraft der freien Meinungsäusserung.