Der mehrtägige Prozess am Militärgericht gegen zwei Personen endet mit einer bedingten Geldstrafe. Doch wie kam es zum Zerschellen einer F/A-18 der Schweizer Armee an einer Felswand und zum Tod eines Piloten? Und wie hätte dies verhindert werden können?
Sieben Jahre nach dem Zerschellen eines Kampfjets der Schweizer Luftwaffe kam es zum Prozess vor dem Militärgericht 2 in Muttenz. Nach vier Tagen Anhörung von Experten und Zeugen sowie Beratung wurde das Urteil des Militärgerichts veröffentlicht. Es spricht einen Fluglotsen wegen fahrlässiger Tötung und Verletzung der Sorgfaltspflichten schuldig.
Das Verdikt lautet auf 60 Tagessätze à 170 Franken bedingt, was einer unbedingten Geldstrafe von 10 200 Franken entspricht. Einen Freispruch erhielt der Fluglotse vom Vorwurf der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs. Der zweite in das Flugmanöver involvierte Pilot wird in allen Punkten freigesprochen. Wie es zur Verurteilung kam:
29. August 2016: Zwei Kampfflugzeuge der Schweizer Luftwaffe heben kurz nach 16 Uhr am Flugplatz Meiringen zum Patrouillenflug ab. An Bord der beiden McDonnell Douglas F/A-18 Hornet sind ein Fluglehrer mit grosser Erfahrung als Pilot im Führungsflugzeug (Leader) und ein 27-jähriger Pilot in der Folgemaschine (Trailer), der kurz vor dem Abschluss seiner Umschulung auf die F/A-18 steht.
Kurz nach dem Start bei guter Sicht verschlechtern sich die Sichtverhältnisse. Die beiden Flugzeuge befinden sich in der teilweise geschlossenen Wolkendecke. Beim Fliegen in den Wolken befinden sich die beiden Maschinen im Instrumentenflug (IFR für Instrument Flight Rules), da nicht auf Sicht geflogen werden kann.
Im Blindflug auf die Flugsicherung angewiesen
In solchen Situationen befinden sich die Militärpiloten vollständig in der Hand der Fluglotsen, mit denen sie per Funk verbunden sind. Verkehrsflugzeuge haben ein System an Bord, das sie vor zu grosser Nähe zum Terrain warnt (CFIT für Controlled Flight into Terrain). Bei Kampfflugzeugen ergibt ein solch sensibel eingestelltes System wenig Sinn, weil die Piloten oft im Tiefflug in Tälern zwischen Felswänden agieren, anstatt über Berggipfeln zu fliegen.
Der Pilot im nachfolgenden Trailer versucht sich aufgrund der akut schlechten Sicht kurz nach dem Start in das Radarsystem des Leader-Flugzeugs einzuschalten, um mehr Fluginformationen zu erhalten. Der Versuch misslingt, weil der Leader bei der Startsequenz am Boden diese Funktion nicht freigegeben hat.
Daher begibt sich der Trailer-Pilot in die Obhut der Flugsicherung in Meiringen und fragt per Funk nach Anweisungen. Der zuständige Fluglotse gibt als Flughöhe «Flight Level 100» an, auf die sich der Pilot begibt. Dies entspricht jedoch einer Höhe von 10 000 Fuss oder 3048 Metern, was für das Gebiet zu wenig ist. Richtigerweise hätte der Fluglotse «Flight Level 150» angeben sollen, also 15 000 Fuss (4572 Meter).
Der Fluglotse bemerkt seinen Fehler und versucht, den Trailer-Piloten zu erreichen. Dies gelingt nicht, da der Pilot bereits auf Anweisung des Fluglotsen auf den Kanal der Skyguide-Flugsicherung in Dübendorf umgeschaltet hat.
Abweichungen vom üblichen Prozedere
Nach kurzer Flugzeit überwindet der Leader im Gebiet Hinter Tierberg am Sustenpass einen Felsgrat. Der Trailer aber prallt – 58 Sekunden nach der Übermittlung der falschen Flughöhe – rund elf Meter unterhalb des Grats in eine Felswand. Am Aufprallort manifestiert sich das Unglück mit einem von der Explosion verdunkelten Felsgebiet.
Für den Piloten kommt der Aufprall so überraschend, dass er sich nicht rechtzeitig per Schleudersitz aus dem Cockpit katapultieren kann. Der 27-jährige Militärpilot kommt beim Unglück ums Leben. Die Maschine wird vollständig zerstört, auch der Flugschreiber konnte nicht mehr gesichert werden.
Interessante Fakten ergeben sich nach der Auswertung der Flugdaten, unter anderem aus dem Flugschreiber der vorausfliegenden F/A-18 sowie dessen Videoaufnahmen. Der Leader-Pilot korrigierte die vom Fluglotsen falsch angegebene Flughöhe nicht nach oben. Zudem war er mit tieferer Geschwindigkeit als üblich gestartet und musste zur Überwindung der Felswand einen besonders steilen Steigwinkel wählen.
Aus dem Untersuchungsbericht ergeben sich Unstimmigkeiten, die seit einigen Tagen am Militärgericht 2 in Muttenz geklärt werden sollen. Gegen den Fluglotsen sowie den Piloten des Führungsflugzeugs wurde Anklage wegen fahrlässiger Tötung und weiterer Fahrlässigkeitsdelikte erhoben.
Das Urteil des Militärgerichts mit einer bedingten Geldstrafe ist erwartet worden. Was die Lage des Verurteilten weiter erschwert: Zudem wurden ihm die Verfahrenskosten in der Höhe von rund 40’000 Franken auferlegt. Damit wird verdeutlicht: Der Spielraum für Fehler ist bei der Flugüberwachung von besonders schnellen Kampfflugzeugen äusserst gering.