Trump kehrt mit der Energie einer Urgewalt nach Washington zurück. Er will seine radikale Agenda in Rekordzeit umsetzen. Und diesmal weiss er wie.
Die ruhigen Tage, an die man unter Joe Biden gewohnt war, sind vorbei in Washington. «Trump is back in town», und das mit einer geballten Energie. Bis spät in die Nacht hinein hat er am Montag «executive orders» unterzeichnet, knapp hundert an der Zahl, das gab es noch nie. Selbst die Parade hat er in eine Dekret-Show verwandelt: Die Fans in der Capital One Arena und zu Hause am Fernseher sollten selber miterleben, wie ihr Idol das Ruder herumreisst in Washington und der Migration, der Inflation und dem «faulen Staat» den Garaus macht. Im Hintergrund sass die Familie Trump in weissen Ledersesseln und schaute zu.
Es war ein langer Inaugurationstag, und Trump erschien in vielen Inkarnationen: Er war der Heilsbringer, der dem Volk ein «goldenes Zeitalter» versprach, er war ein schlechter Sieger, der gegenüber den Verlierern der Wahl kein grosszügiges Wort fand. Stattdessen verunglimpfte er die Demokraten während seiner Antrittsrede als «Verräter der Nation». Dann wieder flüsterte er Joe Biden ein klar erkennbares «Thank you» zu. Er markierte den Imperialisten, der droht, «den Panamakanal zurückzuholen.» Er gab sich als Pazifist, der davon träumt, Weltfrieden zu stiften. Und bei alldem wirkte er überaus fokussiert. Wie soll man da schlau werden?
Trumps Charakter ist schwer fassbar, und sein Hang zum Pompösen ist längst bekannt. Das sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ihm sehr ernst ist mit seinen politischen Plänen und dass er einen eisernen Willen hat, Washington umzukrempeln.
Empörende Begnadigungen und fragliches Notrecht
Davon zeugt die Kaskade von Regierungsverordnungen, die er am Inaugurationstag losliess. Dabei schreckt er nicht vor radikalen Massnahmen zurück. Die extremste ist wohl die Begnadigung sämtlicher Capitol-Stürmer vom 6. Januar 2021. Im Vorfeld gab es Signale aus dem Trump-Lager, zum Beispiel von Vizepräsident J. D. Vance, dass gewalttätige Verbrecher nicht begnadigt würden; offenbar wischte Trump diese Bedenken vom Tisch. Der Aufschrei, der aus den Reihen der Angehörigen der damals rund hundert verletzten Capitol-Polizisten sowie der Demokraten kam, ist berechtigt. Diese pauschale Begnadigung desavouiert auch seine designierte Justizministerin, die eben gerade im Senat versprochen hatte, die Sache Fall für Fall zu prüfen.
Bei der Migration und der Energie ruft Trump das Notrecht aus, um ohne den Kongress an Ressourcen heranzukommen und das Asylrecht auszusetzen. Das Notrecht verleiht ihm vorläufig den nötigen Spielraum, aber die Begründung ist fragwürdig. Die Migrationszahlen sind derzeit tiefer als am Ende von Trumps erster Amtszeit, und unter Biden erreichte die Erdöl- und Gasförderung eine Rekordhöhe. Radikal ist Trumps Vorhaben, Truppen an die Grenze zu schicken. Das liegt im Konflikt mit dem Posse-Comitatus-Gesetz, das den Militäreinsatz gegen Zivilisten strikt untersagt. Ebenso radikal ist seine «Drill, baby, drill»-Verordnung, und zwar wegen eines Nebensatzes: Trump erwägt unter anderem Enteignungen von Privatland, um seine Abbauschlacht umzusetzen.
Andere Erlasse entsprachen den Erwartungen: der Gender-Erlass, die Auflösung des Beamtenstatus von Schlüsselpositionen in der Verwaltung, der Austritt aus der WHO und dem Pariser Klimaabkommen, die Gründung von Musks Deregulierungs- und Sparagentur DOGE, die einen kleinen Umfang hat gemessen an ihrem grossen Auftrag. Einige Versprechungen werden auf später verschoben: Es werden derzeit keine generellen Strafzölle kommen, aber Kanada und Mexiko müssen ab Anfang Februar mit 25 Prozent Zöllen auf ihren Exporten rechnen. Was Trump damit erreichen will, ist nicht gänzlich klar. Das im Wahlkampf so wichtige Thema Inflation erhielt wenig Beachtung – in einem ultrakurzen Erlass verlangt Trump eine Ursachenanalyse.
America First mit einem Schuss Imperialismus
Aussenpolitisch bestätigt Trump die America-First-Doktrin, welcher er schon während seiner ersten Amtszeit nachlebte. Er fügt ihr aber eine imperialistische Note hinzu. Noch nie hatte ein Präsident in einer Antrittsrede einem anderen Land mit einer Invasion gedroht – genau das geschah gestern gegenüber Panama. Seine Begehrlichkeiten gegenüber Grönland erwähnte Trump zwar nicht im Capitol, aber er flocht sie in einen späteren Auftritt ein. Als Witz könnte die Umbenennung des Golfs von Mexiko in den Golf von Amerika gelten – wenn es einer wäre.
Der Startschuss der zweiten Amtszeit von Trump könnte nicht unterschiedlicher ausfallen als vor acht Jahren. Am 20. Januar 2017 unterschrieb der neu gewählte Präsident nur einzelne «executive orders» am Inaugurationstag. Nun hat er offenbar 200 parat, die sorgfältig und mit dem nötigen rechtlichen Wissen ausgestattet sind. Statt einen Flüchtlingsstopp für ausschliesslich muslimische Länder, der vor Gericht scheiterte, erlässt Trump nun einen kompletten Flüchtlingsstopp für 30 Tage. Statt die seit Jahrzehnten in den USA legal lebenden «Dreamers» mit Deportation zu bedrohen wie 2017, stellte Trump noch während seiner Antrittsrede die Asylantrags-App von Joe Biden ab. Ein Menschenrecht auf eine App gibt es nicht.
«Ich habe so einiges gelernt auf meinem Weg», sagte Donald Trump während seiner Inaugurationsrede und meinte damit seine erste Amtszeit. Dieses Wissen will er nun einsetzen. Wie weit er damit kommt, bleibt abzuwarten. Vieles wird vor Gericht landen, und der Kongress mit der dünnen Mehrheit der Republikaner steht als Korrektiv da. Klar ist, dass Trumps Leute genau studiert haben, wie sie die Macht der Exekutive diesmal maximal nützen können.