Nach den spärlich gesäten Publikumsöffnungen der vergangenen drei Jahre ist die Pipeline wieder gut gefüllt: 2025 dürfte eine ganze Reihe grosser Unternehmen, insbesondere aus Private-Equity-Portfolios, an die Schweizer Börse kommen. The Market sagt, welche Kandidaten sich darauf vorbereiten.
Das Geschäft mit Neukotierungen an der Börse ist so zyklisch wie die Märkte selbst: Steigen die Aktienkurse, hasten Unternehmen neu aufs Börsenparkett, sinken die Bewertungen an den öffentlichen Handelsplätzen, warten sie in privaten Händen auf bessere Zeiten.
Im Aufschwung von 2016 bis Ende 2022 drängten mehr als zwanzig Neuzugänge über ein Initial Public Offering (IPO) an die Schweizer Börse, im Schnitt jährlich mehr als fünf, wenn man das Pandemiejahr 2020 ausklammert. Seit 2022 wagte sich jedoch nur noch ein Kandidat pro Jahr vor, darunter die zwei Winzlinge Epic Suisse und R&S.
Im vergangenen Jahr machte Ende März der Dermatologiespezialist Galderma mit einem beachtlichen Transaktionsvolumen von 2,3 Mrd. Fr. Hoffnung auf mehr. Doch es blieb vorerst dabei. Mit Sunrise kam zwar im Herbst noch ein weiterer Neuzugang. Dies allerdings in einem Spin-off von Liberty Global und nicht in Form eines IPO mit zusätzlicher Kapitalaufnahme.
Seit gestern Dienstag bewegt sich der IPO-Markt nun wieder: Mit BioVersys strebt ein kleines Biotech-Unternehmen an die Börse. Das Ziel lautet, unter Begleitung der Investmentbanken Citi, UBS und Stifel noch im ersten Quartal frische Mittel von 80 Mio. Fr. aufzunehmen.
BioVersys forscht an Antibiotika gegen Keime, die gegen herkömmliche Medikamente resistent sind. Am fortgeschrittensten ist der Kandidat BV100, für dessen Phase-III-Studie das Unternehmen die 80 Mio. Fr. mehrheitlich einsetzen will.
Markiert das den Start einer neuen Welle an Börsengängen?
Ein Dutzend Börsenkandidaten
Um ein neues IPO-Fenster aufzustossen, braucht es in der Regel mehr als eine kleine Biotech-Gesellschaft, die sich dem Publikum öffnet.
Im Jargon spricht man von einem Icebreaker, also einem Topunternehmen, das die Investoren mit seiner Qualität, Berechenbarkeit und intakter Wachstumsperspektive überzeugt, neues Geld einzuschiessen.
Solche Eisbrecher sind tatsächlich in Sicht: «Es gibt hochwertige Unternehmen, insbesondere aus Private-Equity-Portfolios, die darauf abzielen, auf den Markt zu kommen», sagt Reinout Boettcher, Head of Switzerland bei JPMorgan. Nick Bossart, Head of Global Advisory bei Rothschild & Co, doppelt nach: «Wir sehen eine gut gefüllte Schweizer Pipeline mit sechs bis zehn Kandidaten mit einer attraktiven Grösse und einem möglichen Börsenwert von jeweils 3 Mrd. Fr. und mehr. Sie dürften ab dem zweiten Halbjahr 2025 und 2026 den Börsengang an der SIX erwägen.»
Die geringe IPO-Aktivität der vergangenen Jahre hat tatsächlich die Pipeline an neuen Kandidaten anschwellen lassen. The Market hat im Gespräch mit Investmentbankern und weiteren Marktakteuren – darunter mehreren, die nicht namentlich erscheinen möchten – zwölf potenzielle Börsenneuzugänge identifiziert.
Bezüglich Icebreaker verweisen Investmentbanker auf die Unternehmen SMG, Ammega, Acrotec, Syntegon und Corden Pharma. Sie alle könnten noch 2025 ihr Debüt an der Schweizer Börse geben. (Mehr zu ihnen unten.)
Die Krux dabei ist: Die Marktbewegungen, die die Wahl von Präsident Donald Trump ausgelöst hat – und die Unsicherheiten, die künftige Ansagen von ihm wohl in hoher Kadenz noch auslösen werden, machen es gerade bei neuen, unbekannten Unternehmen schwierig, eine angemessene Bewertung festzulegen. Erachten die Neuinvestoren sie als zu hoch, halten sie sich zurück, ist sie in den Augen der Alteigentümer zu tief, warten sie mit der Publikumsöffnung zu.
Die zweite Krux, die sich daraus ergibt, ist: Welcher dieser potenziellen Icebreaker will nun der sein, der die derzeitige Aufnahmebereitschaft der Anleger testet? Lässt jeder Kandidat einem anderen den Vortritt, könnte die IPO-Welle möglicherweise weniger rasch anrollen als erwartet, und mehrere grössere Transaktion würden sich ins nächste Jahr verschieben.
Zuversichtlich ist Boettcher von JPMorgan: «Das erfolgreiche IPO von Galderma und zuletzt die Rückkehr von Sunrise an die Schweizer Börse stimmen zuversichtlich für das Schweizer IPO-Geschäft 2025. Der Markt scheint bereit.»
Genauso sieht das Thorsten Pauli, Länderchef Schweiz und Head Equity Capital Markets Germany, Switzerland and Austria der Bank of America: «Die Schweiz hat in letzter Zeit wichtige Impulse für den Markt gesetzt, und auch in Europa haben sich Börsengänge als erfolgreich erwiesen», sagt er und hat dabei mitunter die IPO von Galderma, Puig, CVC und Renk im Auge.
Dazu komme das attraktive Bewertungsniveau: «Der S&P 500 ist mit einem vorausschauenden Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 22 hoch und fair bewertet.» Robust seien die Bewertungen auch für die europäischen Aktienmärkte angesichts der hier verhaltenen Konjunkturentwicklung.
Es beginnt klein
Mit BioVersys hat dieses Jahr bis jetzt erst ein einziger Kandidat eine Publikumsöffnung angekündigt, und zwar primär aus unternehmenseigenem Antrieb.
«Kleinere, aufstrebende Unternehmen stehen oft vor einem Dilemma: Um die volle Bewertung zu erhalten, könnte es teilweise besser sein, mit der Publikumsöffnung noch etwas zuzuwarten. Doch dann stellt sich die Frage, wie der Weg dorthin finanziert werden kann», sagt Neumann, Leiter Equity Capital Markets der Zürcher Kantonalbank.
Gemäss Investmentbankern will auch die Medtech-Gesellschaft Spineart, die bereits 2024 den Börsengang evaluiert hatte, den Schritt an die Schweizer Börse in der ersten Jahreshälfte 2025 Realität werden lassen. Dies unter der Führung von UBS. Als Zielwert wird hier eine Börsenkapitalisierung von bis zu 400 Mio. Fr. erwartet.
SkyCell – ein weiterer Schweizer Börsenkandidat, der im Pharmabereich Logistikdienstleistungen für die Lieferkette anbietet – liebäugelt gemäss Branchenkennern hingegen mit einer Kotierung an der US-Technologiebörse Nasdaq.
Die Schwergewichte
Swiss Marketplace Group (SMG), die als Gemeinschaftsunternehmen von TX Group, Ringier, Mobiliar sowie dem Finanzinvestor General Atlantic 2021 gegründet wurde, umfasst Schweizer Online-Marktplätze wie Homegate, Ricardo und AutoScout24. Dank einer dominierenden Marktstellung wachsen diese Plattformen rasant und haben 2023 insgesamt das Ergebnis verdoppelt.
Dieses Potenzial wollen die Eigentümer nutzen, um die Einheit eigenständig an die Börse zu bringen. Gemäss Investmentbankern könnte der Startschuss dafür in diesem Jahr fallen. Die Eigentümerstruktur mit vier grossen Teilhabern lässt bislang jedoch offen, in welcher Form eine Publikumsöffnung zu erwarten ist.
Das Unternehmen hat Evercore als IPO-Berater engagiert, Rothschild berät unabhängig davon die Grossaktionäre. Ein Konsortium für den Börsengang sei jedoch noch nicht bestimmt, sagen mehrere Investmentbanker übereinstimmend.
Bereits bestimmt ist ein solches Konsortium für Ammega: Bank of America sowie UBS könnten den Hersteller von Förderbändern aus den Händen des Privatmarktspezialisten Partners Group noch 2025 an die Schweizer Börse bringen, sagen mit der Situation vertraute Personen. Ein kompletter Weiterverkauf des Portfoliounternehmens an einen neuen Investor sei zwar nicht ausgeschlossen, doch das IPO stehe derzeit klar im Vordergrund.
Solche Dual Tracks, also das Planen einer Publikumsöffnung, während gleichzeitig ein Komplettverkauf ausgelotet wird, sind üblich, wenn Private Equity aus einem Unternehmen aussteigen will.
Das gilt auch für Acrotec, die Carlyle an die Schweizer Börse zu bringen gedenkt. Dies unter der Führung von UBS, Morgan Stanley und Bank of America sowie unter der Aufsicht von Rothschild.
Hier ist die Unsicherheit: Das Westschweizer Unternehmen ist primär auf Präzisionsteile für die Uhrenindustrie ausgerichtet – und die steckt derzeit wegen des schrumpfenden Absatzes nach China in einem Abschwung. Das ist keine gute Voraussetzung, um an der Börse den bestmöglichen Preis zu lösen, und birgt das Risiko, dass Eigentümer Carlyle für die Publikumsöffnung erst eine Trendwende abwarten will.
Corden Pharma nennen Investmentbanker als weiteren IPO-Kandidaten für die zweite Jahreshälfte. Der Auftragsfertiger für die Pharmaindustrie hat vergangenes Jahr ein rekordhohes Investitionsprogramm über 900 Mio. € für die Erweiterung seines Peptidangebots in den USA sowie in Europa angekündigt. Es läuft über drei Jahre, in denen die Kapitalaufgaben damit erhöht sein werden.
Ein Investmentbanker weist zudem darauf hin, dass Investoren nach dem missglückten IPO von PolyPeptide sowie angesichts der im Bereich auch sonst starken Kursausschläge gegenüber Auftragsfertigern vorsichtiger geworden sind. Der derzeitige Eigner, der Finanzinvestor Astorg, könnte deshalb mit einer Publikumsöffnung zuwarten wollen.
Explizit die Absicht kundgetan, sich in der Schweiz dem Publikum zu öffnen, hat kürzlich die deutsche Syntegon. Der Hersteller von Verpackungsmaschinen für die Nahrungsmittel- und die Pharmabranche will zu diesem Zweck den Hauptsitz nach Schaffhausen verlegen. Angeblich soll Eigentümer CVC bereits mit UBS den Börsengang evaluieren.
Die weiter entfernten Kandidaten
Auch für die Jahre nach 2025 zeichnen sich bereits einige Publikumsöffnungen ab. Aus der Reisebranche könnte gleich ein Trio den Weg an die Schweizer Börse einschlagen: der Visaspezialist VFS Global, der Bodenabfertiger Swissport sowie der Bordverpfleger Gategroup – gemäss Investmentbankern in dieser Reihenfolge.
Blackstone, die VFS Global mehrheitlich besitzt und angeblich schon länger an einen Ausstieg denkt, hat im Herbst einen Anteil von 18% zu einem Preis von 950 Mio. $ an den Staatsfonds von Singapur veräussert. Die Transaktion bewertete das Aktienkapital des Unternehmens auf rund 5 Mrd. $. Da Temasek erst kürzlich eingestiegen sei, stehe eine Publikumsöffnung nicht unmittelbar bevor, leiten Investmentbanker daraus ab. Dass eine künftige Kotierung jedoch in der Schweiz durchgeführt werde, sei wahrscheinlich.
Ähnliches gilt für die beiden flugnahen Unternehmen Swissport und Gategroup, die beide aus der untergegangenen Swissair herauskamen. Sie waren vorübergehend Teil des chinesischen Konglomerats HNA, und beide hatten bereits 2018 vergeblich versucht, sich an der SIX dem Publikum zu öffnen.
Inzwischen sind neue Eigentümer an Bord, bei Gategroup mehrheitlich Temasek. Der Staatsfonds war kurz vor der Pandemie eingestiegen, die sowohl bei Swissport als auch bei Gategroup tiefe Spuren hinterlassen hat. Die Erholung bei Swissport laufe, zumindest schneller als bei Gategroup, sagen Investmentbanker und schliessen nicht aus, dass nach einem allfälligen IPO von VFS Global auch diese beiden Unternehmen zurück an die Schweizer Börse finden.
Erst müssen sie jedoch die Spuren abwischen, die die Pandemie hinterlassen hat. Auch bei Börsengängen zählt nicht nur die Perspektive nach vorn: «Investoren bewerten IPO-Kandidaten auch an ihrem Leistungsausweis», sagt Neumann von der ZKB. «Diesbezüglich gilt es, bei etablierten Geschäftsmodellen mindestens zwei Jahresabschlüsse in Folge vorlegen zu können, in denen die Ergebnisse positiv ausfallen und vor allem ein klarer Trend nach oben ersichtlich ist.»
Gegen den Trend läuft es derzeit für E-Mobility von ABB. Das Geschäft mit Elektroautos wächst weniger rasant als erwartet, was auch den Bedarf an Ladestationen senkt, die das Unternehmen herstellt. Der ursprüngliche Plan, den Bereich eigenständig an die Börse zu bringen, ist deshalb auf unbestimmte Zeit vertagt. Man darf jedoch erwarten, dass die Entscheidung revidiert wird, sobald sich das Marktumfeld aufhellt.
Bis zu einem gewissen Grad gilt das auch für die Uhrenmarke Breitling. Sie wurde Ende 2022 mehrheitlich von Partners Group übernommen und damals ein IPO für 2027 in Aussicht gestellt. Inzwischen wurden die Pläne relativiert – was mit Blick auf die darbenden Schweizer Uhrenaktien kaum erstaunt. Umgekehrt gilt allerdings auch: Breitling hat kürzlich sowohl an der Equity-Konferenz der ZKB als auch an der Veranstaltung von Octavian präsentiert. Dort zeigen sich normalerweise nur kotierte Unternehmen, was die Frage aufwirft: Sucht sie doch bereits den Kontakt zu den Investoren?