Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert, dass Kleinreaktoren bis 2040 bis zu 10 Prozent der weltweiten Kernkraftkapazität ausmachen. Allerdings wird dafür noch einiges passieren müssen.
Für viele Beobachter liegt die Zukunft der Kernenergie vor allem bei kleinen Reaktoren, auch Small Modular Reactors (SMR) genannt. Sie sollen alle Vorteile der Kernkraft haben, insbesondere die zuverlässige und gleichzeitig CO2-freie Stromproduktion. Und keine ihrer Nachteile, etwa Überschreitungen der Kosten- und Zeitpläne in der Bauphase.
Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert nun in ihrem aktuellen Bericht zur Zukunft der Kernenergie, dass Kleinreaktoren bei entsprechender Unterstützung bis 2040 eine installierte Leistung von bis zu 80 Gigawatt erreichen. Das würde zu diesem Zeitpunkt etwa 10 Prozent der weltweiten Kernkraftkapazität entsprechen. Die ersten SMR sollen laut IEA voraussichtlich um das Jahr 2030 herum in den kommerziellen Betrieb gehen.
Neue Einsatzmöglichkeiten
Gemäss der IEA bieten die kleinen, modularen Reaktoren besonders interessantes Wachstumspotenzial für die Nuklearbranche. Das liegt auch daran, dass sich die Kleinreaktoren zumindest in der Theorie völlig anders einsetzen lassen als die heutige AKW-Generation. Sie können zum Beispiel nahe an Unternehmen angesiedelt werden und ihnen direkt Strom für die Produktion von Stahl, chemischen Materialien oder Wasserstoff liefern. Oder sie lassen sich für den Betrieb von Rechenzentren einsetzen.
Allerdings: So interessant die Technologie ist, so hoch bleiben die Hürden. Laut dem Bericht der IEA muss es die Industrie schaffen, die Kosten der Kleinreaktoren bis 2040 massiv zu senken. Das Ziel sei ein Kostenniveau, das mit grossen Wasserkraft- und Offshore-Windprojekten vergleichbar sei, heisst es im Bericht.
Damit das erreicht werden kann, braucht es Anpassungen an der Regulierung, wie die IEA weiter schreibt. Insbesondere in westlichen Ländern gelten die Bewilligungsprozesse als besonders heikel. Die neuartige modulare Bauweise der Anlagen erlaubt zwar eine industrielle Fertigung, wodurch Skaleneffekte erzielt werden können. Für die Zulassungsbehörden sind viele der weit über hundert SMR-Konzepte, die derzeit weltweit entwickelt werden, aber technologisches Neuland.
Ähnliches gilt für die Investoren. Laut dem dem IEA-Bericht wird es deshalb auch neuartige Finanzierungsmodelle für die Kleinreaktoren brauchen.
Auch die jetzige Technologie im Aufschwung
Die IEA zeigt sich in ihrem neusten Bericht aber nicht nur gegenüber neuen Kernenergietechnologien optimistisch – sondern auch hinsichtlich der derzeit im Einsatz oder im Bau stehenden Generation. Die Organisation prognostiziert für 2025 eine Rekordproduktion von Atomstrom. Rund 2800 Terawattstunden (TWh) sollen es werden. Dies bedeutet einen Anstieg von 7 Prozent gegenüber 2021.
Weltweit befinden sich derzeit mehr als 70 Gigawatt an neuen Kapazitäten im Bau. Das entspricht dem Siebzigfachen der Leistung des Schweizer Kernkraftwerks Gösgen und ist der höchste Stand seit drei Jahrzehnten, wie die IEA schreibt. Besonders in China und Indien wächst die Kernenergie rasant. China wird laut der IEA voraussichtlich bis 2030 sowohl Europa als auch die USA bei der installierten Kapazität überholen.
Kritik an Frankreichs Atomprogramm
Wie gross die Probleme in Europa sind, zeigt beispielhaft ein aktueller Bericht des französischen Rechnungshofs zum französischen Atomprogramm. Die unabhängige Amtsstelle kritisiert die heimische Atomindustrie darin scharf, insbesondere mit Blick auf den neuen Reaktor in Flamanville, bei dem sich die Gesamtkosten nach 17 Jahren Bauzeit auf 23,7 Milliarden Euro belaufen – und nicht auf die ursprünglich veranschlagten 3,3 Milliarden Euro.
Laut dem Gutachten des Rechnungshofes sind die Prognosen der EDF zur Rentabilität der Anlage höchst fragwürdig. Die Finanzexperten werfen dem französischen Staatskonzern zudem Intransparenz vor. Sie empfehlen darum, den Entscheid über den geplanten Neubau von sechs Atomreaktoren aufzuschieben, bis die Finanzierung gesichert sei und detaillierte Konzeptstudien vorlägen.