Das Raketensystem Starship konnte auch den zweiten Testflug nicht erfolgreich abschliessen. Beide Raketenstufen explodierten am Samstag kurz nach ihrer Trennung. Im Frühling war bereits ein erster Anlauf gescheitert.
Das amerikanische Raumfahrtunternehmen SpaceX hat am Samstag seine neu entwickelte Riesenrakete in den Weltraum geschossen. Das Starship hob um 14 Uhr 03 (MEZ) vom Weltraumbahnhof in Boca Chica im Süden von Texas ab. Mit Getöse und eingehüllt von Staub gewann es schnell an Höhe. Nach knapp drei Minuten trennte sich das Starship wie vorgesehen von der ersten Raketenstufe. Damit wurde das Hauptziel der Mission erreicht.
Kurz danach explodierte allerdings die erste Raketenstufe. Das Starship setzte seinen Flug in den Weltraum zunächst fort. Wenige Minuten später brach allerdings der Kontakt zu ihm ab. Anstatt wie vorgesehen einmal die Erde zu umrunden und 90 Minuten nach dem Start im Meer zu landen, wurde das Starship vermutlich automatisch gesprengt. Die Gründe dafür sind noch unklar.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Rakete eine Höhe von 150 Kilometern erreicht und damit die Grenze zum Weltraum überschritten. Auch wenn nicht alle Ziele des Testflugs erreicht wurden, stellt er einen Fortschritt gegenüber dem ersten Versuch dar.
Beim jetzigen Testflug war das Starship noch unbemannt. In einigen Jahren soll es jedoch Astronauten zum Mond und irgendwann auch zum Mars bringen. Zusammen mit der Mondrakete der Nasa soll das Starship eine neue Ära in der bemannten amerikanischen Raumfahrt einläuten.
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— SpaceX (@SpaceX) November 17, 2023
Der erste Start endet mit einer Explosion
Schon der erste Testflug des Starship im April dieses Jahres war grandios gescheitert. Die zweistufige Rakete erhob sich zwar zunächst vom Boden. Auf Bildern war jedoch zu erkennen, dass 3 der 33 Triebwerke der ersten Raketenstufe nicht gezündet hatten. Kurz darauf fielen weitere Triebwerke aus. Die Rakete gewann zwar immer noch an Höhe, geriet aber ausser Kontrolle, bevor sich die erste von der zweiten Stufe trennen konnte. Eigentlich hätte nun das automatische Flugabbruchsystem die Rakete sprengen sollen. Doch das System reagierte nicht sofort. Es vergingen 40 Sekunden, bis die inzwischen ins Trudeln geratene Rakete explodierte.
Auch auf dem Startgelände bot sich ein Bild der Verwüstung. Durch den ungeheuren Schub der Triebwerke wurden nicht nur Unmengen von Staub und Sand aufgewirbelt. Aus dem Betonfundament unter der Rakete lösten sich auch grössere Trümmer, die bis zu 500 Meter weit weggeschleudert wurden. Da sich das Raketenstartgelände von SpaceX mitten in einem Naturschutzgebiet befindet, meldeten sich Umweltschützer zu Wort. Sie forderten die Luftfahrtbehörde FAA auf, vor einer neuen Startgenehmigung einen umfassenden Umweltbericht zu erstellen. Das hätte den Start um unbestimmte Zeit verzögert.
Die FAA entschied sich für einen Mittelweg. Sie machte die Startgenehmigung für das Starship von 63 Korrekturen abhängig, die SpaceX ausführen musste, um die Sicherheit zu erhöhen. Teilweise betrafen diese Korrekturen die Rakete selbst, teilweise das Kontroll- und Sicherheitssystem. Ausserdem mahnte die FAA Veränderungen auf dem Startgelände an.
SpaceX ist diesen Forderungen in den letzten Monaten nachgekommen. So soll eine mit Wasser gekühlte Stahlplatte unter der Rakete verhindern, dass das Betonfundament durch die Hitze der Triebwerke pulverisiert wird. Neben den angemahnten Veränderungen hat SpaceX auch eigene Korrekturen vorgenommen.
Die wichtigste betrifft die Trennung der beiden Raketenstufen. Beim ersten Start sollten die Triebwerke des Starship erst gezündet werden, nachdem es sich von der ersten Raketenstufe (Super Heavy genannt) gelöst hat. Beim jetzigen Start feuerten die Triebwerke des Starship bereits, als die beiden Stufen noch miteinander verbunden waren. Der Vorteil ist, dass die Rakete so weniger Treibstoff braucht, um den Weltraum zu erreichen. Dafür ist die Super Heavy aber kurzzeitig den heissen Abgasen des Starships ausgesetzt. Ob das der Grund für die Explosion der ersten Raketenstufe war, lässt sich derzeit noch nicht sagen.
Stärker als die Saturn-V-Rakete
Das Starship ist die grösste und leistungsfähigste Rakete, die jemals gebaut wurde. Sie stellt nicht nur die neue Mondrakete der Nasa – das sogenannte Space Launch System – in den Schatten. Das Starship entwickelt auch fast doppelt so viel Schub wie die legendäre Saturn-V-Rakete, die in den 1960er Jahren die ersten amerikanischen Astronauten zum Mond beförderte.
Mehr Schub bedeutet grössere Nutzlasten. So soll das Starship in Zukunft Ladungen von 100 Tonnen und mehr in eine erdnahe Umlaufbahn befördern. Davon profitiert zuallererst SpaceX selbst. Mit dem Starship wird das Unternehmen sein Starlink-Satellitennetzwerk noch schneller ausbauen können als bisher. Derzeit kann SpaceX pro Flug rund 20 Satelliten im Weltraum aussetzen. Mit dem Starship werden es 50 bis 100 sein. Dem hat die Konkurrenz nichts entgegenzusetzen.
Auch preislich könnte das Starship in neue Dimensionen vorstossen. Offizielle Angaben zu den Kosten gibt es zwar noch nicht. Elon Musk, der Gründer von SpaceX, hat aber angedeutet, dass ein Flug in Zukunft weniger als 10 Millionen Dollar kosten könnte. Bei einer Frachtkapazität von 100 Tonnen oder mehr hiesse das, dass Kunden in Zukunft weniger als 100 Dollar pro Kilogramm Fracht bezahlen müssten. Bevor SpaceX die Bühne betrat, hatte der Preis in der Grössenordnung von 10 000 Dollar pro Kilogramm gelegen. Das lässt erahnen, wie sehr das Starship die bemannte und die unbemannte Raumfahrt beflügeln könnte.
Möglich ist das, weil SpaceX seit seiner Gründung im Jahr 2002 konsequent auf die Wiederverwendung von Raketen setzt. Die teuerste Komponente einer Rakete ist in der Regel die erste Raketenstufe. Nach dem Start wird diese normalerweise abgeworfen und landet im Meer. Nicht so bei SpaceX. Nach getaner Arbeit kehrt die Raketenstufe zur Erde zurück und landet senkrecht auf dem Boden oder auf einer schwimmenden Plattform im Meer. Nach minimalen Ausbesserungen steht sie für weitere Flüge parat. Manche der Raketenstufen sind inzwischen mehr als ein Dutzend mal geflogen. Und trotzdem hatte SpaceX in den letzten Jahren keinen einzigen Fehlstart zu verzeichnen.
Mit dem Starship geht SpaceX sogar noch einen Schritt weiter. Zum ersten Mal möchte das Unternehmen nicht nur die erste Raketenstufe, die Super Heavy, wiederverwenden, sondern auch die zweite. Beide Stufen sollen bei späteren Flügen senkrecht landen und dann für den nächsten Flug vorbereitet werden.
Derzeit ist das allerdings noch Zukunftsmusik. Der Flug vom Samstag diente in erster Linie dazu, die Triebwerke und das Trennen der beiden Raketenstufen zu testen. Eine sanfte Landung war noch nicht vorgesehen. Die steht erst bei den nächsten Testflügen auf dem Programm.
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