Bundesrat Rösti will den Ausbau der verschiedenen Verkehrsträger zeitlich koppeln und priorisieren. Die Schiene ist davon stärker betroffen als die Strasse.
Die Schweiz stimmt den Ausbau der Bahn und jenen der Strasse schon länger aufeinander ab. Am weitesten geht sie gegenwärtig in Graubünden: Der Kanton und der Bund planen bei Fideris im Prättigau ein neues Teilstück der N 28 nach Klosters, um das Nationalstrassennetz fertigzustellen. Heute zwängen sich die Strasse und die Bahn durch das enge Tal. Für die Bahn ist ein Tunnel vorgesehen, dank dem die Strasse neu gebaut werden kann.
Bundesrat Albert Rösti (SVP) will die Ausbauten der Bahn, der Nationalstrassen und des Agglomerationsverkehrs künftig noch enger miteinander verzahnen, wie er am Dienstag vor den Medien in Bern sagte. Er reagiert damit auf das Volksnein zur Autobahn-Vorlage im November und auf die Mehrkosten von 14 Milliarden Franken beim Bahnausbau. Mit diesen rechnet der Bund, weil für das stark verbesserte Angebot ab dem Jahr 2035 zusätzliche Baumassnahmen nötig sind und bestehende Projekte teurer werden. Verkürzt gesagt stellt sich also die Frage, welche Bahnausbauten finanzierbar und realisierbar sind und welche Autobahnprojekte mehrheitsfähig.
«Wir wollen die Herausforderungen als Chance nutzen, um eine verkehrsträgerübergreifende Planung zu machen», sagte Rösti. Sein Departement, das Uvek, will künftig alle Ausbauprogramme (Bahn, Autobahn, Agglomerationsverkehr) gemeinsam vorlegen und behandeln. «Wenn wir diese gleichzeitig diskutieren, können wir klar aufzeigen, dass es alle Verkehrsträger braucht», sagte Rösti. Bei der Autobahn-Vorlage sei es nicht gelungen, das Zusammenspiel mit der Bahn und den Agglomerationsprojekten zu vermitteln.
Bis zu zehn Jahre Verzögerung
Das Projekt läuft unter dem Namen «Verkehr 45» und soll aufzeigen, was es für ein leistungsfähiges Verkehrssystem bis ins Jahr 2045 braucht. Das Uvek untersucht, welche Projekte Priorität haben und welche später realisiert werden können, bei der Schiene und der Strasse. Es zieht dazu externe Expertise bei: Ulrich Weidmann, Professor für Verkehrssysteme an der ETH Zürich, führt die Überprüfung mit den Bundesämtern für Verkehr (BAV), Strassen (Astra) und Raumplanung (ARE) durch.
Die Bahn ist stärker betroffen, weil es bei ihr zu hohen Mehrkosten kommt. Alle vom Parlament beschlossenen Projekte, für die noch keine Baubewilligung vorliege, würden überprüft, sagte die BAV-Direktorin Christa Hostettler. Der Bund stoppt beschlossene Ausbauten zwar nicht und führt die Planungsarbeiten fort. Je nach den Ergebnissen der Priorisierung könnten sich aber manche Vorhaben um bis zu zehn Jahre verzögern, wie Rösti einräumte. Alle Projekte hätten einen Nutzen, aber bei manchen sei dieser grösser als bei anderen, sagte Hostettler.
Insgesamt sind es über 260 Bahnprojekte, die Weidmann und der Bund durchleuchten, wie ein Sprecher des BAV der NZZ sagte. Darunter sind 180 Projekte, die beschlossen sind, aber für die noch keine Baubewilligung vorliegt – von grossen Ausbauten wie der Anbindung des Euro-Airports bei Basel, den geplanten Tunnels zwischen Neuenburg und La Chaux-de-Fonds, bei Fideris und zwischen Thalwil und Zug (Zimmerberg II) bis zu kleineren Vorhaben wie zusätzlichen Wendegleisen. Das zeigt eine Liste des BAV.
Dazu kommen jene sechs Projekte, die der Bund im Auftrag des Parlaments prioritär prüfen muss, darunter die Tiefbahnhöfe Luzern und Basel, die Ausbauten zwischen Winterthur und St. Gallen sowie zwischen Lausanne und Bern und der Grimseltunnel. Ebenfalls in die Überprüfung fliessen 80 Projekte ein, die für die Konsolidierung des Angebots ab 2035 nötig sind. Wegen der zeitlichen Koppelung mit den anderen Verkehrsträgern verzögert sich zudem die nächste Botschaft für den Bahnausbau, die der Bundesrat 2026 vorlegen wollte, um ein Jahr.
Abgelehnte Strassenprojekte nochmals prüfen
Weniger stark betroffen ist die Strasse. Nach dem Nein zur Ausbauvorlage steht eher zu viel als zu wenig Geld zur Verfügung. Alle Projekte, denen das Parlament schon früher zugestimmt habe, würden realisiert, sagte der Astra-Direktor Jürg Röthlisberger am Rande der Medienkonferenz. Darunter sind auch die wenigen Ausbauten, die noch in der Projektphase sind, etwa der Bypass Luzern. Weidmann und der Bund überprüfen bei den Nationalstrassen neben künftigen Vorhaben auch jene sechs Ausbauten, die das Volk abgelehnt hat. Gemäss Rösti ist es denkbar, dass ein Teil dieser Projekte in einem nächsten Schritt wieder aufs Tapet kommt.
Weidmann soll seine Ergebnisse bis im Herbst vorlegen. Sie dienen Rösti und dem Bundesrat als Grundlage, um das weitere Vorgehen festzulegen. Das Uvek hat eine Gruppe eingesetzt, die Weidmanns Arbeiten begleitet, mit den Präsidenten der Verkehrskommissionen des Parlaments, den Kantonen sowie den SBB. Dazu kommt ein «Sounding-Board» mit dem Städte- und Gemeindeverband sowie Verkehrsverbänden. Diese hatte das Uvek bereits am Dienstagvormittag an einem runden Tisch über seine Pläne informiert. Gemäss Rösti waren die Reaktionen positiv.
Tatsächlich begrüssen die Präsidenten der kantonalen Bau- und ÖV-Direktoren, die Regierungsräte Jean-François Steiert (Freiburg, SP) beziehungsweise Fabian Peter (Luzern, FDP), die Pläne. «Eine gesamtheitliche Sicht wird immer wichtiger, wenn wir unsere Mobilität trotz wachsender Bevölkerung effizienter und umweltfreundlicher organisieren wollen», hielt Steiert fest.
Es gibt aber auch skeptische Töne. So stellt sich der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) gegen eine umfassende Kopplung der Ausbauten der Bahn und der Nationalstrassen. Sie würde zu viele Themen vermischen und wäre riskant, weil sich die Nein-Gründe kumulierten, schrieb der VöV in einer Stellungnahme. Rösti liess am Dienstag offen, ob die Ausbauvorlagen für die Eisen- und Autobahn sowie den Agglomerationsverkehr in einem gemeinsamen Beschluss oder getrennt behandelt werden sollen. Das Ziel sei eine moderne und gesamtheitliche Planung.