Mit den Jahren nimmt die Leistung des Immunsystems ab. Ein paar Massnahmen gibt es aber, um die körpereigene Abwehr zu stärken.
Leserfrage: Bei Prostatakrebs sagt man, im höheren Alter müsse man einen Tumor nicht mehr behandeln, weil er so langsam wächst. Hat das damit zu tun, dass die Zellteilung im Alter langsamer abläuft? Allgemein tritt Krebs im Alter ja aber häufiger auf – weil das Immunsystem schwächer ist?
Prostatakrebs wächst in der Tat üblicherweise sehr langsam – allerdings in jedem Lebensalter. Bei jungen Männern ist diese Krebsart einfach sehr selten, der grösste Risikofaktor ist ein höheres Alter. «Mit 80 Jahren haben drei von vier Männern einen nachweisbaren Prostatakrebs», sagt Peter Albers, Urologe am Universitätsklinikum Düsseldorf und am Deutschen Krebsforschungszentrum. «Weil diese Tumoren so langsam wachsen, müssen sie meistens im höheren Alter nicht sofort behandelt, sondern nur überwacht werden», so Albers. Warum Prostatakrebs im Gegensatz zu anderen Tumoren so langsam wächst, darüber gibt es gemäss Albers nur Spekulationen. Die meisten Betroffenen haben jedenfalls kaum Beschwerden und sterben schliesslich nicht am Krebs.
Grundsätzlich teilen sich unsere Körperzellen im Alter tatsächlich langsamer. Ob sich aber auch Tumorzellen weniger schnell teilen, wenn wir älter werden, darüber gibt es aus der Forschung bis jetzt keine klare Antwort. «Die Teilungsgeschwindigkeit unterscheidet sich je nach Krebsart und Mutation, die einem Tumor zugrunde liegt», sagt Katja Simon, die am Max-Delbrück-Center in Berlin zum Zusammenhang von Alter und Immunsystem forscht.
Krebs entsteht, wenn normale Körperzellen im Laufe der Jahre und Jahrzehnte Mutationen ansammeln, die ihnen aussergewöhnliche Eigenschaften verleihen. Dazu gehört, dass die Zellteilung nach der normalen Lebensspanne einer Zelle nicht gestoppt wird. Sie werden unsterblich, wenn es dem Immunsystem oder mithilfe von Therapien nicht gelingt, die Krebszellen zu zerstören. Dass sich Tumorzellen im höheren Lebensalter grundsätzlich langsamer teilen würden, damit ist gemäss Simon nicht zu rechnen.
Schädlicher Hilferuf von Immunzellen
Was das Immunsystem anbelangt, ist es leider tatsächlich so, dass dieses mit zunehmendem Alter schwächer wird. Die Folge: Die Häufigkeit zahlreicher Erkrankungen nimmt zu – von Infektionen bis Krebs. Spezifisch für Krebs ist, dass das alternde Immunsystem mehr Mühe hat, sowohl Krebszellen zu erkennen als auch diese zu zerstören. Hinzu kommt ein weiterer Effekt: Gewisse Immunzellen schütten im Alter vermehrt Botenstoffe, sogenannte Zytokine, aus. Damit wollen sie andere Immunzellen zu Hilfe rufen – wahrscheinlich, weil sie selbst weniger effektiv funktionieren.
Der hohe Zytokinspiegel wirkt wie ein ständiges Alarmsignal für das Immunsystem. So sorgen ausgerechnet die geschwächten Immunzellen dafür, dass das gesamte Immunsystem besonders stark aktiviert ist und eine chronische Entzündung entsteht. Diese Entzündungen tragen zu vielen der typischen Altersbeschwerden und zur allgemeinen Alterung unserer Organe bei – auch zur Entstehung von Krebs. Die Immunzellen sind massgeblich, aber nicht allein daran schuld, auch andere alternde Körperzellen befeuern diesen Prozess. Das wird auch Inflammaging genannt – eine Wortkombination von Inflammation und Aging. Die Altersprozesse des Immunsystems haben also einen doppelt negativen Effekt: Es entsteht häufiger Krebs, und wenn er entsteht, kann er weniger effektiv bekämpft werden.
Warum unser Immunsystem im Alter schwächer wird, ist derzeit ein grosses Thema in der Forschung. Die entsprechenden Mechanismen werden immer besser verstanden. Dazu gehört, dass unser Körper im Laufe des Lebens dauernd einer immer grösseren Palette von Erregern wie Bakterien, Viren und mutierten Zellen ausgesetzt ist. Die T-Zellen des Immunsystems haben die Aufgabe, solche Erreger zu erkennen und sich anschliessend als Gedächtniszellen an sie zu erinnern. Allerdings gibt es mit der Zeit nicht mehr genügend T-Zellen, die noch auf neue Bedrohungen reagieren können. Gleichzeitig ist unsere Abwehr mit zunehmendem Alter immer mehr damit beschäftigt, alte, nicht mehr funktionsfähige Körperzellen zu entsorgen. Die Aufgaben nehmen also zu, aber unsere Immunzellen sind ihnen weniger gut gewachsen.
Diese Prozesse finden ab einem Alter von etwa 65 Jahren statt. «Bis zum Alter von 75 gibt es zwischen den Menschen noch grosse Unterschiede. Ab 75 Jahren aber ist das Immunsystem bei allen Menschen schwächer», sagt Simon.
Das sind düstere Aussichten für das Alter. Aber lässt sich unser Immunsystem stärken? Bis zu einem gewissen Grad ist das gemäss Simon möglich. Was hilft: eine ausgewogene Ernährung, viel Bewegung und genügend Schlaf. Was die Ernährung anbelangt, gibt es gemäss Simon Anzeichen, dass eine begrenzte Kalorienzufuhr und gelegentliches Fasten sich positiv auswirken. Den genauen Zusammenhängen geht ihre Forschungsgruppe derzeit nach. Auch wenn in der Langlebigkeitsmedizin intensiv daran geforscht wird: Bis jetzt lässt sich der Prozess des alternden Immunsystems zwar ein wenig hinauszögern, aber nicht aufhalten.