Die Berner schneiden in der Champions League so schlecht ab wie nie ein Schweizer Team zuvor. In acht Spielen holen sie keinen einzigen Punkt, von 36 Teams belegen sie Rang 36.
Die Champions League lockt das Berner Volk auch im Januar und nach sieben Niederlagen am Stück noch an. 31 500 kommen am Mittwochabend ins Wankdorf-Stadion, ausverkauft, doch nach dem Schlusspfiff eilen sie schnell nach Hause. 0:1 gegen Roter Stern Belgrad. Die Ehrenrunde tut sich nur der harte Kern noch an.
Die Niederlage gegen die Serben ist der Schlusspunkt unter die Berner Reise durch Europa, und er passt zu dieser Kampagne, die abgesehen vom Überraschungssieg im Playoff gegen Galatasaray ganz und gar verunglückt ist. Acht Spiele haben die Young Boys in der Ligaphase bestritten. Sie verloren gegen Barcelona und Inter Mailand, europäische Grössen. Sie verloren auch gegen Celtic Glasgow, Schachtjor Donezk und Roter Stern Belgrad. Es gab Abende, an denen sie untergingen, und andere, an denen sie wacker mithielten. Aber am Ende verloren sie immer.
Jedes Spiel verloren. Das ist noch nie einem Schweizer Klub in der Champions League passiert, in all den Jahren nicht.
Im Dezember, nach dem 1:5 gegen Stuttgart, schrieb die NZZ, dass die Young Boys wie der mittellose Gast an einer Luxusparty wirkten. Nur zwei Teilnehmer haben einen Kader mit einem tiefern Gesamtwert als die Berner. Doch am Mittwochabend, gegen Roter Stern Belgrad, kam ein anderer mittelloser Gast nach Bern.
Als die Serben nach 69 Minuten das 1:0 erzielten, hatten sie sich das redlich verdient, und es war nicht so, dass die Berner sich danach gegen die Niederlage auflehnten. Sie verpassten auch die letzte Gelegenheit, zu zeigen, dass sie in die Champions League gehören. In den acht Spielen gelangen ihnen drei Tore. Gegentore: 24. Schlussrang: 36, von 36 Teilnehmen.
Als Sportchef Steve von Bergen hinterher Bilanz ziehen soll, zeigt er zuerst, dass ihm die Frage keine Freude macht. Dann sagt von Bergen, die Null-Punkte-Bilanz treffe die Young Boys schon ein bisschen im Stolz, aber es seien auch nur zwei der Gegner auf Berner Augenhöhe gewesen.
Den Basler Habitus entwickelte YB in Europa nie
Bald sieben Jahre ist es nun her, dass die Berner 2018 erstmals seit 32 Jahren Schweizer Meister wurden. Seither spielten sie vier Mal in der Champions League mit, doch über den Status des Punktelieferanten sind sie nie herausgekommen, stets landeten sie auf dem letzten Platz.
Ein Exploit gelang den Bernern in all den Jahren nie, anders als dem FC Basel, der bei seinen acht Teilnahmen drei Achtelfinals erreicht hat und dreimal Gruppendritter wurde. Das hat auch damit zu tun, dass die Basler den Wettbewerb mit einem anderen Habitus angingen. Das unterstreicht etwa der Transfer von Alex Frei. Der Stürmer kam 2009 aus Dortmund zurück nach Basel, für sechs Millionen Franken.
In Bern haben sie die Champions League immer etwas anders gehandhabt, realistischer, nüchterner. Einen Transfer wie den von Frei haben sie sich in all den Jahren nie geleistet. 2018, nach dem Meistertitel, sagte Christoph Spycher mit Blick auf die Champions League, man werde jetzt nicht anfangen, «verrückte Dinge zu tun». So haben die Berner das seither gehalten, und so, das macht Sportchef von Bergen klar, werden sie es auch weiterhin halten.
Zur Berner Entschuldigung sei gesagt, dass die Basler Erfolge in der Champions League zwar erst ein paar Jahre her sind, aber mehrheitlich doch aus ein anderen Fussballepoche stammen. Die finanziellen Verhältnisse haben sich seither verändert, und das nicht zu Gunsten kleinerer Ligen wie der Schweiz.
Das alles lässt sich anhand der Money League des Beratungsunternehmens Deloitte gut nachzeichnen. Dort werden Jahr für Jahr die 20 umsatzstärksten Fussballklubs der Welt aufgelistet. Real Madrid führte die Ausgabe vor zehn Jahren an und auch die aktuelle. Zuletzt generierten die Spanier einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Das ist ungefähr doppelt so viel wie zehn Jahre davor, und in einem ähnlichen Rahmen hat sich auch die finanzielle Potenz der 20 anderen finanzstärksten Klubs entwickelt.
In der Schweiz setzten die Young Boys zuletzt 104 Millionen Franken um; der FC Basel hatte sich bereits zehn Jahre zuvor in ähnlichen Sphären bewegt. Während anderswo die Einnahmen aus Fernsehgeldern und Werbung viel stärker als damals sprudeln, stehen die Schweizer Klubs still, weil ihr Heimmarkt nicht mehr hergibt.
Und so suchen sie ihren Platz in Europa, und wenn sie dann in der Champions League mitmischen dürfen, wirken Kräfte auf sie, die sie kaum kontrollieren können, auf dem Platz und daneben. Das zeigte sich diesen Herbst. Die Young Boys starteten als fragiles Gebilde, und sie blieben das auch. Das hatte mit vielen Dingen zu tun, mit der Struktur ihres Kaders und seiner Qualität, mit Haltung und Hierarchie, aber natürlich auch mit der Champions League.
Christoph Spycher, der Chef von Sportchef von Bergen, sagte im Herbst einmal, bei einem Spiel wie jenem in Istanbul entstehe die Spannung in einem Fussballer wie von selbst. Doch wenn rundherum wenig passiere, sei es die Aufgabe der Spieler, diese aufzubauen. An dieser Aufgabe sind die Berner gescheitert, weil die Champions League viele Kräfte band, den Super-League-Alltag grau erscheinen liess. Sie war im Berner Krisenherbst ein Brandbeschleuniger.
35 Millionen Franken Schmerzensgeld für YB
Das alles führt auch zur Frage, ob es für den Schweizer Fussball nun gut oder schlecht ist, wenn er einen Vertreter in der Champions League stellen kann. Gut ist das, völlig klar, so lautete die gängige Antwort, natürlich auch von Steve von Bergen.
Aber stimmt das wirklich? Ist nicht die Europa League, gar die Conference League das natürliche Habitat für einen Schweizer Verein, weil er dort eher auf Gegner seiner Gewichtsklasse trifft? Ist es für den hiesigen Fussball wirklich gut, wenn die Young Boys in der Champions League viele Niederlagen einsammeln – und gleichzeitig rund 35 Millionen Franken Einnahmen, die sie der heimischen Konkurrenz weiter enteilen lassen werden, weil Geld am Ende immer gewinnt, auch wenn es momentan etwas anders aussieht?
In der 5-Jahres-Wertung der Uefa steht die Schweiz jedenfalls gerade nicht gut da, sie läuft Gefahr, aus den Top 15 zu fallen und in der Saison 2026/27 einen europäischen Startplatz zu verlieren. Das hat nicht nur, aber auch mit den Young Boys zu tun; diese Saison steuert der FC Lugano die meisten Schweizer Punkte bei, weil er in der Conference League viele Siege errungen hat.
Davon gab es für die Young Boys in der Champions League bekanntlich keinen einzigen. Für sie geht es nun darum, in der Super League eine verkorkste Saison einigermassen zurechtzurücken. Er sei froh, dass man sich jetzt auf die Meisterschaft konzentrieren könne, sagte YB-Captain Loris Benito nach dem Spiel. Ein erstes Tor unter Giorgio Contini, dem neuen Trainer, wäre ein Anfang. Er wartet jetzt schon vier Spiele.