Für Big Tech lief das Geschäft im letzten Quartal sehr gut. Doch der neue chinesische Konkurrent Deepseek sorgt für Unsicherheit. Besonders die milliardenschweren Investitionen in KI-Infrastruktur sehen manche Investoren nun kritisch.
Eigentlich könnte es eine hervorragende Woche für Amerikas Tech-Konzerne sein: Apple, Meta und Microsoft, die als erste ihre Quartalsergebnisse vermeldeten, verzeichneten alle ein starkes Weihnachtsgeschäft. Speziell Apple und Meta erzielten zwischen Oktober und Dezember neue Umsatzrekorde mit 124 Milliarden beziehungsweise 48,4 Milliarden Dollar.
Doch ob auch die Zukunft von Big Tech so rosig sein wird, ist seit dieser Woche etwas weniger klar. Das jüngste KI-Modell des chinesischen Startups Deepseek hat Amerikas Tech-Sektor erschüttert. Deepseek ist der Inbegriff dessen, was man im englischen Wettkampf-Jargon ein «Dark Horse» nennt – ein wenig bekannter Mitstreiter, der plötzlich an allen anderen vorbeizieht.
Für die kalifornischen Konzerne steht dabei nicht nur Ruhm und Ehre auf dem Spiel. Es geht um sehr viel Geld: Basierend auf dem Credo, dass die teuerste KI auch die beste ist, hat Big Tech zuletzt enorme Summen in KI und KI-Infrastruktur gesteckt. Allein bei Meta und Microsoft waren es zwischen Oktober und Dezember zusammengerechnet 37,4 Milliarden Dollar.
Solche Summen können sich nur sehr, sehr wenige Konzerne leisten – deswegen wähnte man sich als führend im globalen KI-Wettrennen. Doch Deepseek hat diese Markteintrittsbarriere gerade niedergetrampelt. Nun ist bewiesen, dass ein Startup mit ein paar Millionen Dollar in der Hand gute, ja sogar bessere KI-Modelle und Chatbots herausbringen kann als die wohlhabendsten Konzerne unserer Zeit. Wartet das nächste «Dark Horse» bereits in den Startlöchern? Das ist die grösste Angst der Investoren.
Apple zieht einzelne KI-Funktionen zurück
Apples CEO Tim Cook versuchte sie am Donnerstag zu beschwichtigen und demonstrierte Selbstbewusstsein. «Innovation, die die Effizienz steigert, ist eine gute Sache, und das ist es, was Sie an (Deepseeks) Modell sehen», sagte er im Telefonat mit Analysten. Apples enge Integration von hauseigenen Chips und Software werde dem Konzern weiterhin gute Dienste leisten. Und punkto Investitionsausgaben habe Apple schon immer einen «sehr vorsichtigen, bewussten Ansatz» gewählt.
Tatsächlich waren Apples Aktien zu Wochenanfang trotz dem «Deepseek-Schock» gar gestiegen. Das dürfte auch daran liegen, dass die hauseigene KI namens «Apple Intelligence» betont auf Datenschutz setzt. Speziell im Vergleich zu einem chinesischen Wettbewerber dürfte das ein wichtiges Differenzierungsmerkmal sein.
Ob es Apple dank seiner KI schaffen wird, die Nachfrage nach dem iPhone neu zu beleben, darauf liefern die jüngsten Zahlen keine klare Antwort. Auch nach bald 18 Jahren ist das Gerät die Zuglok des Konzerns und macht mehr als die Hälfte des Umsatzes aus.
Um «Apple Intelligence» zu nutzen, benötigt man ein neueres, leistungsstarkes Gerät. Tatsächlich haben sich laut Cook im vergangenen Quartal so viele Nutzer ein neueres iPhone-Modell zugelegt wie nie zuvor. Doch die Nachfrage speziell nach dem iPhone 16 sink im Jahresvergleich um ein Prozent. Und der Konzern kämpft auch mit anderen Rückschlägen: Die KI-Funktionen der Nachrichtenzusammenfassung etwa zog Apple im Januar zurück, weil die KI dabei schwere Fehler machte.
Der CEO machte zudem vage Andeutungen, dass sich die Gerüchte eines faltbaren iPhones womöglich bewahrheiten könnten. Auf die Nachfrage eines Analysten zu künftigen Smartphones, sagte er: «Es wird sehr viel mehr kommen und ich könnte nicht optimistischer sein, was unsere Produktpalette angeht. Im Smartphone steckt noch ganz viel Potenzial für Innovation.» Die Apple-Aktien legten am Donnerstag im nachbörslichen Verkauf um vier Prozent zu.
Meta seziert und kopiert Deepseeks Modell
Auch der Meta-Konzern gab sich am Mittwoch bei der Präsentation seiner Quartalszahlen betont selbstbewusst. Tatsächlich fielen diese gut aus, denn Metas Anzeigenmarkt hat von den eingeführten KI-Verbesserungen stark profitiert: Der Konzern hat seinen Gewinn um 49 Prozent im Jahresvergleich auf 20,8 Milliarden Dollar gesteigert. Der CEO Mark Zuckerberg sagte auch, dass die neue Plattform Threads bisher etwa 100 Millionen Nutzer habe und man beginne, dort Werbeanzeigen zu testen.
Zuckerberg sah diese Zahlen als Bestätigung für seine Strategie, Hunderte Milliarden von Dollar in KI-Infrastruktur zu stecken. Genügend Rechenleistung zu haben, sei entscheidend für das Erreichen von Metas Zielen. «Das wird langfristig ein strategischer Vorteil von uns sein.» Anders als Deepseek habe Meta Milliarden von Kunden, die es bedienen müsse.
Gemäss Medienberichten hatte Deepseek jedoch beim Meta-Konzern Panik ausbrechen lassen. Zuckerberg bestätigte Meldungen, dass man dabei sei, das Modell der Konkurrenz zu sezieren, um die eigene KI zu verbessern. «So funktioniert die Tech-Industrie», sagte er, «jeder neue Wettbewerber wird Fortschritte machen, von denen der Rest der Branche lernt.»
Ähnlich wie Deepseek verfolgt Meta einen Open-Source-Ansatz – zumindest teilweise. Im Gegensatz zu Microsoft, Alphabet und Open AI verdient Meta mit KI-Modellen nicht primär, indem es diese an Kunden lizenziert, sondern indem es dank der KI seine eigenen Anzeigeneinnahmen und die Verweildauer der Nutzer steigert. Der Konzern hat dabei einerseits ein gratis Open-Source-Modell namens Llama, mit dem Entwickler ihre eigenen Anwendungen erstellen können, andererseits hat es KI-Modelle, die es nicht öffentlich teilt. Wie Zuckerberg am Mittwoch sagte, plane man auch die Entwicklung eines hauseigenen KI-Ingenieurs, der Code zu Metas Forschung und Entwicklung beisteuern wird.
Microsoft bietet Deepseeks Modell bereits seinen Kunden an
Auch bei Microsoft stand der CEO unter Druck, angesichts der neuen, schlankeren Konkurrenz die Milliardeninvestitionen in KI-Infrastruktur zu rechtfertigen – allein im vergangenen Quartal waren das 22,6 Milliarden Dollar, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr.
Doch mit Blick auf die neue Konkurrenz aus China gab sich Satya Nadella gelassen: «Das sind aus meiner Sicht alles gute Nachrichten». Die von Deepseek verwendeten Techniken würden «alle zur Massenware werden» und in der Branche bald weit verbreitet sein. Von diesen Effizienzsteigerungen würden auch Microsofts Cloud-Computing- und PC-Geschäft profitieren.
Microsoft integrierte am Mittwoch gleich das R1-Modell von Deepseek in seine Datenwolke Azure.
Der Konzern setzt ganz auf die KI-Karte: Im laufenden Finanzjahr will er etwa 80 Milliarden Dollar in KI-Datenzentren investieren – etwa 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Zudem bewirbt Microsoft seinen Kunden gegenüber aggressiv die hauseigene KI namens Copilot, die für Kunden Texte verfassen und Videotelefonate zusammenfassen kann, und nimmt diese als Anlass für Preissteigerungen. Darüber hinaus hat Microsoft bisher etwa 13 Milliarden Dollar in Open AI gesteckt.
Nadella wurde im Telefonat mit Analysten auch auf diese Partnerschaft angesprochen und die Tatsache, dass Open AI künftig auch die Dienste anderer Cloud-Anbieter nutzen wird. Man sei mit der Partnerschaft weiterhin zufrieden, antwortete Nadella. «Deren Erfolg ist unser Erfolg.»