Winterthurs Bauordnung erhält vorerst keine Grünflächenziffer. Abgeschlossen ist das Thema damit aber noch nicht.
Der Stadtrat Winterthur geht bei der Teilrevision der Bau- und Zonenordnung (BZO) über die Bücher. Wie er am Freitag in einer Mitteilung schreibt, will er vorerst darauf verzichten, für Grundstücke Mindestanteile an Grünflächen – eine sogenannte Grünflächenziffer – einzuführen. Damit kommt er dem Wunsch einer Allianz aus sechs Fraktionen im Stadtparlament nach.
Kern der Teilrevision ist die schweizweite Harmonisierung der Baubegriffe. Dabei ersetzt die Grünflächenziffer die Freiflächenziffer. Während die Freiflächenziffer sämtliche nicht bebauten Flächen enthält, also auch Wege, Spiel- oder Kiesplätze, umfasst die Grünflächenziffer nur gänzlich unversiegelte Böden.
Der Stadtrat hatte in Wohnzonen einen Grünflächenanteil von bis zu 65 Prozent vorgeschlagen, in Zentrums- und Arbeitsplatzzonen 30 bis 40 Prozent. Eine stattliche Steigerung verglichen mit der bis anhin geltenden Freiflächenziffer von 20 Prozent.
Sogar den Grünen ging die Idee des Stadtrats zu weit. Gemeinsam mit FDP, Mitte, EVP, GLP und SVP forderten sie den sofortigen Rückzug der Vorlage.
Reto Diener, Vorstand der Winterthurer Grünen, schreibt auf Anfrage, seine Partei werde sich weiterhin energisch für «eine möglichst starke Grünflächenziffer» einsetzen. Dass der Stadtrat die Grünflächenziffer nun zurückgezogen habe, sei zwar bedauerlich, «aber sachlogisch korrekt». Der Widerstand gegen den Vorschlag des Stadtrats sei erheblich gewesen. Realpolitisch sei es daher nicht angezeigt, die einschränkende Vorwirkung im Baubewilligungsprozess aufrechtzuerhalten.
Obwohl die Teilrevision sich erst in der Vernehmlassung befunden hatte, mussten Bauwillige die Anpassungen in ihren Gesuchen bereits berücksichtigen. Die Rede ist dann von einer sogenannt negativen Vorwirkung. Die Verunsicherung in der Winterthurer Baubranche war in der Folge gross, viele befürchteten, ihre Vorhaben würden verzögert oder gar verhindert.
Verdichten mit Mass
Stadträtin Christa Meier (SP) ist Vorsteherin des Departements Bau und Mobilität. Im Gespräch mit der NZZ räumt sie ein, dass der Stadtrat bei der Grünflächenziffer die Anteile wohl zu hoch angesetzt habe.
Sie lässt aber das Argument der Kritiker nicht gelten, dass die Stadt ihren Vorschlag auf einer Studie abgestützt habe, die nichts mit der Realität in Winterthur zu tun habe. «Die Studie verglich das, was in Sachen Baudichte möglich ist, mit der tatsächlichen Ausnützung. Die Autoren kamen zum Schluss, dass die meisten Grundstücke weniger dicht bebaut sind als möglich.»
Die Höhe der Grünflächenziffern habe sich somit auf das Potenzial der Grünflächenanteile bezogen. «Winterthur ist eine Gartenstadt. Die BZO soll dazu beitragen, dass die Stadt diesen Charakter behält», sagt Meier. Das sei ein grosses Anliegen der Bevölkerung.
Meier sagt, es sei wichtig, darüber zu diskutieren, wie Winterthur mit dem Thema Verdichtung umgehen und gleichzeitig Grünflächen erhalten wolle. Der Stadtrat will sich dem Thema Grünflächenziffer deshalb im Rahmen der nächsten umfassenden BZO-Revision wieder zuwenden.
Die übrigen Punkte der Teilrevision seien unbestritten, sagt Meier. «Es wäre deshalb unverhältnismässig, die Vorlage als Ganzes zurückzuziehen.» Der Stadtrat werde nun bis spätestens Ende März eine neue Weisung ausarbeiten und dem Stadtparlament unterbreiten.
Bis Ende März Grünflächenziffer berücksichtigen
Bis dahin bleibt auch die negative Vorwirkung in Kraft. Baugesuche, über die bis Ende März entschieden wird, müssen die Grünflächenziffer also berücksichtigen. Sei das nicht der Fall, böten sie Angriffsfläche für Rekurse, sagt Meier. Das aber nur, wenn jemand den Baurechtsentscheid verlangt habe und somit rekursberechtigt sei.
Wie viele Baugesuche konkret betroffen seien, sei derzeit noch nicht klar, sagt Meier. «Wir gehen von einer überschaubaren Zahl aus.» Total seien 190 Baugesuche hängig, bei zehn Prozent davon seien Grünflächen relevant. Bei diesen stelle sich wiederum die Frage, ob das Baugesuch vor Ende März behandelt werde. «Hier besteht die Möglichkeit, dass die Baubehörde mit dem Entscheid zuwartet, bis die negative Vorwirkung nicht mehr gilt.» Die Stadt werde mit den betroffenen Bauherrschaften Kontakt aufnehmen.