Der Kunstsalon in der Messe Palexpo hat sich als Nummer zwei hinter der Art Basel etabliert. Doch in Gstaad erwächst neue Konkurrenz.
«Verkauft!», ruft der Galerist seinem Kollegen zu. Für wie viel? «Zehntausend.» Der Käufer ist gerade ausser Hörweite, der Galerist in Champagnerlaune. «Damit können wir einen Teil unserer Ausgaben decken.»
So ging es am Mittwochnachmittag an der Art Genève zu, an der Preview für VIP und Journalisten. Einen Tag bevor der Kunstsalon am Donnerstag seine Pforten fürs breitere Publikum öffnete. Wie die Geschäfte anliefen? Schwer zu sagen. Der Herr von der HdM Gallery aus Peking sagte, die Art Genève sei in den dreizehn Jahren ihres Bestehens nie ein Knüller gewesen. «Die Leute kommen ein erstes Mal, gucken, kommen ein zweites Mal und . . .» Der Herr liess den Satz verhungern. Leider sei seine Galerie für die Art Basel, das Mekka der Kunstwelt, noch nicht wichtig genug.
Und dann das: der Verkaufserfolg seines Partners. Zehntausend – die Währung blieb offen – für ein Gemälde des chinesischen Künstlers Zheng Mengqiang, Jahrgang 1987. Ein Gemälde einer Solo-Show mit Szenen aus einem Film von Claude Lelouch: klobige Gestalten in der Ästhetik von Reiseplakaten aus den 1950er Jahren.
Zwischen Vielfalt und Beliebigkeit
Die einen wären also lieber woanders. Lokale Künstler freuen sich über die Art Genève als grosse Bühne. Und Dritte – ein paar namhafte Galerien – werfen mit ihrer Abwesenheit diese Frage auf: Was macht die Art Genève aus, was ist ihre Daseinsberechtigung, ihre Identität?
Die Vielfalt des Angebots ist gross, aber damit einher geht auch eine gewisse Beliebigkeit. Gut achtzig Galerien sind anwesend, viele aus Genf, einige aus der Romandie, auch aus Zürich, andere aus Paris und London, ein paar aussereuropäische sind ebenfalls mit von der Partie. Gezeigt werden viel Malerei, ein paar Skulpturen, wenig Fotografie, und viel Design, oder genauer: «tragbare Kunst» – nämlich bunte Gürtel.
Dazu kommen rund zwanzig institutionelle Aussteller, wiederum viele aus Genf. Etwa die Plaza-Stiftung, die mit einem Mini-Kino einen Vorgeschmack auf das Haus für Kinokultur gibt, das sie gerade unweit vom Genfer Hauptbahnhof einrichtet. Und schliesslich Museen wie das Masi aus Lugano oder die Kunsthalle Winterthur.
Winterthur in Genf? Ja, und die Kunsthalle hat einiges zu bieten: einen wenig bekannten Vallotton, nämlich das Gemälde «L’homme poignardé», das einen nackten Mann mit Dolch in der Brust zeigt, ein bisschen wie auf Holbeins berühmtem «Totem Christus im Grab», nur mit wolkenschwerem Himmel.
«Das nehme ich», sagte laut dem Kurator David Schmidhauser schon der eine oder andere VIP-Sammler, um dann gleich enttäuscht zu werden: «Oh, da steht ja Museum drüber.» Unverkäuflich also – die Kunsthalle wirbt in Genf für ihre grosse Vallotton-Ausstellung, die sie im April zum 100. Geburtstag des in Lausanne geborenen Malers eröffnet.
Warhol und Basquiat
Grosse Namen gibt es auch an anderen Ständen, und diese Kunst steht zum Verkauf: Mitten in der Messehalle zieht ein später Picasso viel Aufmerksamkeit auf sich. 5,6 Millionen Dollar koste er, sagt Christopher Van de Weghe von der gleichnamigen New Yorker Galerie, die ausserdem Werke von Warhol, Liechtenstein und Basquiat zeigt. Und ja, sagt Van de Weghe, es gebe schon Interessenten.
Um die Ecke, bei Hauser & Wirth, gibt es eine Art Triptychon von Louise Bourgeois zu sehen. «La maladie de l’amour» heisst es, und die mit Bleistift geschriebenen Liebesbekundungen zerfleddern zusehends von oben nach unten, vom klaren «I love you» bis zum verwirrten «you why you».
«Kuratiert ist ein grosses Wort», sagt der für den Stand verantwortliche Kurator Carlo Knöll erfrischend offen. Mais le hasard fait bien les choses, wie es so schön heisst, der Zufall bekommt die Dinge gut hin. Und so findet Knöll auch Bezüge zwischen der Skulptur eines Kruges und einem Stillleben, zwischen dem rotblauen Stillleben und der gleichfarbigen Bourgeois-Arbeit, die er alle für die Art Genève zusammengestellt hat.
Eine Handvoll Werke habe Hauser & Wirth schon verkauft, sagt Knöll zufrieden, da sind gerade erst ein paar Stunden seit der Eröffnung vergangen. Und ja, insgesamt seien die Besucher in Genf schon zögerlicher, aber: «Nach dem langen Winter tut es der Schweiz gut, eine solche Messe zu haben, damit der ganze Kunstbetrieb Dynamik bekommt.»
Art Gstaad macht Konkurrenz
Neue Dynamik bekommt der Kunstbetrieb auch durch die Art Gstaad, die Mitte Februar zum zweiten Mal stattfindet. Und die sich offensichtlich durchaus zur Konkurrentin für die Art Genève mausert: Namhafte Galerien wie Gagosian, die zum Teil früher in Genf ausstellten, fehlen nun an der Art Genève und machen beim Gstaader Programm mit.
Aber auch das macht eben die Art Genève aus: die vielen lokalen und regionalen Aussteller und entsprechenden Künstler. In einer Ecke der Messehalle präsentiert sich etwa die Galerie Espace L, die fast genauso alt ist wie die Art Genève und die nun nach gut zehn Jahren erstmals wieder zurückkehrt. Der Salon habe «menschliche Dimensionen», sagt die Galeristin Leticia Maciel, im Gegensatz zur Mega-Messe Art Basel.
Espace L zeigt eine Gruppenschau junger Künstler, manche von ihnen noch in den Zwanzigern, die im fotorealistischen Cyberspace digitale Kunst neben Schweizer Wasserkraftwerken platziert haben – Skulpturen, Plastiken, Fundstücke. Mit einer Brille für virtuelle Realität kann man sich sozusagen an die Standorte beamen – aber besser lässt man die alberne Brille liegen. Die Originale in Genf sind viel interessanter, etwa eine verdrahtete Medusa des Brasilianers Paulo Wirz, die Fragen zum Verhältnis zwischen Mensch und Maschine aufwirft.
Allzu menschlich geht es schliesslich auch am Ausgang zu. Zwei grossgewachsene Security-Männer verengen die Tür und mustern jeden einzelnen Besucher. VIP hin oder her – wer eine Tasche trägt, muss sie öffnen. «Letztes Jahr hatten wir viele Diebstähle», sagt einer der Männer. Auch jetzt hätten sie bereits mehrfach Kunstwerke in Jutebeuteln gefunden.