Die EU-Kommissions-Präsidentin will die Autobranche mit einem «strategischen Dialog» aus dem Tief ziehen. Heftig umstritten ist, wie rasch dem Elektroauto zum Durchbruch verholfen werden soll.
Rund um Europas Autoindustrie herrscht Alarmstimmung. Es muss etwas passieren, davon sind viele Politiker überzeugt.
Wenn sich die Lage dramatisch präsentiert, ist meist auch die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen nicht weit. Man handle schnell, um die Probleme anzugehen, sagte sie am Donnerstag in Brüssel. Sie hat einen «strategischen Dialog» in Gang gesetzt, an dem Kommissions- und Industrievertreter sowie Gewerkschaften teilnehmen. Die Fäden laufen bei gleich fünf EU-Kommissaren zusammen.
Die Arbeitsgruppen werden sich um ein Problem kümmern, das entstanden ist, weil die EU ein Vorhaben zwar mit gutem Willen, aber möglicherweise weltfremd aufgesetzt hat: die Dekarbonisierung des Autoverkehrs.
«Verbrenner-Aus» auf der Kippe
Ab 2035 sollen in der EU nur noch Fahrzeuge in Betrieb genommen werden dürfen, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen fahren. Aus heutiger Sicht werden das in erster Linie E-Autos sein, denn hier ist die Technik weiter fortgeschritten als bei anderen Alternativen zum Verbrennermotor.
Allerdings droht das Vorhaben gerade zu scheitern.
Die Konsumenten kaufen viel zu wenige E-Autos. Deren Marktanteil bei den Zulassungen lag 2024 in der EU bei bloss 13,6 Prozent, die angestrebte Dekarbonisierung scheint in die Ferne gerückt zu sein.
Es drohen Milliardenbussen
Für die Autohersteller hat das kostspielige Folgen. Viele von ihnen schaffen es nicht, die Flottenziel-Grenzwerte beim CO2-Ausstoss zu erreichen, die ihnen die EU auferlegt hat. Das gilt besonders für Volkswagen, während beispielsweise BMW auf gutem Weg ist. Überschreiten die Produzenten die Grenzwerte, müssen sie Bussen in Milliardenhöhe bezahlen. Sie können allerdings auch CO2-Zertifikate kaufen oder zu einer radikalen Massnahme greifen: die Produktion drosseln.
Aber all das zehrt an der finanziellen Substanz der Hersteller, zumal sie mit einer rückläufigen Produktion zu kämpfen haben. Ferner benötigten sie das Kapital, um günstige E-Autos zu entwickeln. Die Probleme werden sich noch verschärfen, denn die Flotten der Hersteller dürfen im Durchschnitt gemäss den Vorschriften der EU immer weniger CO2 ausstossen.
Viele Autohersteller sind also in eine Sackgasse geraten. Das hat nicht nur die Kommission aufgeschreckt, sondern auch die Regierungen bedeutender Produktionsländer.
Drei französische Minister beispielsweise haben diese Woche in der Wirtschaftszeitung «Les Échos» warnend darauf hingewiesen, dass die Autoindustrie «in eine historische Krise» schlittere. In den vergangenen zwanzig Jahren ist die Autoproduktion in Frankreich bereits von 3,3 Millionen auf 1 Million Einheiten geschrumpft.
Das Minister-Trio will unbedingt verhindern, dass die Hersteller derart hohe Bussen bezahlen müssen, wie es in der EU vorgesehen ist. Die Kommission macht allerdings noch keine Anstalten, auf diese Forderung einzugehen. Das wäre auch unfair gegenüber jenen Herstellern wie BMW, welche sich bemüht haben, die Grenzwerte beim CO2 einzuhalten.
Realitätsfern war das Vorhaben des «Verbrenner-Aus» bis 2035 aber wohl trotzdem. Noch treffen die meisten Autokäufer beim Fahrzeugkauf einen rationalen Entscheid, und der spricht aus ihrer Sicht offenbar in vielen Fällen nicht für ein E-Auto. Ob zu Recht oder zu Unrecht – für sie sind die Kosten dieser Fahrzeuge zu hoch, deren Reichweite zu niedrig, und Aufladen gestaltet sich zu umständlich. Die Fachleute der Kommission meinten, der Übergang vom Verbrennungsmotor zur E-Mobilität geschehe linear. In der Wirklichkeit passiert das aber kaum.
Die Umwelt verschmutzen soll teurer werden
Dabei hat die EU eigentlich eine Lösung des Problems aufgegleist: die CO2-Bepreisung. Ab 2027 müssen auch die Händler von Benzin und Diesel für die ausgestossenen Treibhausgase bezahlen.
Mit dem Benzin- oder einem Dieselauto zu fahren, könnte dann in der EU teurer werden, E-Autos würden relativ billiger. Ein Sozialfonds für Haushalte mit geringer Kaufkraft soll allfällige Preisschocks abfedern. Noch ist aber offen, wie er ausgestaltet wird.
Das macht das Vorhaben angreifbar. So hat der polnische Ministerpräsident Donald Tusk, ein moderater Politiker, vor einer Woche die CO2-Bepreisung mit heftigen Worten infrage gestellt. Die Preise stiegen und das bringe die Bevölkerung gegen die Regierungen auf, meinte er.
In Brüssel dürfte daher immer härter um das «Verbrenner-Aus» gerungen werden. Für die Europäische Volkspartei (EVP), die grösste Fraktion im EU-Parlament, ist das «Verbrennerverbot» ein «industriepolitischer Fehler». Sie will es umstossen.
An der CO2-Bepreisung ab 2027 für Autos wollen aber namentlich die deutschen Parteien CDU und CSU, die Teil der EVP-Fraktion sind, festhalten. Darin unterscheiden sie sich von Tusk, dessen Bürgerplattform ebenfalls der EVP angehört.