Der designierte Geheimdienstchef sieht Trump als Opfer linker Intriganten, die zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Den Demokraten hingegen gilt er als blindwütiger Rächer. Am Donnerstag beginnt Patels Anhörung vor dem Senat.
Die amerikanische Presse hält im Allgemeinen wenig von Donald Trumps designiertem FBI-Direktor: «Kash Patel war gefährlich», schrieb der «Atlantic» im August über Patels erste Zeit im Weissen Haus ab 2019. Der frühere Staatsanwalt sei damals trotz bescheidenem Leistungsausweis schnell in verschiedenen Funktionen aufgestiegen. «Jeder neue Amtstitel löste neue Alarmsignale aus.» Als Trump ihn zum stellvertretenden FBI-Direktor ernennen wollte, soll sein Justizminister Bill Barr gesagt haben: «Nur über meine Leiche.» Und als der Präsident Patel auf den Posten des stellvertretenden CIA-Chefs hieven wollte, drohte die dortige Direktorin Gina Haspel mit ihrem Rücktritt.
Der heute 44-jährige Patel sieht das ganz anders. Aus seinem Blickwinkel ist nicht er eine Gefahr für Amerika, das sind vielmehr langjährige Funktionäre wie Barr oder Haspel, die nicht genügend loyal zu Trump stehen oder gar dessen Agenda hintertreiben. Haspel arbeitete sich im Auslandgeheimdienst während 33 Jahren von ganz unten nach ganz oben. Patel bezeichnet sie in seinem Buch «Government Gangsters» als «vollkommene Sumpf-Kreatur» – eine Anspielung auf Trumps altes Wahlversprechen, den elitären «Sumpf» in Washington trockenzulegen.
Gegen die «Tyrannen» des tiefen Staats
Am Ende des Buchs präsentiert Patel eine Liste mit 60 Personen. In seinen Augen handelt es sich hierbei um die «Exekutivmitglieder des tiefen Staats». Diesen sogenannten Deep State definiert Patel als eine bürokratische «Clique nichtgewählter Tyrannen, die denken, sie könnten darüber entscheiden, wen das amerikanische Volk zum Präsidenten wählen kann und wen nicht.» In Interviews erklärte Patel, gegen solche «Verschwörer» vorgehen zu wollen.
Auf Patels schwarzer Liste stehen neben Barr und Haspel etwa auch Trumps früherer Sicherheitsberater John Bolton oder sein Stellvertreter Charles Kupperman. Trump hatte die beiden 2019 persönlich darum gebeten, im Rat für Nationale Sicherheit (NSC) eine Stelle für Patel zu finden. Aber beide sträubten sich dagegen. «Wir bemühen uns ernsthaft, eine geeignete Position für ihn zu finden. Aber aufgrund seines Profils haben wir zurzeit nichts Geeignetes», vertröstete Kupperman den Präsidenten. Als Trump 2019 nach Monaten ein drittes Mal anrief, boten sie Patel eine Funktion in der zweitrangigen Abteilung für Internationale Organisationen an.
Patel habe seinen Lebenslauf geschönt, erklärte Bolton kürzlich seine damaligen Vorbehalte. «Er war weniger an den ihm zugewiesenen Aufgaben interessiert als daran, sich in Trumps Gegenwart zu schleichen.» Der Präsident indes vertraute Patel offensichtlich. Trump habe ihn zu einem «politischen Kommissar» machen wollen, der die E-Mails und Mobiltelefone überwachen sollte, um illoyale Mitarbeiter zu identifizieren, erzählte Kupperman dem Fernsehsender CNN im Dezember. Er und andere Rechtsberater im Weissen Haus redeten dies Trump angeblich aus. Doch dieser ernannte Patel wenig später trotzdem zum Direktor für Terrorabwehr im NSC.
Patel selbst beschreibt die erste Begegnung mit Trump als überwältigende Erfahrung: «I was quickly starstruck.» Warum aber hielt Trump bereits damals grosse Stücke auf Patel? Der Hauptgrund ist seine Rolle in der «Russland-Affäre» zu Beginn von Trumps erster Amtszeit. Diese habe ihm – so sagt Patel – die Augen geöffnet: «Alles begann, als ich die grösste kriminelle Verschwörung durch staatliche Funktionäre seit Watergate aufdeckte – Russiagate.»
«Russiagate» ist der Türöffner
Er sei nicht immer ein entschlossener Kämpfer gegen die «korrupte Bürokratie» in Washington gewesen, schreibt Patel in seinem Buch. Der Sohn indischstämmiger Einwanderer aus Uganda wollte zunächst Arzt werden. Als ihm klar wurde, wie steinig und langwierig dieser Karriereweg ist, begrub er diesen Plan. In der Highschool arbeitete er nebenbei als Caddy auf einem Golfplatz, wo er die Gespräche reicher Anwälte über ihre Klienten und Dramen im Gerichtssaal mitbekam. Sein Entscheid war gefallen: «Ich sah das Jurastudium als perfekten Weg, um die wirtschaftliche Leiter emporzuklettern.»
Patel träumte von einem «himmelhohen Salär» bei einer renommierten Firma. Trotz vielen Bewerbungen wollte ihn nach dem Studium jedoch niemand einstellen. Also startete Patel sein Berufsleben als Pflichtverteidiger in Miami. Er fühlte sich zunächst etwas fehl am Platz. Patel wuchs apolitisch auf, sah die Welt in seinen Studienjahren jedoch zunehmend mit konservativen Augen. «Pflichtverteidiger sind nicht nur links. Sie stehen am linken Rand der Linken.» Es handle sich um Leute, die Kriminelle laufen liessen, weil diese eine schlechte Erziehung gehabt hätten. Aber auch wenn ein paar seiner Kollegen «verrückt» gewesen seien, habe er als Pflichtverteidiger gelernt, wie entscheidend ein fairer Prozess sei. «Gerechtigkeit war mir immer wichtig.»
Nach neun Jahren in Florida wechselte Patel ins Justizministerium nach Washington. Oder wie er in seinem Buch schreibt, in «den Bauch der Bestie». In der Abteilung für Nationale Sicherheit führte er nun Prozesse gegen islamistische Terroristen der al-Kaida oder des Islamischen Staats. Aber nach Donald Trumps «weltbewegendem Wahlsieg» 2016 strebte Patel einen Posten in der neuen Regierung an.
Ein Freund machte ihn mit dem republikanischen Abgeordneten Devin Nunes bekannt, der ihm die Tür zum Weissen Haus öffnen sollte. Zunächst half Patel aber dem Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses bei den Untersuchungen zu Trumps mutmasslichen Russland-Verbindungen. Er sollte herausfinden, wie es zu den Ermittlungen des FBI gegen Trump gekommen war.
Patel entdeckte, dass die Bundespolizei sich bei den Anträgen für die elektronische Überwachung eines Trump-Beraters auf eine umstrittene Quelle gestützt hatte: den ehemaligen britischen Geheimdienstoffizier Christopher Steele. Dieser war ein FBI-Informant. Er wurde aber auch von der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und ihrer Partei dafür bezahlt, ein belastendes Dossier über Trumps Verbindungen zu Russland anzufertigen.
Das «Steele-Dossier» behauptete, es gebe eine Kooperation zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland, um dessen Rivalin Clinton zu diskreditieren. Zudem sei der Kreml im Besitz von kompromittierendem Videomaterial über Trump, unter anderem mit perversen Sexszenen in einem Moskauer Hotel. Doch der Sonderermittler Robert Mueller fand am Ende keine hinreichenden Beweise für eine «Verschwörung» zwischen Wladimir Putins Regime und Trump.
Patel bezeichnet die «Russland-Affäre» in seinem Buch deshalb als eine «koordinierte Desinformationskampagne» des FBI, der Demokraten und der Medien. Die in seinen Augen politisierte Bundespolizei sollte dringend reformiert werden. «Der nächste Präsident muss die Führungsebene des FBI entlassen.» Wer seine Macht für politische Zwecke missbraucht habe, solle mit der ganzen Härte des Gesetzes verfolgt werden.
Wichtige Details lässt Patel in seiner Erzählung weg oder rückt sie in den Hintergrund. So löste etwa nicht das «Steele-Dossier» die Ermittlungen des FBI im Juli 2016 aus, sondern ein Tipp des australischen Botschafters Alexander Downer in London und die russischen Hackerangriffe auf die E-Mail-Server der Demokraten.
Aussenseiter und «Überlebenskünstler»
Für Patel ist «Russiagate» indes der Beweis, dass der «Deep State» existiert, das FBI einer seiner «listigsten Arme» bildet und Trump sein Opfer ist. Nach dem Ende von Trumps erster Amtszeit 2021 setzte Patel es sich deshalb zum Ziel, dieses Verständnis medial zu verbreiten. Um seine «Russiagate»-Geschichte auf leichte Weise zu erzählen, kreierte der designierte FBI-Direktor sogar eine Kinderbuch-Trilogie mit dem Titel «Das Komplott gegen den König». Sie handelt vom Zauberer Kash, der König Donald vor den dunklen Machenschaften einer Hillary Queenton rettet.
Die Russland-Ermittlungen sind für Patel allerdings nur eine von mehreren Verschwörungen des «tiefen Staats» gegen Trump. Die Präsidentenwahl 2020 sei «manipuliert» gewesen, schreibt er in seinem Buch. Der Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021 sei von FBI-Provokateuren orchestriert worden, suggerierte er wiederholt in Interviews. Im vergangenen Jahr produzierte Patel das Lied «Justice for All» (Gerechtigkeit für alle) mit dem «J6 Prisoner Choir». Darin sind inhaftierte Teilnehmer des Capitol-Sturms zu hören, wie sie im Gefängnis im Chor die Nationalhymne singen. Die mittlerweile von Trump begnadigten Capitol-Stürmer sind für Patel bedauernswerte Opfer des tiefen Staats.
Weil Patel die Geschichte genau so erzählt, wie sie Trump gefällt, wurde er zu einem beliebten Gesprächspartner in konservativen Podcasts, auf republikanischen Konferenzen und Wahlkampfveranstaltungen. Als angeblicher Enthüller des «Deep State» ist er unter Trump-Anhängern zu einer kleinen Kultfigur geworden. Und genau wie sein Idol weiss auch er dies zu vermarkten. Im Internet verkauft er nicht nur eine signierte «Gold Edition» von Band 3 seines Kinderbuchs für 99.99 Dollar, sondern auch T-Shirts, Flaggen und Mützen mit der Aufschrift «Fight with Kash».
Trump und Patel scheint mehr zu verbinden als ihr Zorn auf den «tiefen Staat». Beide stammen aus New York, und beide pflegen das Image eines Aussenseiters. Patel hat keine Eliteuniversität besucht. Viele andere Anwälte im Justizministerium sollen deshalb auf ihn herabgeschaut haben, erzählte ein früherer Kollege gegenüber CNN: «Er muss ein kluger Kerl sein, um dorthin zu gelangen, wo er ist. Er ist ein Überlebenskünstler.»
Ein Held oder ein «wahnhafter Lügner»?
Nicht alle, die im Weissen Haus mit Patel zusammengearbeitet haben, reden schlecht über ihn. Bolton – ein aussenpolitischer Falke – wurde im September 2019 von Trump entlassen. Er ernannte Robert O’Brien, einen erfahrenen Diplomaten, zum neuen Berater für Nationale Sicherheit. In einem Gastkommentar für das «Wall Street Journal» schwärmte O’Brien kürzlich über Patel: «Er ist einer der erfahrensten Leute, die je für das Amt des FBI-Direktors nominiert wurden.» Früher hätten die Demokraten einen solchen Kandidaten bejubelt, der gegen die illegale Überwachung von amerikanischen Bürgern durch die Bundespolizei gekämpft habe. Patel habe «den Mut und die Integrität», um das FBI zu reformieren.
Die Demokraten sehen in Patel jedoch einen loyalen Befehlsempfänger, der von der Schaltzentrale der Bundespolizei aus den befürchteten Rachefeldzug des Präsidenten anführen könnte. Im Dezember 2023 meinte Patel in einem Interview: «Wir werden die Verschwörer nicht nur im Staatsapparat, sondern auch in den Medien finden.» Trumps Feinde würden verfolgt werden – entweder strafrechtlich oder zivilrechtlich. In einem Podcast im vergangenen Juni bezeichnete er die «Gangster des tiefen Staats», die «radikale Linke» und die «Mainstream-Medien» als das «pure Böse».
In einem Interview im September gab sich Patel etwas gemässigter. Er habe keine «Abschussliste», es gehe ihm nicht um Vergeltung, «sondern um rechtliche Konsequenzen», sagte er in der «Shawn Ryan Show».
Mit dieser Position geniesst Patel starken Rückhalt unter den Republikanern. In der konservativen Partei gibt es heute einen breiten Konsens darüber, dass die Bundespolizei ihre Integrität verloren habe und reformiert werden müsse. Vermutlich werden die republikanischen Senatoren bei Patels Anhörung am Donnerstag kaum kritische Fragen stellen und seine Nomination begrüssen. Die Republikaner verfügen in der kleinen Kammer über 53 von 100 Sitzen. Das heisst aber auch: Mehr als drei Stimmen darf Patel nicht verlieren.
Zum Verhängnis könnten ihm bei der Anhörung vielleicht noch Fragen zu einem Ereignis im Oktober 2020 werden: Es ging um eine Geiselbefreiung in Nigeria. Die Flugzeuge mit amerikanischen Elitesoldaten an Bord waren kurz davor, in den nigerianischen Luftraum einzudringen. Die Behörden in Abuja hätten dafür grünes Licht gegeben, teilte Patel dem Pentagon mit. Doch Verteidigungsminister Mark Esper fand heraus, dass dies nicht der Fall war. Er unterbrach die Operation, die Flugzeuge mussten kreisen, bis die Flugerlaubnis doch noch erfolgte. Wäre das Kommando ohne diese in den Luftraum eingedrungen, hätte es abgeschossen werden können.
Esper vermutete später in seinen Memoiren, dass Patel die angebliche Flugerlaubnis einfach erfunden habe. Patel bestreitet dies. Doch Olivia Troye, eine ehemalige Sicherheitsberaterin von Trumps Vizepräsident Mike Pence, meinte kürzlich in einem Interview dazu: «Kash Patel ist ein wahnhafter Lügner.» Sie habe im Weissen Haus gemerkt, dass sie Patels Worte stets überprüfen müsse, um Pence nicht falsch zu informieren. Patel hat Troye deswegen mit einer Verleumdungsklage gedroht. Troye steht jedoch zu ihrer Aussage. «Er versucht andere zum Schweigen zu bringen, welche die Wahrheit über seinen Hintergrund erzählen.» Die Drohung sei ein klares Zeichen dafür, was zu erwarten sei, sollte Patel der neue FBI-Direktor werden.