Er kann die Sache natürlich auch nicht retten: Der Greyerzer Cyril Metzger spielt die Hauptrolle in der ersten Schweizer Netflix-Produktion. Seine Leistung ist hervorragend, die Serie leider nicht.
Freitagabend in Freiburg. «Alors, qu’est-ce que vous buvez?», fragt Cyril Metzger, kaum hat er seine dicke Winterjacke ausgezogen. Was trinken Sie? Er könnte durchaus ein junger Wirt sein, in einer Beiz irgendwo im Freiburgischen. Dort, wo sich die Alteingesessenen am Stammtisch treffen und die Touristen Fondue bestellen.
Denn Metzger, tatsächlich in einem Dorf nahe Greyerz aufgewachsen, ist ein Berührungsmut eigen, wie er in der Gastronomie öfter vorkommt. Vielleicht steckt ihm aber auch einfach noch André Morel in den Knochen, der Protagonist der ersten Schweizer Netflix-Serie. Die bisher wichtigste Rolle in seiner Schauspielkarriere.
Im Streaming-Glanz
In «Winter Palace», inspiriert vom Niederwaldner (VS) Hotelpionier César Ritz, spielt der 30-jährige Metzger den ambitionierten Hotelier André Morel. Mit einem Luxushotel in den Walliser Bergen will er um die vorletzte Jahrhundertwende den Schweizer Wintertourismus begründen. Dem Erreichen seiner ambitionierten Ziele schieben sich allerdings Lawinen und die Liebe, internationale Machtgelüste und dörfliche Intrigen in den Weg.
Man sieht der Koproduktion des Westschweizer Fernsehens RTS mit Netflix das grosse Budget an. Optisch kommt sie mit dem nötigen Streaming-Glanz daher. Inhaltlich lässt die Serie besonders in den ersten Folgen sehr zu wünschen übrig.
Während manche Handlungsstränge allzu erzwungen wirken, reissen andere ab, bevor sie zu Ende erzählt sind, oder baumeln vor sich hin, ohne zum Garn für den roten Faden zu werden. Der wiederum bleicht im glitzernden Schneebergpanorama derart schnell aus, dass man ihn bald mit viel Mühe suchen muss. Zum Ende hin wird es besser, da dürften aber viele bereits ausgeschaltet haben.
Eine Postkarte für die Welt
Vielleicht krankt «Winter Palace» am gleichen Bazillus wie viele SRG-Produktionen: Man will so breit wie möglich werden, um ja keine Serafe-Zahler und Stimmbürger vor den Kopf zu stossen. Am Ende bleibt der kleinste gemeinsame Nenner – und der reicht selten aus. Die Anwesenheit von Netflix spürt man dagegen vor allem an der «Swissness», die im übergrossen Caquelon aufgetischt wird und am Ende schwer aufliegt. Der Hauptdarsteller Metzger spricht nicht umsonst von einer «Postkarte aus der Schweiz».
Die Aufnahme aus der Romandie ist aber auch eine Binnenpost. Dass die Macher ihre Serie auf internationale Zuschauer ausgerichtet haben, bedeutet neben einer Ausstrahlung in Europa und Amerika nämlich auch: erstmals ein breites Deutschschweizer Publikum für Metzger.
Am vergangenen Zurich Film Festival wurde er noch mit dem Skifahrer Marco Odermatt verwechselt. Eine Ehre, sagt Metzger. Während man ihn in Paris als Theaterschauspieler und in der Romandie aus RTS-Produktionen wie «Hors-Saison» (2022) oder «Les Indociles» (2023) kennt, lief er in der Restschweiz bisher unter dem Radar.
Für «Winter Palace» gab es nun in Solothurn den Prix Swissperform als bester Hauptdarsteller. Bald stehen Dreharbeiten in Zürich an: «Hallo Betty» erzählt die Entstehungsgeschichte von Betty Bossi. Vom staubigen Kochbuchregal ins Kino. Metzger gibt den Bösewicht.
Talentiert muss sie sein
In Freiburg kehrt Metzger, an dem also ein bisschen Gastgeberei hängen geblieben ist, mit den Getränken an den Tisch zurück. Bei «Winter Palace» besonders toll sei die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Pierre Monnard gewesen, sagt er. Und die Tatsache, nun bis in die USA gestreamt zu werden. Dann erzählt er von seiner Freundin Isaline Prévost Radeff.
Mit ihr hat er eine Wohnung in Genf und ein Vier-Quadratmeter-Kämmerchen in Paris. Beide pendeln zwischen den Städten hin und her. Denn beide sind schweizerisch-französische Doppelbürger, beide sind Schauspieler, beide wurden an den Solothurner Filmtagen ausgezeichnet.
«Isaline ist eine super Schauspielerin», sagt Metzger. Pause. «Das sage ich nicht, weil sie meine Freundin ist. Es ist sogar genau umgekehrt: Ich könnte nicht mit einer schlechten Schauspielerin zusammen sein, weil dann ein Ungleichgewicht entsteht. Ich glaube, damit eine Beziehung funktioniert, braucht es gegenseitigen Respekt – auch auf der professionellen Ebene.»
Neid? Bisher nicht. Man freue sich mit dem anderen über jedes Engagement. «Wir erleben gerade beide das gleiche Mass an Erfolg. Das hilft», sagt Metzger. Eine direkte Konkurrenz um eine bestimmte Rolle falle so oder so weg. Aber vielleicht, fügt er dann an, vergleiche man sich in der Schauspielerei doch auf andere Art als in den meisten Branchen.
Weil man sich selbst verkaufe. Ganz konkret: «Man inszeniert den eigenen Körper. Die Stimme, das Gesicht, die Grösse – wenn das nicht passt, muss ich aufpassen, die Absage nicht zu persönlich zu nehmen.» Metzger schaut aus dem Fenster: «Wer Schauspieler wird, will gefallen. So ist das nun einmal.»
Sein Vater ist Bauarbeiter, die Mutter schamanische Therapeutin. Er sagt: «Bei meiner Mutter lernte ich alles über Gefühle, bei meinem Vater das Arbeiten.» Beides zusammen liefert ihm eine Strategie für den eigenen Beruf: «Ich sage mir immer: Was ich mache, ist keine Kunst, sondern ein Handwerk. Mein Körper ist mein Werkzeug. Wenn er kritisiert wird oder nicht passt, hat das nichts mit mir als Mensch zu tun.» Er löst den Blick vom Fenster und grinst. Am meisten helfe es aber, sich zu sagen: Die nächste Rolle gehört dir!
Freunde von früher
Derzeit hat Metzger vier Theater- und Filmprojekte parallel, das Mantra scheint zu wirken. Das ist gut für das Selbstbewusstsein und schlecht für die Freizeit. Darum habe er sich gefreut auf das Interview in Freiburg: Er bleibt nämlich gleich in der Stadt. Eine alte Freundin ist Mutter geworden, die will er am nächsten Tag unbedingt besuchen.
Die Menschen seiner Kindheit und Jugend: «irremplaçables», «unersetzlich». Wegen des Vertrauens, das irgendwann in der Schule zu wachsen begann und mit den Menschen zusammen grösser wurde. Sitzt er in diesem Kreis, sind Filmprojekte und Absagen egal.
Gleichzeitig sucht Metzger gerne Gemeinsamkeiten mit neuen Menschen. Manchmal entstehen daraus Freundschaften, oft eng verflochten mit dem Beruf, der Branche. Weniger Vergangenheit, dafür mehr Alltag. Da kann eine Absage dann auch einmal bis ins kleinste Detail besprochen werden.
Im Spagat geübt
Es gibt Menschen, denen merkt man die Geborgenheit an, in der sie aufwuchsen. Als Metzger ein Teenager war, mit allem Rebellentum, das dazugehört, schrie er seinen Stiefvater einmal an: «Du hast mir überhaupt nichts zu sagen, du bist nicht mein richtiger Vater!» Was man halt so sage, wenn man jung und ein Scheidungskind sei. Die Antwort des Stiefvaters: «Na und? Ich liebe dich.»
Metzger wuchs in einem kleinen Dorf auf dem Land auf – und in Montreux, wo der Vater wohnt. Bei Mutter und Stiefvater ist er ein grosser Bruder, stolz auf die sieben Jahre jüngere Schwester. Eingebettet in eine Familie und eine Nachbarschaft, deren Kinder einst bis zum Sonnenuntergang draussen spielten. Beim Vater ist er Einzelkind, volle Aufmerksamkeit. Tauchferien und gemeinsamer Sport.
Auf Instagram ist sein Profilbild ein Foto der Stadt Greyerz, die meisten Engagements hat er dagegen in Paris. Den metaphorischen Spagat zwischen verschiedenen Welten und Rollen hat Metzger früh geübt.
So kam das
Wenn es um das Warum seiner Karriere geht, ist Metzger pragmatisch. Mit dem Theater begann er im Kindergartenalter – als Therapie gegen seine Legasthenie. Als junger Mann spielte er professionell Rugby. Doch einer seiner Lehrer erkannte ein anderes Talent – und schenkte ihm einen Abendkurs für Theaterschauspieler.
Vom Theater zum Film wechselte Metzger erst während des Lockdowns. «Die Theater waren zu, aber die Kameras liefen bald wieder», sagt er. So kam das. Als nun «Winter Palace» abgedreht war, fragte Metzger, ob er eine der Filmklappen vom Set mitnehmen dürfe – er schenkte sie seinem Lehrer von damals. Ein erster Kreis hat sich geschlossen.
Während andere Schweizer Talente nach den ersten Erfolgen ins Ausland ziehen, ist für Metzger klar, dass er mindestens mit einem Bein in der Schweiz bleiben wird. Das hat einen ganz einfachen Grund: «Etwas steht für mich im Leben fest: Ich will Kinder. Und ich will, dass sie in der Schweiz aufwachsen.» Metzger nickt, mehr zu sich selbst. Dann fällt sein Blick auf die leeren Gläser. «Nächste Runde?»