Der Tech-Milliardär Elon Musk ist weder vom Volk gewählt noch vom Senat bestätigt. Doch mit Präsident Trumps Rückendeckung krempelt er den amerikanischen Staat ohne Rücksicht auf geltende Gesetze im Eiltempo um. Dabei helfen ihm blutjunge Ingenieure seiner Firmen.
Eine solch horrende Betriebsamkeit ist die Bürokratie in Washington nicht gewohnt: Gerade zwei Wochen ist es her, dass Donald Trump das von Elon Musk konzipierte Departement für Regierungseffizienz (Doge) mit der IT-Abteilung der Regierung zusammenlegte und direkt dem Büro des Präsidenten unterstellte. In dieser kurzen Zeit hat sich der Tech-Milliardär Zugriff zu wichtigen Schaltzentralen der Verwaltung verschafft, leitende Beamte abgesetzt und versucht, die unabhängige Behörde für Entwicklungshilfe USAID zu schliessen.
Musk versteht die Beamten offensichtlich als seine Gegenspieler und sein hohes Arbeitstempo als entscheidendes Mittel in diesem Kampf: «Sehr wenige in der Bürokratie arbeiten am Wochenende. Es ist, als verlasse das gegnerische Team das Spielfeld für zwei Tage!», schrieb er am Samstag auf X. Dabei ist indes nicht klar, welche Ziele der Tesla- und SpaceX-Gründer wirklich verfolgt. Ursprünglich versprach Musk, Sparmöglichkeiten von insgesamt zwei Billionen Dollar im Staatshaushalt finden zu können – fast 30 Prozent des gesamten Budgets. Nach der Inauguration am 20. Januar beauftragte Trump den Multimilliardär allerdings auch damit, die Technologie und die Software der Bundesverwaltung zu modernisieren.
Zugang zu vertraulichen Daten
Ein traditioneller Unternehmensberater hätte sich einen Überblick verschafft, einen Bericht mit sinnvollen Sparvorschlägen verfasst und diesen dem Weissen Haus und dem Kongress vorgelegt. Doch Musk funktioniert anders. Er schreitet schnell zur Tat. Gemäss der «New York Times» soll der Unternehmer die Doge-Büros in Washington mit Betten ausgestattet haben, damit er und seine rund vierzig Mitarbeiter bis spät in die Nacht arbeiten können. Wie die Computerzeitschrift «Wired» berichtet, gehören neben bewährten Managern aus dem Silicon Valley angeblich auch blutjunge Tech-Ingenieure und Praktikanten im Alter zwischen 19 und 25 Jahren aus Musks Firmen zum Doge-Team.
Ungewöhnlich scheinen indes nicht nur das hohe Arbeitstempo und die junge Belegschaft. Vergangene Woche verschaffte sich Musk im Finanzministerium Zugang zum zentralen Zahlungssystem der Bundesverwaltung. Nachdem sich der leitende Beamte dagegen gesträubt hatte, wurde er beurlaubt und ging danach in Rente. Musk und Doge haben damit Zugriff auf heikle persönliche Daten von Millionen Amerikanern. Sie könnten selbst aber keine Zahlungen ändern oder ausführen, erklärte Trumps Pressesprecherin.
Musk begründet sein Vorgehen mit dem Verdacht auf betrügerische oder verschwenderische Zahlungen, die über das System abgewickelt werden. Offizielle Statistiken gehen indes davon aus, dass unzulässige Überweisungen selten sind. Die Demokraten trauen der Sache daher nicht. Die Trump-Regierung hat mit einem Erlass bereits versucht, alle staatlichen Förderprogramme einzufrieren und jene zu eliminieren, die nicht mit Trumps konservativer Agenda vereinbar sind. Wie die «New York Times» berichtet, möchte ein ehemaliger Tesla-Ingenieur, der nun für Doge arbeitet, alle staatlichen Aufträge in einer Datenbank erfassen, um sie mit künstlicher Intelligenz zu analysieren. Der demokratische Senator Chris Murphy meinte am Dienstag über «den Präsidenten und seine befreundeten Milliardäre»: «Sie wollen die Kontrolle über die Staatsausgaben gewinnen, um ihre Freunde zu belohnen und ihre Feinde zu bestrafen.»
Wie mächtig Musk ist, zeigte sich auch am Samstag im Hauptquartier der Behörde für Entwicklungshilfe USAID. Doge-Mitarbeiter wollten sich Zugang zu vertraulichen Informationen verschaffen, doch die leitenden Sicherheitsbeamten sperrten sich dagegen. Kurz darauf wurden die beiden beurlaubt. «Wir haben das Wochenende damit verbracht, USAID in den Holzschredder zu schieben», schrieb Musk in der Nacht auf Montag auf X. Er forderte, die «kriminelle» Behörde ganz zu schliessen. USAID werde von «radikalen linken Wahnsinnigen» geführt, meinte derweil Trump. Seine Regierung stellte USAID danach unter die Kontrolle des Aussenministeriums, das die Agentur nun verschlanken soll.
Hoffnung liegt auf den Gerichten
Musks Handschrift trägt auch das Vorgehen der Personalverwaltung der Trump-Administration. Der Milliardär hat Führungspositionen in der Behörde bereits mit Vertrauten und ehemaligen Mitarbeitern besetzt. Vergangene Woche erhielten rund 2,3 Millionen Bundesbeamte eine E-Mail mit einem Angebot: Wenn sie bis zum 6. Februar kündigten, würden sie bis im September noch einen Lohn erhalten. Danach müssten sie mit einer leistungsorientierten Arbeitskultur und einer Kündigung rechnen, sollten sie sich nicht als «loyal» und «vertrauenswürdig» erweisen.
Das Erstaunliche dabei ist: Hohe Entscheidungsträger in der Regierung werden in der Regel durch sogenannte politische Ernennungen eingesetzt, die vom Senat geprüft und bestätigt werden müssen. In dem Verfahren müssen die Kandidaten auch mögliche Interessenkonflikte aus dem Weg räumen. Musk agierte bisher aber im Grunde als Privatperson, und er geniesst das Vertrauen und die Gunst des Präsidenten auch darum, weil er fast 300 Millionen Dollar in dessen Wahlkampf investiert hat. Am Montag erklärte das Weisse Haus den reichsten Mann der Welt zu einem «speziellen Regierungsmitarbeiter». Diesen Status erhalten in der Regel temporäre Berater, die nicht mehr als 130 Tage im Jahr für den Staat arbeiten. Trump selbst meinte am Montag: «Elon kann nichts ohne unsere Zustimmung tun.»
Trump und Musk scheinen indes weitgehend Hand in Hand zu arbeiten. Der demokratische Senatsführer Chuck Schumer hat politischen Widerstand gegen Musks «Schattenregierung» angekündigt. Aber im Kongress ist seine Partei in beiden Kammern in der Minderheit. Die grösste Hoffnung der Demokraten sind vermutlich die Gerichte. Grundlos entlassene Beamte können sich auf ihren Arbeitsschutz berufen. Eine amerikanische Regierung ist zudem nicht befugt, ganze Departemente und Förderprogramme zu streichen, die vom Kongress geschaffen wurden und finanziert werden. Gewerkschaften klagen nun auch gegen Musks Zugriff auf die Daten im Zahlungssystem der Regierung und das Angebot an die Beamten für eine Kündigung. Solche gerichtlichen Verfahren können jedoch lange dauern. Trumps emsige Regierung bereitet derweil bereits ihr nächstes Dekret vor, um das Bildungsministerium abzuschaffen.
Das wirksamste Mittel gegen Musk seien indes Strassenproteste, meinte Senator Murphy: «Die Leute in diesem Land müssen sich zeigen.» Am Montag organisierten die Demokraten eine kleine Demonstration vor dem USAID-Gebäude. Am Dienstagabend versammelten sich Hunderte von Unzufriedenen vor dem Finanzministerium. Weil Trump bei dieser Präsidentschaftswahl auch das Volksmehr gewann, blieben linke Proteste im Gegensatz zu 2016 in den vergangenen Wochen weitgehend aus. Doch sollten Musk und Trump weiterhin derart forsch vorgehen, könnte sich dies ändern.