Techno hat einst die Pop-Kultur erneuert. Unterdessen ist es ruhiger geworden um diese Musik. Zwei Ausstellungen in der Zürcher Photobastei versuchen aber die gesellschaftliche Nachhaltigkeit der Techno-Bewegung zu zeigen.
Einst stampfte Techno durch Industriebrachen, er schallte durch urbane Fluchten und toste hinauf in den freien Himmel. Wenn er einem jetzt im Museum begegnet, ist das nicht unbedingt ein Zeichen seiner Vitalität. Das Museale ist zumeist ein Stellvertreter des Lebendigen. Und was die notorisch mitreissende Lautstärke dieser Musik betrifft, so bietet eine Sammlung von Fotos, Videos und Vitrinen eher konzentrierte Stille als einen Rausch von Sounds.
Zwei Ausstellungen, die derzeit in der Zürcher Photobastei zu sehen sind, zeigen allerdings, dass sich die Techno-Kultur immer auch in Kunsthandwerk verwirklicht hat. Das gilt für die ausgeklügelte Grafik von Plakaten oder Partyflyern ebenso wie für die pittoreske Gestaltung synthetischer Drogen. Und seit je profilieren sich viele Techno-DJ auch in bildender Kunst. Das Museum ist für die Techno-Bewegung nichts Neues. Mehr denn je kann es heute im historischen Rückblick die Sinne schärfen für die Inspirationen, die man der Techno-Kultur verdankt.
Global und lokal
Die Ausstellung «Techno Worlds» wurde vom Goethe-Institut konzipiert und auf eine Welttournee geschickt, die nun in Zürich Station macht. Während es sich hier um eine international ausgerichtete Schau handelt, dreht sich «The Pulse of Techno» um die Zürcher Szene. Global und lokal – die beiden Präsentationen ergänzen sich scheinbar bestens. Die Schau des Goethe-Instituts bleibt allerdings hermetisch. Es gibt kaum Musik zu hören, man findet nur wenig Informationen zu den ausgestellten Fotos, Videos und Installationen. Die Exponate aus der Vergangenheit müssen jüngeren Besuchern fremd bleiben.
Ältere Techno-Habitués erinnern sie an eigene Erfahrungen, sie können da und dort einen Bezug von den Objekten zur Partykultur begreifen. Das Video «Future Past Perfect» des deutschen Künstlers und Musikers Carsten Nicolai etwa, das bunt aufgereihte Flaschen in einem defekt surrenden Getränkeautomaten zeigt, kann man als Illustrierung seiner technoid-seriellen Ästhetik verstehen. Und die Installation «Object and Bodies» von Robert Lippok soll mit dicht gestaffelten Farbstreifen offenbar visualisieren, wie sich auch akustische Signale zum flächigen Sound fügen.
«The Pulse of Techno» ist zum Glück zugänglicher. Man staunt auch hier, wie wenig Techno zu hören ist (die Ausstellungen werden allerdings durch ein vielfältiges Partyprogramm ergänzt). An einschlägigen Geräten kann man immerhin selber Loops produzieren. Tatsächlich wird die Passion für den Sound gewissermassen durch den Fetischismus elektronischer Instrumente angedeutet, die die Entwicklung von Techno geprägt haben. Neben den stilbildenden Rhythmusmaschinen wie Roland 808 oder Roland 909 ist etwa auch ein Synthesizer Korg MS 10 ausgestellt, der dafür bekannt ist, dass Techno-Pioniere darauf erste Tracks produzierten.
Die Geschichte lässt sich in der Zürcher Ausstellung gut nachvollziehen. Zum Beispiel durch die Bilder von Rita Palanikumar, die die ersten Zürcher Raver mit einer Infrarotkamera aus der anonymen Dunkelheit der ersten Partynächte löste: Die jungen Tänzerinnen und Tänzer nehmen sich aus wie erschrockene schattenhafte Gespenster einer Techno-Prähistorie.
Ein neues Fieber
Nach dem Punk der No-Future-Generation mischte sich damals ein neuer Lärm in die Nacht – ein dumpfes Pulsieren, das aus der Ferne den Eindruck erweckte, die Stadt selbst sei ergriffen von einer somnambulen Unruhe. Wenn man schliesslich die Garage, den Tunnel oder die verwaiste Fabrikhalle betrat, wo sich die klandestine Techno-Szene für eine Nacht verabredet hatte, wurde man selbst hypnotisiert durch die wogenden Tracks und fiebrig von der Hitze zuckender Körper.
Die Anfänge der neuen Pop-Bewegung liessen sich nach Afroamerika zurückverfolgen. Indem Funk und Disco aus der Umklammerung der Songform befreit und die Rhythmen auf griffige Muster reduziert wurden, entstanden neue Dance-Genres. In den leeren Warenhäusern Chicagos tanzt die Schwulenszene zu üppigem, souligem House. In Detroit liessen die Techno-Pioniere ihre kühlen Loops in den verlassenen Hangars der Autoindustrie erklingen.
Die neuartigen Techno-Tracks, die weder durch einen Anfang noch ein Ende strukturiert wurden, empfahlen sich als Signal einer gefeierten, geradezu zeitlosen Gegenwart. Das passte in eine Ära, in der der Mauerfall in Berlin das Ende des Kalten Krieges besiegelt zu haben schien und Philosophen das Ende der Geschichte verkündeten. Aber nicht nur die Aktualität definierte die Techno-Bewegung neu, sie projizierte in die Welt hinein auch ihre eigenen Biotope. Wenn DJ ihre Soundsysteme in Fabrikgebäuden installierten, verwandelten sich Werkhallen sofort in provisorische Partytempel.
Zunächst blieb Techno im Underground anonym und beweglich. Dass er heimlich und zumeist illegal bestehende Gelände und Gebäude besetzte, erhöhte die Attraktivität der verschworenen Techno-Szene. Zum Problem wurde die Illegalität aber just durch den Erfolg und die Masse, die sich der Bewegung anschloss. Im England Margaret Thatchers wurden die illegalen Partys mit aller Härte bekämpft.
In Zürich – so wird in Videointerviews gezeigt – setzte die Polizei anfangs Tränengas ein gegen die Raver. Der Versuch des sozialdemokratischen Stadtrats Robert Neukomm, die Techno-Street-Parade zu verbieten, führte 1994 aber zur breiten Unterstützung der Szene durch bürgerliche Parteien. Man war der Techno-Szene nun viel besser gesinnt als gut zehn Jahre zuvor der Zürcher Punk-«Bewegig».
Techno hat sich aus einer Sponti-Bewegung später immer mehr zu einem Netzwerk fester Klubs und traditioneller Veranstaltungen wie der Berliner Love Parade oder der Zürcher Street Parade entwickelt. Bei den grossen Umzügen wurden zwar Parolen für Friede und Freiheit ausgegeben. Tatsächlich war Techno in der Regel hedonistisch ausgerichtet und politisch weniger engagiert als etwa Punk. Damit ging allerdings eine soziale Offenheit einher, die durchaus gesellschaftspolitische Bedeutung zeitigte.
Safe Spaces
Die Party, an der niemand aufgrund seiner Herkunft, seines Geschlechts oder seiner sexuellen Ausrichtung ausgeschlossen werden sollte, bewährte sich als Freiraum für Minderheiten. Disco-, House- und Voguing-Szenen wurden seit je von der Schwulenszene geprägt und gefeiert. Aber auch die Techno-Kultur wurde nun zur Plattform und Bühne, wo sich Trans- und Queer-Raver in pittoresker Inszenierung feierten. Mit der Zeit verlor sich die Vielfalt allerdings dadurch immer mehr, dass sich einzelne Minderheiten und Szenen in gesonderte Klubs zurückzogen, die sie als Safe Spaces empfanden.
Dem Thema Safe Space wird von den beiden Techno-Ausstellungen viel Platz eingeräumt – durch Fotostrecken aus Brasilien, aus der Ukraine oder auch aus Georgien, wo queere Gruppierungen im Namen der orthodoxen Kirche von brutalen Schlägertrupps verfolgt werden. Partys und Klubs bieten hier einen gewissen Schutz. Sie bewähren sich als Orte des Austausches und der Solidarität.
So zeigt sich die nachhaltige Wirkung der Techno-Kultur. Im Vergleich mit der Punk-Generation, die sich in Zürich in Kulturzentren wie der Roten Fabrik oder in Zeitungen wie der «WoZ» verwirklichte, hat die individualistische Techno-Bewegung weniger Institutionen hinterlassen; unterdessen kämpfen sogar die Klubs selbst oft ums Überleben. Techno aber hat das Bewusstsein für queere Minderheiten geweckt, lange bevor Fragen der Identität den öffentlichen Diskurs überwucherten.
Ausstellungen «Techno Worlds» und «The Pulse of Techno»: Zürich, Photobastei, bis 31. März.