Das Tiefbauamt schafft mehr Platz für Velofahrer, Fussgänger und Bäume. Auf Autofahrer kommen harte Zeiten zu – vor allem am rechten Seeufer.
Zürich ist der beste Ort der Welt. Das zumindest findet die Unternehmensberatung Mercer, die jedes Jahr die Lebensqualität der schönsten Städte rund um den Globus untersucht. Dies aus Sicht der Expats zwar, die dort leben und arbeiten. Aber trotzdem, das Verdikt der Beratungsfirma ist klar: Zürich ist die Nummer eins, vor Wien, Genf und Kopenhagen.
Hervorragende Dienstleistungen der Verwaltung, wenig Kriminalität, viel Kultur und, vor allem, eine effiziente Infrastruktur sowie das Bekenntnis zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung gaben laut Mercer den Ausschlag, dass die Limmatstadt in der jüngsten Ausgabe dieses Rankings ganz zuoberst steht.
Im städtischen Tiefbauamt indes scheint man davon nichts mitbekommen zu haben. Denn in der Lesart der Departementsvorsteherin Simone Brander (SP) und ihrer Mitarbeitenden befindet sich Zürich lediglich «auf dem Weg zur klimafreundlichen und lebenswerten Stadt». So lautet die Überschrift der Medienmitteilung, die das Amt am Donnerstag verschickt hat.
Man sieht das Communiqué vor sich und fragt sich: Ist Zürich heute (noch) kein guter Ort? Ist es eine Bürde, hier zu leben? Und wird sich das erst dann ändern, wenn die Strategie «Stadtraum und Mobilität 2040» des Stadtrats umgesetzt ist?
«Wir machen Stadt für Menschen»
Das hätte man Simone Brander gerne gefragt. Aber die Stadträtin war an der Pressekonferenz gar nicht da, an der das Tiefbauamt über seine wichtigsten Projekte 2025 informierte. Die vier Journalisten im Raum mussten mit Simone Rangosch vorliebnehmen.
Die Amtsdirektorin gab sich alle Mühe, konkret zu werden. Doch zu Beginn ihrer Ausführungen dominierten luftige Schlagwörter: Das Tiefbauamt plane «ganzheitlich und identitätsstiftend». Selbstverständlich wolle man «alle Mobilitätsformen berücksichtigen». Gleichzeitig priorisiere man «klimaneutrale und aktive Mobilität». Ein Blick auf die Power-Point-Präsentation der Medienkonferenz zeigt, was damit gemeint ist: Die Stadtzürcher Bevölkerung soll bitte schön den öV benutzen, zu Fuss gehen oder Velo fahren.
Und, ganz wichtig: «Wir machen Stadt für und mit Menschen.» Aber nicht nur. Denn das Tiefbauamt postuliert genauso: «Wir stärken Grün und Biodiversität.» Die Strassenplaner der Stadt stehen ein für eine gute Quartierversorgung, «auch fürs Gewerbe», wie Rangosch anfügt. Doch auch diesem Versprechen wird sogleich widersprochen. Denn in den «strategischen Ansätzen für ein lebenswertes und klimaneutrales Zürich» findet sich die Massnahme: «Wir teilen den Strassenraum neu auf.»
Das Schwammstadt-Prinzip
Konkret könnte Letzteres in Aussersihl (bei der Kanzleistrasse) und in Unterstrass (entlang der Scheuchzerstrasse) geschehen. Dort will das Tiefbauamt bis im Sommer gemeinsam mit den Quartiervereinen Pilotprojekte erarbeiten mit dem Ziel, an beiden Orten sogenannte Quartierblöcke zu realisieren. Das bedeutet: Der Durchgangsverkehr soll gestoppt werden, Quartierstrassen sollen keine Schleichwege für Autofahrer mehr sein.
Ab Herbst wird die Scheuchzerstrasse zudem neue Grünflächen erhalten. Die dannzumal gepflanzten Bäume erhalten mehr Raum, um Wurzeln zu schlagen: Statt wie bisher 7 Kubikmeter sollen sie eine Grube von 35 Kubikmetern bekommen – und somit grössere Kronen bilden und dem Menschen mehr Schatten spenden an heissen Sommertagen.
An der Scheuchzerstrasse soll auch das Schwammstadt-Prinzip zur Anwendung kommen: Statt direkt in die Kanalisation zu fliessen, soll das Regenwasser den Bäumen beziehungsweise ihren Wurzeln zugeführt werden. Trottoirs werden verbreitert. Fussgänger und Velofahrer profitieren, Autofahrer nicht (auch wenn das Tiefbauamt das an dieser Stelle gekonnt verschweigt).
Die Tramhaltestelle Bahnhofquai/Hauptbahnhof erhält ab Sommer ein Facelifting. Die Tramgleise werden erneuert, die Dächer der Station verlängert, die Haltestelle soll hindernisfrei werden. Auch davon sollen Fussgänger profitieren.
Noch mehr Geduld als ohnehin schon werden Pendler auf der Bellerivestrasse aufbringen müssen, der wichtigsten Autoverbindung am rechten Seeufer ins Stadtzentrum. Die Wasserleitungen im Untergrund müssen ersetzt werden. Im Sommer müssen daher zwei der vier Fahrspuren aufgehoben werden. Die Bauarbeiten dauern bis Ende 2026.
Insgesamt wird das Tiefbauamt dieses Jahr 80 weitere Baustellen in Angriff nehmen. Zusammen mit den laufenden Vorhaben macht das 165. Das bedeutet viel Lärm und Ärger. Aber das muss sein. Denn schliesslich – so das Credo des Departements – soll Zürich lebenswert werden, irgendwann.