Die EU-Staaten sind grundsätzlich bereit, eine neue Militärmission im Roten Meer ins Leben zu rufen. Sie soll Frachtschiffe vor Angriffen der islamistischen Huthi-Miliz schützen – aber defensiv bleiben, wie es in Brüssel heisst.
Einige Wochen dürfte es noch dauern. Spätestens Ende Februar, so ist in Brüssel zu hören, könnte sie aber beginnen: eine Militärmission der Europäischen Union zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Roten Meer und im Golf von Aden. Nachdem der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell bereits im Dezember eine solche Operation vorgeschlagen hat, mit der Frachtschiffe vor Angriffen der islamistischen Huthi-Miliz geschützt werden sollen, nimmt der Plan nun Fahrt auf.
Nicht im Abseits stehen
«Wir haben uns im Prinzip darauf geeinigt, die EU-Mission im Roten Meer zu starten», erklärte Borrell nach einem Krisentreffen der Aussenminister am Montag. Die Huthi, die von Iran unterstützt werden und weite Teile von Jemen beherrschen, verüben seit Monaten Raketen- und Drohnenangriffe auf Schiffe. Sie tun dies, wie sie selbst behaupten, um Israel zu einem Ende der Angriffe im Gazastreifen zu zwingen.
Attackiert wurden seither allerdings auch Schiffe, die keine Verbindung zu Israel hatten. Den Huthi dient der Krieg in Gaza wohl auch als Vorwand, um ihre Popularität im Land zu steigern, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und Iran zu zeigen, dass sie ein verlässlicher Verbündeter sein können.
So oder so aber sind die Angriffe für die Europäer ein Problem, da rund 12 Prozent des Welthandels über den Suezkanal abgewickelt werden und viele Frachter gezwungen werden, den viel längeren Weg um das Kap der Guten Hoffnung zu nehmen. Es darf daher als ehrenwert gelten, dass sich die EU-Mitgliedstaaten dazu durchringen konnten, eine Marinemission zusammenzustellen, um ihre Handelsinteressen zu schützen – und nicht allein die Amerikaner und Briten alle Arbeit machen zu lassen.
Unter dem Namen «Operation Prosperity Guardian» geht eine multinationale Koalition unter Führung der USA und Grossbritanniens seit Januar gegen Stellungen der Huthi vor. Erst in der Nacht zum Dienstag zerstörte sie erneut mehrere militärische Ziele in Jemen, darunter Raketensysteme, Abschussvorrichtungen und unterirdische Waffenlager, wie es in einer Erklärung des Pentagons heisst.
Wie würden nun die EU-Staaten operieren? Gemäss den Plänen Borrells sollen mindestens drei Zerstörer oder Fregatten mitsamt Helikoptern und Drohnen in die Region entsendet werden. Sie sollen den Handelsschiffen im Roten Meer Geleit geben und militärische Gewalt nur defensiv anwenden können. Das bedeutet, dass sie anfliegende Raketen und Drohnen zwar abfangen, aber anders als die Amerikaner und Briten keine Huthi-Stellungen an Land attackieren dürfen.
Auch soll das Abfangen von Raketen, die direkt gegen Israel gerichtet sein könnten, keineswegs Teil des EU-Mandates sein. Das dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass einige Mitgliedstaaten Israel ausdrücklich nicht unterstützen wollen.
Vor allem Spanien argumentiert so. Die linke Regierungskoalition von Ministerpräsident Pedro Sánchez wehrte sich auch im vergangenen Jahr gegen die Idee, für einen Einsatz zum Schutz der Handelsschiffe auf die von Madrid geführte Anti-Piraterie-Operation «Atalanta» zurückzugreifen.
Statt auf «Atalanta» will man in Brüssel auf der Überwachungsmission «Agenor» aufbauen. Sie wurde vor vier Jahren in der für den Erdölexport wichtigen Strasse von Hormuz zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman eingerichtet; dort, wo es 2019 zu mehreren ungeklärten Angriffen auf Handelsschiffe gekommen war. «Agenor» ist eine europäische, aber keine EU-Operation und müsste erst zu einer solchen umfunktioniert werden. Geführt wird sie derzeit von Frankreich.
Deutschland will dabei sein
Deutschland ist nicht dabei, könnte aber, wenn es dafür ein EU-Mandat gibt und der Bundestag seine Zustimmung erteilt, dazustossen. Aus Berlin heisst es, dass in diesem Fall die Fregatte «Hessen» in die Region verlegt werden könnte. Das Schiff ist unter anderem mit Flugabwehrraketen ausgerüstet und wurde speziell für den Geleitschutz konzipiert.
Auch Belgien könnte ein Kriegsschiff schicken, in diesem Fall die Fregatte «Louise-Marie». Ihr Einsatz gilt – solange damit nicht israelischen Interessen gedient ist, wie belgische Politiker betonen – als unumstritten. Nach Angaben eines Militärs verfügt das Benelux-Land mit 440 Frachtschiffen über die achtgrösste Handelsflotte der Welt.
Ein dritter Kandidat sind die Niederlande, die sich bereits mit der Entsendung zweier Stabsoffiziere an der «Operation Prosperity Guardian» beteiligen und nun erwägen, ein Schiff zu schicken. Für Spanien ist eine Beteiligung an einem Einsatz im Roten Meer hingegen ausgeschlossen. Man sei schon weltweit an 17 Friedensmissionen beteiligt, sagte die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles. Blockieren will Madrid den Einsatz aber auch nicht.