In der Westschweiz ist der Unmut über den jüngsten Fahrplanwechsel der SBB riesig, wie ein Treffen in Genf zeigt. Auch Deutschschweizer Städte unterstützen die Forderungen an Bundesbern.
«Willkommen in der Agglomeration von Renens – in Genf.» Mit diesen Worten hat die Genfer Regierungsrätin Frédérique Perler an einer Protestaktion am Freitagmittag eine verbreitete Wahrnehmung zusammengefasst: Der Fahrplanwechsel der SBB im Dezember habe für die Romandie neben manchen Verbesserungen vor allem grosse Verschlechterungen gebracht. Aus Protest dagegen hat sich die «Alliance des villes» aus 30 Städten gebildet, die sich nun am Genfer Bahnhof Cornavin traf – und von Bundesbern sofortige Verbesserungen forderte.
Zu den drei wichtigsten Punkten der Fahrplanänderungen vom Dezember gehören: Erstens ist das Städtchen Renens bei Lausanne nun ein Bahnknotenpunkt, mit viel mehr Intercity-Verbindungen als Genf, obwohl es nur ein Zehntel der Einwohner hat, nämlich gut 20 000. Genf hingegen hat nur noch eine Intercity-Verbindung im Stundentakt, nämlich den IC1 über Bern nach Zürich und in die Ostschweiz.
Zweitens fährt der IC5, der zuvor über den Jura-Südfuss bis nach Genf fuhr, nur noch bis Lausanne – mit einem Halt wenige Minuten vorher in Renens.
In Renens bleiben vier Minuten zum Umsteigen
Wer nun also aus Neuenburg oder Biel, Delsberg oder auch Basel nach Genf reisen will, muss mindestens ein Mal umsteigen. Nur vier Minuten beträgt die Umsteigezeit in Renens. Der Anschlusszug nach Genf wartet nicht etwa am selben Perron, was laut den SBB wegen der Gleisanlage in Renens kaum möglich wäre, sondern an einem anderen Perron. Selbst wenn man nicht mit Kindern oder Gepäck unterwegs ist, kann das stressig sein.
Dazu kommen, drittens, längere Reisezeiten auf vielen Verbindungen. Ein paar Minuten mehr oder weniger mögen auf den ersten Blick lächerlich erscheinen, auf den zweiten Blick summieren sie sich zu erstaunlichen Zahlen: Ein Pendler auf der Strecke Lausanne-Genf verliert pro Tag 14 Minuten – und hochgerechnet auf ein Jahr eine Arbeitswoche, wie die Waadtländer Nationalrätin Brenda Tuosto vorrechnete. Für einen Pendler zwischen Lausanne und Berne beträgt der Zeitverlust pro Jahr 25 Stunden.
Die zahlreichen Redner am Freitag – etwa die Stadtpräsidentinnen von Genf und Biel – waren sich in praktisch allen Punkten einig: Die moderne Schweiz sei um ihre Verkehrsachsen herum aufgebaut worden. Nun jedoch würden einzelne Städte und Regionen abgehängt. Sie und ihre Bevölkerung würden nur eine Behandlung zweiter Klasse erfahren.
Das wiederum gefährde grundlegende Dinge, so die Kritik weiter, allen voran die nationale Einheit und den sozialen Zusammenhalt. Es verlangsame zudem das Wirtschaftswachstum der betroffenen Regionen und gefährde deren Wettbewerbsfähigkeit. Ein Vertreter der Stadt Grenchen, wo manche IC5 halten, kritisierte die gekappte Verbindung zum Flughafen Genf, die für seinen High-Tech-Standort wichtig sei.
Der Unmut nicht nur in der Westschweiz ist riesig. Seit 2023, als die SBB die erste Version für den Fahrplanwechsel im Dezember vorlegten, sei die «Allianz der Städte» von vier Mitgliedern auf 30 – inklusive Aarau, Basel und Bern – gewachsen, sagte die Nationalrätin Tuosto. Ihr und anderen Anwesenden kam auf Nachfrage keine vergleichbare Protestaktion in der Vergangenheit in den Sinn.
SBB, BAV und Bundesrat sind gefordert
Tuosto forderte das Bundesamt für Verkehr, die SBB und den Bundesrat dazu auf, zusammen mit den betroffenen Städten rasch Lösungen zu finden. Insbesondere solle der direkte Intercity vom Jura nach Genf sofort wiederhergestellt, das Umsteigen am selben Bahnsteig in Renens eingeführt, und die Verlängerung der Reisezeiten rückgängig gemacht werden.
Der Genfer Regierungsrat Pierre Maudet wollte im Namen der Verkehrskonferenz der Westschweizer Kantone nach vorne schauen – und äusserte «reelle Sorgen». Das Bundesamt für Verkehr habe bereits «beunruhigende Signale» gesendet, dass für 2035 versprochene Verbesserungen vielleicht doch nicht rechtzeitig kämen.