Mehr Sport treiben wollen viele – und oft scheitern sie kläglich. Die besten Tipps, damit das nicht passiert.
In keinem anderen Monat werden so viele Fitness-Abos abgeschlossen wie im Januar. Doch auf die Hochsaison der guten Vorsätze folgt in der Regel die Zeit der Ernüchterung: 30 bis 50 Prozent der Sportanfängerinnen und Wiedereinsteiger geben im ersten halben Jahr wieder auf, nicht nur im Fitnesscenter.
Es ist die berühmteste Lücke in der Verhaltenspsychologie: Man weiss, dass etwas gut für einen ist, und tut es trotzdem nicht. Die Couch schlägt die Yogamatte. Das Auto gewinnt gegen das Velo. Das Gebäck triumphiert über die Selleriestange.
Natürlich geht es auch anders: Die guten Vorsätze für mehr Sport und Bewegung lassen sich nachhaltig in den Alltag integrieren, wenn man ein paar Regeln befolgt, die sich weitgehend mit dem gesunden Menschenverstand decken.
Kleine und grosse Widerstände
Dabei ist es ein Unterschied, ob man eine sportliche Routine ausbauen oder ganz neu mit Sport anfangen will. Im zweiten Fall sind die Widerstände deutlich grösser. Das bestätigen auch die für diesen Artikel befragten Expertinnen: Erika Ruchti, Sportpsychologin in Magglingen, und Laura Gördes vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Bern.
Für das Gelingen des Einstiegs gibt es eine ganze Reihe von Hürden zu überwinden. Die grösste sind negative Erfahrungen aus der Vergangenheit. Wer auf Anraten des Arztes mit Joggen angefangen und wieder aufgehört hat, behält ein Gefühl des Versagens. Wer beim Sporttreiben schon einmal abfällige Blicke oder Bemerkungen erlebt hat, geht nicht mehr unbeschwert ins Aerobic. Auch eine negative Selbstwahrnehmung, Informationsüberflutung oder knappe Ressourcen, insbesondere wenig freie Zeit, können dem Sport im Weg stehen.
Das erste Gegenmittel ist die Wahl des passenden Sports. Wer noch nie gern gerannt ist, kauft besser ein Gravel-Bike als Joggingschuhe. Wer keine Menschenansammlungen mag, ist vielleicht auf dem Vitaparcours glücklicher als im Fitnessstudio. Entscheidend ist, dass man von einem Sport nicht nur weiss, dass er gesund ist, sondern auch Freude daran hat. Denn diese intrinsische Motivation wirkt viel nachhaltiger als eine extrinsische wie etwa ein gelegentliches Kompliment für die Figur.
Dagegen, dass viele gesundheitsorientierte Disziplinen etwas monoton daherkommen, hilft das Training zu zweit oder in der Gruppe. Alternativ kann man auch Musik, Hörbücher oder Podcasts hören, um den Sport zu versüssen. Ist die Ablenkung von der Aktivität aber kognitiv zu anspruchsvoll, kann das den Trainingserfolg schmälern, wie Erika Ruchti zu bedenken gibt. Es gilt also, die Bedürfnisse abzuwägen.
Der Erfolg ist eine wichtige motivationale Komponente, aber auch ein Stolperstein. Entscheidend sei, sich realistische Ziele zu setzen, sagt Laura Gördes. Ruchti empfiehlt das Smart-Prinzip. Die Abkürzung steht für «specific, measurable, achievable, relevant, time-bound». Die Ziele sollen also spezifisch, messbar, ausführbar, realistisch und terminiert sein.
Statt auf das Ergebnis fokussiert man ausserdem besser auf den Prozess, nimmt sich zum Beispiel vor, zweimal in der Woche eine Dreiviertelstunde zu trainieren, statt sich eine Rundenzeit oder einen bestimmten Gewichtsverlust in den Kopf zu setzen. Das ermöglicht die Selbstwirksamkeitserfahrung, die für Motivation unersetzbar ist.
Neben diesen Grundsätzen gibt es eine ganze Reihe von praktischen Kniffen, die den Einstieg in den Sport erleichtern. Einer der wichtigsten ist das Vermeiden von Anfangswiderständen. Gördes empfiehlt zum Beispiel, die Sportbekleidung schon am Vorabend bereitzulegen. Ruchti sagt: «Die Yogamatte sollte direkt neben dem Bett liegen, man muss praktisch drüber stolpern.» Auf einer psychologischen Ebene geht es auch darum, Umweltreize mit Handlungen zu verknüpfen, damit den Einstieg in die Aktivität zu erleichtern und mit der Zeit zu automatisieren.
Ein anderer Tipp ist derselbe, den Therapeuten Eltern für ihr Sexleben mitgeben: Man muss Termine machen. Wer für den Sport keine spezifischen Zeitfenster reserviert, scheitert. Zusätzlich braucht es auch «Coping-Mechanismen», wie Ruchti sagt – also die Kompetenz, mit Abweichungen umzugehen. Am besten hat man klare Wenn-dann-Regeln definiert. Fällt zum Beispiel die Joggingrunde über Mittag aus, weil eine Sitzung länger gedauert hat, plant man nach der Tagesschau noch eine halbe Stunde Yoga ein. Regnet es am Sonntagmorgen, geht man eben 20 Längen schwimmen, statt sich auf den Velosattel zu setzen.
Das Schöne ist: Ein stabilisierender Faktor ergibt sich durch das Dranbleiben von selbst. Je öfter man Sport treibt, desto besser ist das Bewegungsverhalten gegen Drop-out-Risiken geschützt. Solche Risiken, auszusteigen, sind beispielsweise eine längere Krankheit, eine Veränderung von Beruf oder Wohnort oder Elternschaft.
Eine Frage der Planung
Wer bereits regelmässig Sport treibt und nur seine gewohnte Routine ausbauen will, etwa ein Stretching anhängen, ist in einer weitaus einfacheren Lage als die Einsteiger. Vor allem, wenn sich die neue Routine gut in die bestehende integrieren lässt. «Je problemloser das möglich ist, desto leichter fällt uns die Erweiterung», so Gördes. Es ist primär eine Planungsaufgabe: Dauert das Work-out dadurch eine Viertelstunde länger, muss diese Zeit irgendwo hergeholt oder durch eine effizientere Trainingsgestaltung freigespielt werden.
Wer hingegen eine neue Sportart dazunehmen möchte, zum Beispiel bei den Senioren Fussball spielt, nun aber auf Anraten des Arztes auch zweimal die Woche schwimmen gehen will, für den gelten dieselben Bedingungen wie beim Einstieg in den Sport.
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