Trotz allen möglichen Komplikationen gehören unkomplizierte Uhren mit zwei oder drei Zeigern zu den populärsten Zeitmessern. Bei aller Reduktion auf das Wesentliche erstaunt die Vielfalt an Designs.
«Dem ist nichts hinzuzufügen», ist man beim Anblick einer dieser Uhren versucht zu sagen, die aufs Essenzielle reduziert sind und gerade deswegen so durchwegs komplett wirken. Es sind diese Uhrengesichter, die jedes Kind spontan skizziert, wenn es gebeten wird, eine Uhr zu zeichnen. Ein rundes Zifferblatt, zwölf Indizes, zwei oder maximal drei Zeiger, im raffiniertesten Fall ergänzt durch ein Datumsfenster bei 3 Uhr.
Beinahe jede namhafte Marke hat einen derartigen Zeitmesser im Sortiment. Viele der Modelle gehen auf Entwürfe zurück, die bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegen, und etliche davon sind Klassiker geworden, die untrennbar mit dem Namen der jeweiligen Marke verknüpft sind.
Weniger ist mehr
Die Geschichte der Armbanduhr begann in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit simplen zwei oder drei Zeigern, denn die Uhrmacher, die bislang nur Taschenuhren gefertigt hatten, waren schon genügend gefordert, die Uhrwerke so zu schrumpfen, dass sie im Gehäuse einer Armbanduhr Platz fanden. Komplikationen, wie sie in Taschenuhren zum Ende des 19. Jahrhunderts verbreitet waren, mussten noch warten. Doch es dauerte nicht lange, bis erste Armbanduhren so genau liefen, dass sie an sogenannten Chronometerwettbewerben teilnehmen konnten. Wettbewerbe, die von Uhrmacherzentren wie Neuenburg, Genf oder La Chaux-de-Fonds ausgetragen wurden, um die Hersteller dazu anzuhalten, ihr Möglichstes für die Präzision ihrer Uhrwerke zu tun.
Die Marken folgten diesem Ruf gerne, denn die dabei gewonnenen Preise konnten zu Werbezwecken ausgeschlachtet werden. Im Verlauf der fünfziger Jahre entstanden so einige der schönsten Entwürfe in einem Design, das man heute als klassisch bezeichnet (stets mit dem Zusatz «Chronometer» auf dem Zifferblatt). Die «Omega De Ville Prestige» und die «Longines Conquest Heritage» etwa entsprechen der damaligen Optik. Auf äusserste Genauigkeit getrimmt, waren diese Uhren nicht besonders flach, doch die fein abgestimmten Proportionen machten sie zu eleganten und robusten Begleitern, die bis heute nichts von ihrem Charme eingebüsst haben.
In diesem Jahrzehnt wuchs auch der Einfluss von Designschulen wie dem deutschen Bauhaus auf die Uhrenhersteller. Max Bill schuf für die Schramberger Uhrenmanufaktur Junghans eine ikonische Küchenuhr, deren Zifferblatt er in den sechziger Jahren auf eine Armbanduhr übertrug, die noch heute der Klassiker der deutschen Uhrenmarke ist. Auch die in den neunziger Jahren in Glashütte gegründete Uhrenmanufaktur Nomos greift bei ihren Entwürfen gerne auf die Philosophie des Bauhauses zurück. So entspricht das Modell «Tangente», mit dem die Marke bekannt wurde, dem Designgrundsatz «weniger ist mehr».
Präzis, aber auch möglichst flach
In den sechziger Jahren machte der Bau von Uhrwerken weitere Fortschritte und ging nicht mehr nur in Richtung Präzision. Besonders erstrebenswert war es nun, möglichst flache Uhrwerke zu konstruieren und damit die Armbanduhr zu einem veritablen Schmuckstück werden zu lassen. In vielen Fällen fiel diesem Streben sogar der Sekundenzeiger zum Opfer, da ohne ihn weitere Millimeterbruchteile eingespart werden konnten. Bei eleganten Uhren diente er ohnehin meist bloss zur Kontrolle, ob die Uhr noch lief. Die Modellreihe «Altiplano» von Piaget illustriert dieses Streben exemplarisch, gehört doch diese Linie noch heute zu den flachsten mechanischen Armbanduhren auf dem Markt.
Auch das Modell «Patrimony» von Vacheron Constantin fällt in diese Kategorie. Hier sorgt der Handaufzug für die reduzierte Bauhöhe. In Bulgari mit seiner Modellfamilie «Octo Finissimo» hat Piaget einen valablen Mitstreiter gefunden in einem Wettbewerb, der fast jährlich einen neuen Schlankheitsrekord hervorbringt. Das Design der Linie Octo mit ihren integrierten Gliederarmbändern und der kantigen Linienführung widerspiegelt jedoch bereits den Zeitgeist der siebziger Jahre.
Die Quarzuhr bringt noch mehr Präzision
Jenes Jahrzehnt war geprägt durch das Aufkommen der Quarzuhr, die das Verkaufsargument der Ganggenauigkeit bei mechanischen Uhren hinfällig machte, da keine mechanische Uhr mit der Präzision einer Quarzuhr mithalten kann. Es mussten neue Argumente her. Das Design war davon das Augenfälligste. Der damals noch unbekannte Designer Gérald Genta entwarf für Audemars Piguet mit dem Modell «Royal Oak» einen Uhrentyp, der diese Epoche prägte und heute zu einem Klassiker geworden ist. Die Uhr ist charakterisiert durch das integrierte Armband aus demselben Metall wie das Gehäuse, ein kantiges Äusseres und ein meist flaches Deckglas. Während Genta mit dem Modell «Nautilus» für Patek Philippe und der «Ingenieur» für IWC zwei weitere Meilensteine dieser Gattung schuf, berief sich Vacheron Constantin auf das Können von Jörg Hysek für den Entwurf des Modells «222», das 1977 zum 222. Geburtstag der Marke lanciert wurde.
Abgesehen von den zwanziger Jahren, die sich vor allem bei Marken wie Cartier bemerkbar machen, sind dies die drei Jahrzehnte, die das Aussehen der Armbanduhren von heute am nachhaltigsten geprägt haben. Die Zukunft wird weisen, ob die darauffolgenden Jahrzehnte ebenfalls in die Designgeschichte der Armbanduhr eingehen. Wenn Klassiker immer wieder aus der Versenkung geholt werden, heisst das noch lange nicht, dass den Marken nichts Neues mehr einfällt. Es zeigt vielmehr, dass bestimmte Entwürfe die Jahrzehnte unbeschadet überstehen. Viele davon hatten es bei ihrer Lancierung schwer, sich durchzusetzen. Auch das sollte man bedenken, wenn man einem neuen Wurf nichts abgewinnen kann.