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Rein sportlich ist der Super Bowl eine klare Sache, die Philadelphia Eagles bezwingen die Kansas City Chiefs. Geschichten aber werden am Event der Superlative abseits des Feldes geschrieben.
Der Super Bowl, der wohl spektakulärste Sport-Event der Welt, ist ein Abend der tausend Geschichten. Dafür muss das Spiel nicht einmal spannend sein, so geschehen am Sonntagabend als die Philadelphia Eagles die Kansas City Chiefs deutlich besiegten. Allein die Pausen-Werbungen verschaffen dem Anlass eine eigentümliche Grösse, so auch dieses Jahr. Der amerikanischen Mayonnaise-Herstellers «Hellmann’s» setzte die Schauspieler Meg Ryan und Billy Crystal in ein Restaurant, und als Ryan den ersten Bissen eines Sandwiches nimmt, beginnt sie zu stöhnen, so lecker ist offenbar die Sauce.
Crystal geniert sich, blickt genervt drein – genau wie damals, 1989, in der legendären Szene des Hollywoodfilms «Harry und Sally». Nur taucht in der «Hellmann’s»-Werbung plötzlich die junge Schauspielerin Sydney Sweeney auf. Sie sieht die Bedienung an, deutet auf Ryans Burger und sagt: «Ich will das Gleiche wie sie.»
Trump lobt Mahomes
Der Werbespot ist sinnbildhaft, denn der Super Bowl ist auch in diesem Jahr eine ständige Neuinterpretation von bereits Bekanntem. Ein fixer Ablauf mit gelegentlich wechselnden Zahlen und Gesichtern.
Dieses Jahr: spielten die Kansas City Chiefs gegen die Philadelphia Eagles, kosteten dreissig Sekunden Werbung acht Millionen Dollar, wurden in den USA schätzungsweise 17 Milliarden Dollar für Snacks und Getränke ausgegeben. Über 100 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner sahen dieses Mal im Fernsehen zu und über 70 000 im Caesars Superdome in New Orleans, unter ihnen Donald Trump – als neuer alter Präsident der Vereinigten Staaten gewissermassen eine Neuinterpretation seiner selbst.
Als erster Präsident überhaupt war Trump beim Super Bowl vor Ort. Er hat eine Vorgeschichte im Football, gründete in den 1980er Jahren eine eigene Liga. Ob ihn das zum «Pregame Interview» befähigte, das der Sender Fox News ausstrahlte? Trump sass in einem aus Holz verkleideten Raum und beantwortete die Fragen des Moderators Bret Baier. Trump lobte den Chiefs-Quarterback Patrick Mahomes, wobei er ihn einfach «Quarterback» nannte. Grossartig sei er, dieser Quarterback, genauso wie dessen Frau, die ein «grosser Trump-Fan» sei.
Pfiffe bei Taylor Swift
Taylor Swift hingegen mag Trump nicht so sehr. Die berühmteste Popsängerin der Welt und Freundin des Chiefs-Spielers Travis Kelce hatte bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst die demokratische Kandidatin Kamala Harris unterstützt. Im Super-Bowl-internen Buh-o-Meter unterlag Swift dem Präsidenten. Sie wurde von Eagles-Fans ausgebuht, als sie auf dem Einfamilienhaus-grossen Videowürfel eingeblendet wurde. Swift lächelte und sagte: «What’s going on?» Der von den Buchmachern heraufbeschworene Heiratsantrag für Swift blieb aus.
Für die Musik waren an diesem Abend ohnehin andere zuständig. Zum Beispiel der fünffache Grammy-Gewinner Jon Batiste, der die obligate Nationalhymne auf dem Klavier jazzte. Da war für einmal wenig Pathos, ein bisschen klang es nach Hotellobby. Trump salutierte auf der Tribüne, auf der auch dieses Jahr lauter bekannte Persönlichkeiten aus der Musik-, Film- und Sportbranche sassen, etwa die Popmusikerin Lady Gaga, die Schauspielerin Anne Hathaway (in Eagles-Farben) oder der Fussballer Lionel Messi. Mit dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino war auch ein bekannter Schweizer im Stadion. Der ehemalige Tennisspieler Roger Federer war immerhin im Fernsehen zu sehen. Zusammen mit der Zeichentrickfigur Elmo warb er für den Schweizer Sportartikelhersteller On.
Die Halbzeit-Show absolvierte der amerikanische Rapper Kendrick Lamar, der 2022 unter anderem mit Eminem und Dr. Dre aufgetreten war. In seinem dreizehn Minuten langen Set spielte Kendrick Lamar mehrere Hits, unter ihnen den Song «Not Like us», der vor einer Woche mit fünf Grammys ausgezeichnet wurde. Das Stück gilt als Höhepunkt des Streits zwischen Kendrick Lamar und dem kanadischen Rapper Drake, dem im Song vorgeworfen wird, er sei sex-, drogen und spielsüchtig. Drake hat im Januar Klage gegen das Musiklabel Universal eingereicht. Als zum Schluss des Auftritts die ersten Klänge von «Not Like us» ertönten, sagte Kendrick Lamar: «Du weisst, dass sie gerne klagen.»
In der allerletzten Szene der Halbzeit-Show zierte der Schriftzug «Game Over» eine der Tribünen. Die Feststellung konnte ganz unterschiedlich gedeutet werden. Galt sie Drake? Er war gerade gedisst worden. Oder doch den Kansas City Chiefs? Sie lagen schon zur Pause deutlich zurück.