Die IBA ist wegen zahlreicher Skandale im internationalen Sport ein Paria und tritt nun erneut eine Debatte über intersexuelle Boxerinnen los. Fakten bleibt der Verband aber schuldig.
Bald beginnen in Nis, Serbien, die Box-WM der Frauen. Die Veranstalterin, die International Boxing Association (IBA), benutzt die Titelkämpfe, um ihr Lieblingsthema zu bespielen: die Teilnahme von möglicherweise intersexuellen Athletinnen an Wettkämpfen der Frauen.
Imane Khelif, eine 25-jährige Algerierin, wurde im vergangenen Sommer in Paris Olympiasiegerin im Weltergewicht. Bereits während der Spiele machte die IBA Stimmung gegen Khelif und behauptete, bei ihr handle es sich um eine intersexuelle Athletin, die männliche XY-Chromosomen besitze und wegen des erhöhten Testosteronwertes im Blut einen Vorteil habe.
Die IBA hat Khelif kürzlich von den Weltmeisterschaften in Serbien ausgeschlossen. Sie habe einen Geschlechtstest nicht bestanden, teilte der Verband mit. Mit welcher Methode die IBA das überprüfte, blieb wie das genaue Resultat des Tests offen. Das Vorgehen ähnelt jenem von Paris: Die IBA kritisiert, fordert Ausschlüsse, liefert aber keine Fakten.
Die IBA hat wenig Interesse an einer ernsthaften Diskussion
Am Montag reichte die IBA obendrein Klagen in der Schweiz, den USA und Frankreich gegen das Internationale Olympische Komitee (IOK) ein. Der Verband wirft dem IOK vor, es habe Khelif sowie Lin Yu-ting aus Taiwan, die Olympiasiegerin im Federgewicht, trotz Zweifeln am biologischen Geschlecht in Paris bei den Frauen starten lassen. Die Teilnahme der beiden sei ein Sicherheitsrisiko für die Konkurrentinnen gewesen, folglich habe das IOK sich strafbar gemacht.
Die Debatte um die Teilnahme intersexueller Athletinnen in Frauen-Kategorien beschäftigt den Sport schon länger. Es wäre wichtig, sie auf einer sachlichen und wissenschaftlich fundierten Ebene zu führen, um faire Wettbewerbe zu garantieren – und intersexuelle Athletinnen vor Diskriminierung zu schützen.
An einer ernsthaften Diskussion hat die IBA allerdings wenig Interesse, lieber geriert sie sich als letzte Bastion im Kampf um den Gesundheitsschutz der Athletinnen. Sie schreibt: «Wir sind der einzige Verband, der sich für Integrität des Frauensports einsetzt.» Die IBA ist überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein, nicht zuletzt wegen des US-Präsidenten Donald Trump. Der hat Transsexuelle per Dekret von Frauen-Wettbewerben ausgeschlossen. Dass es beim Boxen um Intersexuelle geht, verdrängt die IBA.
Dubiose Zahlen, fehlende Belege
Gerade veröffentlicht die IBA Pressemitteilungen im Tagesrhythmus. So darf sich Ioannis Filippatos, ein Arzt und Präsident des Amateurboxverbandes European Boxing Confederation, über die Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Sport auslassen. Filippatos stellt Zahlen in den Raum, in welchen Bereichen Männer stärker als Frauen seien, und schreibt: «Jeder Mann, auch ein untrainierter, schlägt härter als 99 Prozent der Frauen.» Quellen oder Belege bleibt Filippatos schuldig.
Um den Schutz von Sportlerinnen geht es der IBA – wenn überhaupt – nur am Rande. Vielmehr kämpft das Boxen um den Verbleib im olympischen Programm; ob 2028 in Los Angeles geboxt wird, ist offen. Das liegt nicht zuletzt an den Verfehlungen der IBA, die im Sport zum Paria geworden ist.
2019 schloss das IOK den Boxverband aus. Gründe dafür waren einerseits der Verdacht manipulierter Ringrichter-Urteile an Olympia 2016 in Rio de Janeiro, andererseits die intransparente Finanzierung. Die IBA wird vom russischen Funktionär Umar Kremlew präsidiert, der als Vertrauter des Machthabers Wladimir Putin gilt. Ein Hauptsponsor des Verbandes ist der Energiekonzern Gazprom, der mehrheitlich dem russischen Staat gehört.
Die wahre Absicht hinter der Kommunikationsoffensive verrät eine Mitteilung des IBA-CEO Chris Roberts. Darin schreibt er, das IOK gefährde mit «seinen degenerativen Handlungen» die «rechtmässige Präsenz des Boxens» als olympische Sportart. Es geht der IBA also darum, Stimmung gegen das IOK zu machen. Dass das positive Auswirkungen für das Boxen als olympische Sportart haben wird, darf bezweifelt werden.