Nach der Corona-Pandemie sind die Masern zurückgekehrt. Wegen Masernausbrüchen wendet sich in Zürich der Kanton nun an Spitäler und Hausärzte.
Eigentlich gelten die Masern in der Schweiz als eliminiert. Dies jedenfalls nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Trotzdem ist es im Kanton Zürich im laufenden Jahr zu einer Häufung von Masernfällen gekommen. Sieben Ansteckungen hat der Kanton in den ersten Wochen dieses Jahres gezählt, das sind bereits mehr als halb so viele wie im ganzen letzten Jahr. Die neue Zürcher Kantonsärztin Franziska Kluschke hat deshalb die Hausarztpraxen und Spitäler im Kanton angeschrieben.
Ihr Ziel: über die aktuelle Lage zu informieren und die Ärzte für den korrekten Umgang mit Masernfällen zu sensibilisieren. Diese müssen dem Kanton gemeldet werden. Gleichzeitig gilt es Vorsichtsmassnahmen zu treffen, damit sich die Krankheit nicht weiter ausbreitet.
In der Regel klingt die Erkrankung zwar ohne bleibende Folgen wieder ab. Aber sie kann auch zu schweren Komplikationen und gar zum Tod führen. Das ist allerdings selten, so entwickelt 1 von 1000 Infizierten eine Hirnentzündung, etwa 1 von 3000 Erkrankten verstirbt. In Entwicklungsländern liegt der Wert allerdings deutlich höher. Weltweit starben 2023 laut WHO fast 110 000 Menschen an den Folgen einer Masernerkrankung.
Contact-Tracing auch bei Masern
Bei den Masern handelt es sich um ein hochansteckendes Virus, das via Tröpfchen übertragen wird, also zum Beispiel durch Husten oder Niesen. Infektiöse Aerosole (winzige Tröpfchen) können noch bis zu zwei Stunden in der Luft schweben, nachdem jemand niesen musste.
Das erinnert an die Coronaviren, und wie damals führt der Kanton auch ein Contact-Tracing durch, wenn es zu einem Masernausbruch kommt. Das Ganze hat natürlich nicht mehr den Umfang wie während der Pandemie. Aber es geht auch hier darum, herauszufinden, ob Personen im Umfeld sich angesteckt haben, und zu verhindern, dass sie das Virus weitergeben.
Dazu sollten die Infizierten zu Hause bleiben und Kontakte mit anderen Personen meiden. Masern sind derart ansteckend, dass Hygienemassnahmen wie Händewaschen oder in die Armbeuge niesen nur wenig bringen. Wer infiziert ist, ist zudem schon vier Tage vor dem Auftreten des typischen roten Hautausschlags ansteckend und bleibt dies auch noch bis zu vier Tage, nachdem die Symptome abgeklungen sind.
Lücken bei den 40- bis 60-Jährigen
Die Covid-Massnahmen hatten während der Pandemie dazu geführt, dass sich auch die Masern nicht mehr verbreiten konnten. So wurde 2021 in der ganzen Schweiz kein einziger Masernfall gemeldet, ein Jahr danach blieb es bei einem einzigen Fall.
Die Ausbreitung der Masern lässt sich freilich durch eine Impfung verhindern. Diese ist generell sehr gut verträglich und bietet einen nahezu 100-prozentigen Schutz, der lebenslang anhalten soll. Bei einer Durchimpfungsrate der Bevölkerung von 95 Prozent sollte sich das Virus nicht mehr ausbreiten können.
Doch nicht alle haben die nötigen zwei Impfungen gemacht. Vor allem bei 40- bis 60-Jährigen zeigen sich Impflücken. Zum Teil haben sie nur eine Impfung erhalten oder auch gar keine. Diese Lücken sind aus Sicht des Kantons mit ein Grund für die Masernausbrüche. Tatsächlich haben sich auch in den aktuellen Fällen mehrere Erwachsene mit Masern angesteckt.
Der Kanton erhofft sich durch die Sensibilisierung der Ärzte, dass auch der Impfstatus der Patienten wieder vermehrt zum Thema wird. «Das Ziel ist nicht, dass die Ärzte Impfskeptiker überzeugen, sich doch noch impfen zu lassen», sagt Kantonsärztin Kluschke. Im Idealfall merke aber vielleicht ein Patient, dass ihm eine Impfung fehle, und er diese dann nachhole. Wer nicht mehr wisse, ob er als Kind geimpft worden sei oder Masern durchgemacht habe, könne sich gefahrlos nochmals impfen lassen. Wird eine immune Person nochmals geimpft, ist das nicht schädlich. Theoretisch wäre es aber auch möglich, mittels eines Antikörpertests festzustellen, ob jemand bereits über eine Immunität verfügt.
Impfskepsis nach der Pandemie?
Bei den Jugendlichen ist die Durchimpfrate heute sehr hoch. Hatten 1999 von den 16-Jährigen noch weniger als die Hälfte zwei Impfungen, waren 2021 in der gleichen Alterskategorie 97 Prozent vollständig gegen Masern geimpft.
Aber droht nach der Pandemie eine Trendumkehr? Damals wurde viel Kritik an Impfstoffen laut, obschon die Covid-Vakzine eigentlich ein grosser Erfolg waren. Die Skepsis hat sich inzwischen auch auf andere Impfstoffe übertragen. Dies zeigen Analysen des «Vaccine Confidence Project». Während der Pandemie habe gerade bei den 18- bis 35-Jährigen das Vertrauen in Impfungen abgenommen. Laut den Forschern ist dies in dieser Altersgruppe weltweit und auch in Europa in vielen Ländern der Fall.
Zumindest in der Schweiz scheint es aber nicht so zu sein, dass Eltern ihre Kinder seltener gegen Masern impfen lassen.
Philipp Schering ist Kinderarzt in der Zürcher Kinderpraxis am See und Vizepräsident des Verbands Haus- und Kinderärzte Zürich. Er beobachtet in der Praxis zwar schon, dass es mit Eltern mehr Diskussionen über Impfungen gibt, insbesondere wenn es um neuere Impfstoffe geht wie jene gegen Meningokokken B. «Da hinterfragen die Eltern dann schon die Notwendigkeit, und ein geringer Prozentsatz wartet lieber noch zu.» Die bekannten Impfungen wie jene gegen Masern seien von der Skepsis aber kaum betroffen, sagt Schering.
Auch die Kantonsärztin Kluschke sagt, dass sie keine Hinweise darauf hätten, dass Eltern seit der Pandemie ihre Kinder seltener gegen Masern impfen liessen. Dies belegen auch Zahlen des Bundesamts für Gesundheit, die sogar eine leichte Zunahme bei der Masern-Impfquote zeigen. Die Immunität in der Bevölkerung dürfte also weiter zunehmen und Masernausbrüche noch seltener werden.