Für den FCZ war Mendys Vorgeschichte vor der Verpflichtung offenbar kein Thema. Der FCZ-Präsident Ancillo Canepa sagt, es gebe keinen Anlass, an der Richtigkeit der juristischen Aufarbeitung zu zweifeln.
Benjamin Mendy hat 2018 mit Frankreich die Weltmeisterschaft gewonnen und wurde mit Manchester City viermal Meister in der englischen Premier League. Einen solchen Fussballer verschlägt es nicht oft in die Schweiz. Das mag verständlich machen, weshalb Ancillo Canepa, der Präsident des FC Zürich, über seinen am Dienstagabend vermeldeten Zugang sagt: «Wir sind sehr erfreut und auch ein wenig stolz, dass wir einen derart hochkarätigen Spieler verpflichten konnten.» Mendy werde «vor allem auch für unsere jungen Spieler eine wichtige Stütze sein».
✍🏾 𝐃𝐞𝐫 𝐅𝐂 𝐙𝐮̈𝐫𝐢𝐜𝐡 𝐯𝐞𝐫𝐩𝐟𝐥𝐢𝐜𝐡𝐭𝐞𝐭 𝐝𝐞𝐧 𝐟𝐫𝐚𝐧𝐳𝐨̈𝐬𝐢𝐬𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐖𝐞𝐥𝐭𝐦𝐞𝐢𝐬𝐭𝐞𝐫 𝐁𝐞𝐧𝐣𝐚𝐦𝐢𝐧 𝐌𝐞𝐧𝐝𝐲
Der 30-jährige französische Verteidiger Benjamin Mendy wechselt per sofort zum FC Zürich. Er kommt vom FC Lorient zum Stadtclub und hat… pic.twitter.com/2akq4CRnqM
— FC Zürich (@fc_zuerich) February 11, 2025
Der Staatsanwalt bezeichnete Mendy als «Raubtier»
Freilich muss man wohl hoffen, dass sich die FCZ-Talente den französischen Linksverteidiger nicht in jeder Hinsicht zum Vorbild nehmen. Mendy kommt nämlich auch deshalb in die Schweiz, weil seine Karriere einen schweren Knick erlitten hat. Und das liegt daran, dass der 30-Jährige in einem langwierigen Vergewaltigungsverfahren vor Gericht stand, das für viele Schlagzeilen sorgte.
Von Manchester City, wohin er 2017 als damals teuerster Verteidiger der Fussballgeschichte für 58 Millionen Euro von der AS Monaco gewechselt war, wurde er wegen der massiven Vorwürfe im August 2021 suspendiert. Erst nach mehreren Freisprüchen fand er im Sommer 2023 beim FC Lorient in der Ligue 1 wieder eine Anstellung. Nach dem Abstieg ein Jahr später einigte er sich mit den Bretonen darauf, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Seither hat er nicht mehr gespielt, den letzten Erfolg erzielte er vor einem englischen Arbeitsgericht: Manchester City wurde im November zur Nachzahlung von rund 8,5 Millionen Pfund einbehaltenen Lohns verpflichtet.
Die Prozesse gegen Mendy vor einem Tribunal in Chester begleitete grosses Aufsehen. Der frühere französische Nationalspieler war mehrfach wegen des Verdachts auf Vergewaltigung festgenommen worden und verbrachte vier Monate in Untersuchungshaft, ehe er in acht Fällen des Delikts angeklagt wurde. Sein Fall deckte auf, wie prominente Fussballer zuweilen mit Frauen umgehen. Mehrere Frauen erklärten unter anderem, wie sie bei Partys auf Mendys Luxusanwesen ihre Telefone abgeben sollten. «Ich gebe es dir zurück, wenn du dich ausziehst», habe der Fussballer gesagt, so eine Zeugin. Als sie danach gegriffen habe, habe er sie an sich gezogen und missbraucht.
Der Staatsanwalt schilderte Mendy als «Raubtier» und «Serienvergewaltiger». Selbstverständlich sei bei den Orgien auch einvernehmlicher Sex praktiziert worden, aber Mendy und sein Mitangeklagter Louis Saha Matturie hätten in ihrer Überheblichkeit angenommen, dass prinzipiell jede Besucherin der Partys ihnen frei zur Verfügung stehe.
Die Verteidigung hingegen sprach zwar von «chaotischen Partys» mit «schnellem, tiergleichem Sex» und räumte «monumentale Fehler» sowie ein «moralisch fragwürdiges» Verhalten ihres Klienten ein. Allerdings habe er nie ohne Einverständnis gehandelt. Eine Zeugin etwa sei nach ihrer vermeintlichen Vergewaltigung noch 15 Mal in Mendys Haus zurückgekehrt, von einer anderen konnte Videomaterial von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr mit Matturie vorgebracht werden. «Es waren erwachsene Frauen, die erwachsene Entscheidungen trafen», schloss die Anwältin.
Im Januar 2023 wurde Mendy vom Gericht einstimmig in sechs Fällen freigesprochen, im Juli 2023 auch in den übrigen zwei Fällen. Bei der Urteilsverlesung brach er in Tränen aus.
Depay und Vinícius Júnior solidarisieren sich mit ihm
Etliche Spitzenspieler solidarisierten sich nach dem Gerichtsverfahren mit ihm. «Was du durchgemacht hast, tut mir leid», schrieb Real Madrids Stürmer Vinícius Júnior: «Dein Leben wird bestimmt nie wieder dasselbe sein. Die Kultur, Reputationen zu zerstören, hat wieder ein neues Opfer gefunden.» Der niederländische Nationalstürmer Memphis Depay fragte: «Und was tun wir jetzt? Wer wird diesem Bruder helfen zu heilen? Wer wird für den Schaden, der seinem Namen zugefügt wurde, verantwortlich sein?»
Zumindest ökonomische Probleme scheint Mendy nach dem Sieg vor dem Arbeitsgericht nicht mehr zu haben. Zuvor war er ohne die Gehaltszahlungen von Manchester City und angesichts der Prozesskosten vorübergehend pleite gewesen, die damaligen City-Mitspieler Raheem Sterling, Riyad Mahrez und Bernardo Silva unterstützten ihn mit Privatkrediten. In einem Statement zu seiner Klage begründete Mendy seine Ansprüche an die «Citizens» unter anderem damit, dass er nichts anderes gemacht habe als andere Profis, die auf den einschlägigen Partys gewesen seien. «Wir alle tranken Alkohol. Wir alle hatten flüchtige Beziehungen zu Frauen. Wir alle brachen Covid-Auflagen.»
Namen nannte er zwar keine, doch ein dem Schriftsatz beigefügter Medienartikel erwähnte Sterling, Mahrez, Jack Grealish, John Stones und Kyle Walker. «Der Unterschied zwischen mir und den anderen City-Spielern ist, dass ich fälschlicherweise der Vergewaltigung angeklagt und öffentlich gedemütigt wurde», sagte Mendy.
Der FC Zürich hat keine Bedenken
Dass der FC Zürich Benjamin Mendy nach dieser Vorgeschichte verpflichtet hat, ist mindestens bemerkenswert. Auf Nachfrage bestätigt der Präsident Ancillo Canepa, vom Transfer begeistert zu sein. Er sagt, der Klub habe im Rahmen der rollenden Kaderplanung einen erfahrenen Innenverteidiger und Linksfuss gesucht. «Aufgrund unserer Scoutings sind wir auf Mendy gestossen. Nach der ersten Kontaktaufnahme mit dem Spieler und seinem Berater haben wir sehr schnell und unkompliziert eine Einigung gefunden.»
Interessanterweise ist Mendy in seiner Karriere in knapp 250 Pflichtspielen nur auf der linken Seite, meistens als Abwehrspieler, eingesetzt geworden. Beim FCZ ist er aber offenbar im Zentrum vorgesehen. «Für uns ist wichtig, dass ein Neuzugang unser Zukunftsprojekt versteht und mit uneingeschränkter Überzeugung zum FCZ wechselt», sagt Canepa. Die Vorgeschichte mit den heftigen Vergewaltigungsvorwürfen sei mit Mendy nicht besprochen worden: «Das war kein Thema.»
Canepa betont erneut, dass es beim FCZ rote Linien gebe, die nicht überschritten werden würden. «Im vorliegenden Fall wurde Mendy freigesprochen. Es gab für uns keinen Anlass, an der Richtigkeit der juristischen Aufarbeitung zu zweifeln.» Der Präsident hat auch keine Bedenken, dass in der Ausstrahlung des FC Zürich nach aussen oder nach innen etwas hängen bleiben könnte, wenn man einen Spieler mit einer derart belastenden Vergangenheit verpflichtet. Er antwortet: «Bekannte Fussballer sind begehrte Objekte, um sie auch ohne ein Fehlverhalten einzuklagen. Dies in der Absicht, von ihnen ein Schweigegeld zu erpressen. Dafür gibt es leider genügend Beispiele.»
Beim FCZ kann Benjamin Mendy nun zumindest wieder Fussball spielen. Inwieweit er eine sportliche Verstärkung darstellt, bleibt abzuwarten. Für Lorient absolvierte er in der vergangenen Saison wegen Verletzungen und Formschwächen nur 708 Minuten. Canepa sagt, Mendy sei noch nicht ganz bei 100 Prozent. Er werde aber bald einsatzbereit sein.