Rechenzentren produzieren viel Abwärme. Bis zu 185 000 Haushalte könnten auf diese Weise in der Schweiz geheizt werden. In Lausanne gibt es ein Vorzeigeprojekt.
Analysieren Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) Daten oder führen sie andere komplexe IT-Aufgaben durch, tragen sie dazu bei, dass es in den Gebäuden auf dem Campus gemütlich warm ist. Denn wenn die Computerserver im Rechenzentrum der Hochschule Schwerstarbeit verrichten, steigt ihre Temperatur. Anstatt die Abwärme ungenutzt zu lassen, machen Wärmepumpen daraus Heizenergie.
Rechenzentren wie das an der EPFL gehören zu den grössten Stromfressern des Landes. Eine Datenbank abfragen, einen Film streamen, Geld überweisen – für all das benötigen die Server Energie. Die einzelnen Beträge sind klein, aber sie summieren sich. 3,6 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs entfielen 2019 auf Rechenzentren, zeigt eine von der Hochschule Luzern und TEP Energy im Auftrag des Bundesamtes für Energie (BfE) erstellte Studie. In den nächsten Jahren werden viele weitere Serverfarmen entstehen. Darum wird der Stromverbrauch dieses Segments laut der Studie noch stark zunehmen.
In den Rechenzentren fallen also immer grössere Mengen an Wärme an. Was liesse sich damit anfangen? Dazu machen sich viele Fachleute in der Schweiz Gedanken, auch über die noch bestehenden Hürden der Nutzung.
Mit der Abwärme könnten bis zu 5 Prozent aller Haushalte geheizt werden
Das landesweite Potenzial haben kürzlich Experten des Energie- und Planungsbüros Eicher + Pauli für das BfE untersucht. Ihr Ergebnis: Mittelfristig könnten rund 140 000 bis 185 000 Haushalte mit Abwärme aus den Schweizer Rechenzentren beheizt und mit Warmwasser versorgt werden. Das entspricht ungefähr 4 bis 5 Prozent aller Schweizer Haushalte.
Anders als in der EPFL bleibt die Abwärme der Server bislang jedoch oft ungenutzt. «Die meisten Betreiber von Rechenzentren geben ihre Abwärme heute einfach an die Umgebung ab, meist über die Aussenluft», erklärt Adrian Altenburger, Leiter des Instituts für Gebäudetechnik und Energie der Hochschule Luzern. Nur jedes fünfte Unternehmen mit eigenem Rechenzentrum verwertet heute die Abwärme, haben Altenburger und die anderen Autoren der BfE-Studie ermittelt.
Bei Dienstleistern, die Rechenzentren für andere Unternehmen betreiben, liegt der Anteil bei gut 40 Prozent. Allerdings beheizen sie damit in der Regel nur eigene Räume, vor allem Büros. Dafür benötigen sie lediglich einen kleinen Teil der anfallenden Abwärme. «Mit der Wärme Gebäude zu versorgen, die ausserhalb des Rechenzentrums in der Nachbarschaft liegen – das wird noch kaum gemacht», sagt Altenburger.
Zusätzlich können Wärmepumpen helfen
Voraussetzung dafür ist allerdings der Anschluss der Rechenzentren an Fernwärmenetze, die die Heizenergie zu den Verbrauchern transportieren. Hinzu kommt, dass die Temperatur der Abwärme in der Regel zu niedrig zum direkten Heizen ist. «Darum müssen Wärmepumpen installiert werden, die sie auf das benötigte Niveau hieven», erklärt Altenburger. Das Temperaturdefizit ist jedoch meist nicht sehr hoch, so dass die Wärmepumpen sehr effizient arbeiten können.
Auch die EPFL nutzt Wärmepumpen. Dort wird die Abwärme der Grossrechner mithilfe von Wasser abgeführt, das durch die Türen der Serverschränke fliesst. Das warme Wasser strömt zur Heizzentrale auf dem Campus. Dort sind Wärmepumpen installiert, die sie auf das Temperaturniveau bringen, das zum Beheizen der Büros, Labore und anderen Räume notwendig ist. «Wir speisen die Abwärme aus dem Rechenzentrum also nicht direkt in das Heizungsnetz ein, sondern verwerten sie indirekt durch die Wärmepumpen. So steigern wir deren Effizienz», erläutert Matthias Gäumann, Vice President Operations der EPFL.
Als weitere Wärmequelle dient den Anlagen das Wasser des nahe gelegenen Genfersees, dessen Temperatur an der Entnahmestelle auch im tiefsten Winter noch mindestens 7 Grad beträgt. Die erzeugte Wärme gelangt dann über ein Fernwärmenetz in die Gebäude der Hochschule. «Mit unserem Konzept erreichen wir heute eine Jahresarbeitszahl von 5», sagt Gäumann. Das bedeutet: Aus einer Kilowattstunde Strom erzeugt die EPFL auf das Jahr gerechnet 5 Kilowattstunden Wärme – Wärmepumpen in Einfamilienhäusern erreichen in der Regel nur ein Verhältnis von 1 zu 3 bis 4.
In Lausanne trägt eine Solaranlage zur Heizung bei
Da das Rechenzentrum der Hochschule in den nächsten Jahren stärker ausgelastet werden soll, rechnet Gäumann künftig sogar mit einem noch besseren Verhältnis zwischen Stromverbrauch und erzeugter Wärme. Einen Teil des Stroms für die Wärmepumpen liefert eine grosse Photovoltaikanlage, die auf dem Dach und an der Fassade der Heizzentrale installiert ist.
Noch ist die Zahl solcher Versorgungskonzepte überschaubar. Das liegt vor allem daran, dass es den Betreibern der Rechenzentren an Abnehmern für ihre Abwärme fehlt. In der Regel sind sie abseits von Wohnhäusern in Gewerbe- und Industriegebieten angesiedelt. Fernwärmenetze reichen häufig nicht so weit. Es kann aufwendig und teuer werden, sie an bestehende Netze anzubinden.
Umso wichtiger sei es, bei den vielen in nächster Zeit neu entstehenden Rechenzentren die Abwärmenutzung von vornherein zu berücksichtigen, meint André Flückiger, CEO des Energie- und Planungsbüros Eicher + Pauli, das die Potenzialstudie für das BfE verfasst hat. Dabei sieht Flückiger auch die Gemeinden in der Pflicht: «Die Kommunen können im Rahmen ihrer Raumplanung sicherstellen, dass die Rechenzentren dort gebaut werden, wo der Wärmebedarf in der Umgebung hoch ist.»
Auch könnten die Kommunen Nachweise für die Abwärmenutzung verlangen, wenn ein Unternehmen ein Baugesuch für ein neues Rechenzentrum oder die Erweiterung einer bestehenden Anlage einreicht. «Die Belieferung der Abnehmer mit Wärme müssen die Betreiber dann aber natürlich nicht selbst übernehmen. Dafür können sie sich einen Partner suchen», so Flückiger.
Rechenzentren sind nur für 10 bis 15 Jahre ausgelegt
Der Bund hat ebenfalls Hebel, die Nutzung der Serverwärme voranzubringen. So könnte er Unternehmen, die ein Wärmenetz bauen wollen, mit einer Ausfallgarantie das Risiko nehmen, eines Tages ohne die Abwärme aus den Rechenzentren dazustehen. Denn diese sind meist nur auf einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren ausgelegt, Wärmenetze dagegen auf 30 Jahre und mehr. Eine solche Absicherung würde helfen, später in alternative Wärmeerzeuger zu investieren, falls das nötig sein sollte.
Die Kantone wiederum könnten die Betreiber von Rechenzentren verpflichten, ihre Abwärme abzugeben, wenn ein Fernwärmeversorger oder ein Nachbar darum bittet. Der Kanton Zürich hat bereits im letzten Jahr eine solche Regelung verabschiedet. Einen von Kantonsräten geforderten Zwang zur Abwärmenutzung hat der Zürcher Regierungsrat aber kürzlich abgelehnt.
Flückiger beobachtet, dass das Interesse der Betreiber bestehender wie geplanter Rechenzentren an der Auskoppelung ihrer Abwärme in letzter Zeit deutlich zugenommen hat. Er ist überzeugt, dass das mit den steigenden Energiepreisen für die Unternehmen immer attraktiver wird, da sie mit der Abgabe der Wärme ihre Betriebskosten reduzieren könnten. «Und nicht zuletzt hilft ihnen die daraus resultierende CO2-Minderung bei der Vermarktung ihrer Leistungen.»