Konzernchef Busch dämpft die Spekulationen der Eigner auf eine Abspaltung der Medizintechnik-Tochter, die sein CFO zuvor geschürt hatte. Dieser verfolgte damit wohl eigene Interessen.
Siemens-Chef Roland Busch hat am Donnerstagmorgen klargestellt, dass Siemens in diesem Jahr bei der 75%-Tochter Siemens Healthineers nicht signifikant reduzieren wird. «Wir haben gesagt, dass wir zur Finanzierung der Altair-Akquisition Healthineers-Aktien verkaufen», sagte Busch auf eine Frage von Journalisten. Auf Nachfrage, ob es bei einem Verkauf von plus/minus 5% an Healthineers bleiben werde wie im Oktober mit der Altair-Übernahme angekündigt, sagte Busch: «Ja.» Er schloss: «Alles weitere besprechen wir beim Kapitalmarkttag am 9. Dezember.»
Damit widerspricht Busch der derzeit herrschenden Meinung im Kapitalmarkt. «Die Annahme im Kapitalmarkt ist, dass Siemens einen breiten Abverkauf bei Healthineers erwägt», sagte Ben Uglow, Gründer der unabhängigen Londoner Researchfirma Oxcap Analytics, in der Siemens-Analystenkonferenz. Gegenüber The Market präzisierte Uglow: «Viele Anleger wetten derzeit darauf, dass Siemens bei Healthineers signifikant reduziert.» Uglow war zuvor zwei Jahrzehnte Chef des europäischen Capital Goods Research bei der US-Bank Morgan Stanley und ist einer der besten Siemens-Kenner.
Dies war in den vergangenen Wochen und Monaten ein starker Treiber für den Siemens-Aktienkurs, der allein seit Jahresbeginn 18% gewonnen hat.
Die Erwartung des Kapitalmarkts sei hoch, «dass der Anteil an Siemens Healthineers in absehbarer Zeit unter 50% fällt», sagte auch Sabrina Reeh, Fondsmanagerin bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS, auf der anschliessenden Hauptversammlung.
Damit ist nun vorerst nicht zu rechnen, wie Busch klarstellte. Der Aktienkurs reagierte am Donnerstag trotzdem nicht aufs Busch Absage, da die Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg Buschs Aussagen zu Healthineers nicht berichteten. Siemens legte zu Handelsbeginn um gut 7% zu, da die Sparte Smart Infrastructure (Elektrifizierungsprodukte und Gebäudetechnik) weiter boomt. Der Umsatz in der Fabrikautomation brach im ersten Geschäftsquartal abermals ein: Er schrumpfte gegenüber dem Vorjahresquartal um 19% auf 2,7 Mrd. €. Gegenüber dem ersten Quartal 2023 bedeutet dies sogar einen Rückgang um 1 Mrd. €.
Siemens› widersprüchliche Kommunikation
Der Konzern spricht, was das Thema Healthineers angeht, mit gespaltener Zunge. «Die Siemens-Kommunikation ist schwer zu lesen», kritisierte Uglow gegenüber The Market. «Die Botschaften sind oft widersprüchlich, manche realisieren sich, manche nicht.»
Mit einem am 30. Dezember veröffentlichten Zeitungsinterview hatte Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas die Spekulationen der Anleger auf eine weitere Entflechtung kräftig angeheizt. Darin stellte Thomas die 75%-Beteiligung an Healthineers offiziell auf den Prüfstand. «Wir bewerten die ökonomischen Möglichkeiten für die Siemens AG im Gesundheitswesen.» Daraus werde man «dann ableiten, wie instrumentell die Healthineers als eine Beteiligung dafür sind.» Die Überlegungen sollten bis zum Investorentag am 9. Dezember abgeschlossen werden.
Es gebe zwar Synergien mit den anderen Geschäften des Technologiekonzerns wie Digital Industries (Fabrikautomation und Industriesoftware) und Smart Infrastructure, sagte Thomas im Interview. «Aber sind sie gross genug, um 45 Mrd. € Kapitalallokation zu rechtfertigen? Natürlich nicht.»
In Investorenkreisen heisst es, dass einige an der Siemens-Spitze von Thomas‘ Einlassungen überrascht worden seien. Busch gilt als Gegner einer deutlichen Reduktion oder gar eines Spin-off des Healthineers-Pakets; für ihn kann das Siemens-Reich nicht gross genug sein.
Busch liess Rückkauf von Healthineers prüfen
Deshalb hatte Busch nach Informationen von The Market aus Siemens- und Finanzkreisen vor einiger Zeit sogar erwogen, Healthineers von der Börse zurückzukaufen. Hierfür habe der CEO damals Investmentbanker einbestellt, um sich Möglichkeiten der Finanzierung eines solchen Rückkaufs erläutern zu lassen. Die 25% Healthineers-Anteile im Streubesitz kosten derzeit etwa 16 Mrd. €.
The Market hat Anfang der Woche darauf hingewiesen, dass CFO Thomas bei Healthineers vermutlich persönliche Motive verfolgt: Der demnächst 64-Jährige scheidet spätestens mit Vertragsende 2026 aus dem Siemens-Topmanagement aus. Sein Amt als Chefkontrolleur von Siemens Healthineers will er aber offenbar weiter ausfüllen. Dies dürfte ihm allerdings schwerfallen, wenn Healthineers eine voll konsolidierte 75%-Tochter bleibt. Ginge Siemens bei Healthineers in die Minderheit, stünden Thomas’ Chancen besser.